Investitionsanträge gehen über den Schreibtisch der Org.DV-Leitung:

Die Fachabteilung hat das Geld, aber nicht das letzte Wort

08.04.1988

MÜNCHEN - Nach wie vor sind die Fachbereiche von der Abteilung für Datenverarbeitung abhängig, wenn es um Investitionen in ihr DV-Equipment geht: In den meisten Anwenderunternehmen werden PCs und zugehörige Software zwar vom Fachabteilungs-Budget bezahlt; die Genehmigung für solche Anschaffungen erteilt allerdings die DV. Michael Weist, langjähriger DV/Org-Leiter und jetzt als Unternehmensberater in Stuttgart tätig, zweifelt an der Effektivität dieser Praxis: "Die DV-Abteilungen sind zum Teil noch viel zuwenig anwenderorientiert und zu stark mit ihren traditionellen Problemen beschäftigt." Sein Vorschlag: "Für die Fachabteilungsinvestitionen sollte ein engagierter Mitarbeiter zuständig sein; er muß die Belange der Fachbereiche verstehen und mit der DV reden können." Immer noch hapert es hier nämlich an Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren.

Wer schließlich seine Unterschrift unter den Investitionsantrag setzt, das wird von Betrieb zu Betrieb und oft auch innerhalb eines Unternehmens je nach Investitionsvolumen unterschiedlich gehandhabt:

Meist ist der DV-Leiter oder einer seiner leitenden Mitarbeiter, beispielsweise der Bereichsleiter Organisation, dafür verantwortlich; in einigen Fällen hat der Controller oder ein Mitglied der Geschäftsleitung sein Placet zu geben. Nur eines kommt offensichtlich selten vor: daß die Fachabteilung aus ihrem Budget ihr internes Equipment eigenverantwortlich beschaffen kann.

Alles, was die zentrale Unternehmens-DV berührt, ist für die Endanwender ohnehin Tabu - zu Recht, meinen die befragten Anwender einstimmig. Dazu auch Weist: "In dem Moment, in dem die zu beschaffenden Geräte mit der zentralen DV kommunizieren

müssen, tauchen Verkabelungsfragen und Probleme der Anschlußkapazitäten auf; hier ist in jedem Fall der DV-Leiter involviert."

Der Unternehmensberater begründet seine Einschätzung unter anderem mit einer praktischen Erfahrung: "Letztendlich wundern sich nämlich alle Anwender, wenn die Antwortzeiten in den Keller gehen." Dietrich Brömmert, DV-Leiter bei der Henkell & Söhnlein KG in Wiesbaden, hingegen verweist vorrangig auf den Aspekt einer einheitlichen DV-Strategie: "Das Problem liegt darin, daß man jede Investition in die vorhandenen Konzepte einbinden muß."

Aber auch die ausschließlich innerhalb des jeweiligen Fachbereichs eingesetzten DV-Investitionen müssen sehr oft von seiten der zentralen Datenverarbeitung genehmigt werden.

Für diesen auf den ersten Blick unnötigen Zentralismus gibt es hauptsächlich zwei Gründe:

Einerseits soll jedes neue Stück DV-Equipment den im Unternehmen üblichen Standards entsprechen. So wird zum Beispiel bei der Boehringer Mannheim GmbH "jeder neue PC, sobald er abgeliefert wurde, mit einheitlicher Sicherung und Menüführung ausgestattet", weiß Harald Rösch, Contoller für den Bereich Therapeutika, zu berichten.

Sinn und Zweck dieser Vereinheitlichung ist, so Rösch, daß "jeder Anwender beim Wechsel in eine andere Abteilung dort den gleichen Standard vorfindet".

Wilfried Oppel, Leiter des PC-Benutzerservice beim Nürnberger Großversandhaus Quelle, tröstet die Enduser mit einem "Zuckerl", das einen durchgängigen Standard geradezu unumgänglich macht, nämlich mit der telefonischen Hotline: "Wenn es um Systeme ginge, die wir nicht kennen, dann könnten wir diese Unterstützungsfunktion auch nicht wahrnehmen." Dasselbe gelte für Schulungen, die zwangsläufig nicht für jedes Softwarepaket angeboten würden.

Andererseits spielen knallharte Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Oppel: "Bei den Herstellern gibt es bessere Konditionen, wenn große Stückzahlen gleichzeitig abgenommen werden."

Ergänzt Hartwig Herndlhofer, Leiter zentrale Planung für Hard- und Software bei der Bayerische Motoren Werke AG in München: "Für sich genommen ist ein Terminal nichts Weltbewegendes. Aber wir verwalten Mengenverträge; beziehungsweise: Wenn es solche Verträge nicht gibt, schauen wir, ob da nicht etwas in der Art ausgehandelt werden kann." Schon aus diesem Grund, so der BMW-Mitarbeiter, müsse er wissen, wann und wo ein Terminal angeschafft werde.

Ob es den DV-Veranwortlichen recht ist, daß der Antrag für jeden PC und jedes Terminal über ihren Schreibtisch geht, steht auf einem anderen Blatt: "Das ist schon ein wenig lästig für uns", räumt Herndlhofer ein, fügt jedoch hinzu: "Aber nur durch solche Regelungen kann sichergestellt werden, daß nichts Wichtiges an uns vorbeigeht."

Ähnliches ist von Henkell & Söhnlein zu erfahren. "Natürlich holen wir uns damit alle möglichen Querelen an den Hals; aber wenn man es anders macht, dann hat man nachher die abartigsten Apparaturen herumstehen", prophezeit DV-Leiter Brömmert.

Allerdings gibt es offensichtlich auch Unternehmen, wo solchen Argumenten weniger Gewicht beigemessen wird. Unternehmensberater Weist berichtet zum Beispiel: "Ich kenne Betriebe, wo chaotische Zustände herrschen, weil jeder Bereich für sich beschafft. Da gibt es Fälle, wo ein Büroschrank budgetiert wird, und nachher ein PC da steht. Wie aber die Probleme, die daraus entstehen, gehandhabt werden, das ist ein ganz anderes Thema."

Auch Brömmert verfügt bereits über Erfahrungen mit einer Unternehmensstruktur, in der die selbständige DV-Beschaffung durch die Fachabteilungen üblich war: "Da standen dann überall Anlagen, die irgendwelche Dinge doppelt machten, beispielsweise je eine Materialwirtschaft auf dem Mainframe und auf einem kleineren Rechner - und letztere stammte womöglich noch von einem Werkstudenten, der keine Dokumentation erstellt hat."

Boehringer Mannheim praktizierte zu Beginn des PC-Booms, also Anfang der 80er Jahre, ebenfalls eine eigenverantwortliche Mikrorechner-Beschaffung in den Fachabteilungen. "Aber", so Controller Rösch, "nachdem in kurzer Zeit zwei- oder dreihundert PCs angeschafft worden waren, die dann nicht voll genutzt wurden, hat man hier einen Riegel vorgeschoben."

Warum die Entwicklung hin zu dezentraler Verantwortung aus dem Ruder lief, teilen die DV-Fachleute nur unterschwellig mit: Die Gründe lägen im fehlenden Überblick sowie in den mangelhaften Detailkenntnissen der Mitarbeiter in den Fachbereichen. Weist hingegen wird deutlich: "Es wäre wünschenswert, wenn es in den Fachabteilungen mehr DV-Know-how gäbe; aber das ist nicht die Praxis."

Trotzdem plädiert der Unternehmensberater dafür, den Fachabteilungen ein Mindestmaß an Verantwortung für die Beschaffung zu überlassen allerdings nur im Rahmen fester Vorgaben: "Wenn es in einem Unternehmen Basis-Eckdaten gibt, dann spricht nichts dagegen, daß die Fachabteilungen einen Teil des Equipments selbst planen; solange die Geräte nicht mit der zentralen DV verbunden werden müssen, geht das ohne weiteres."

Dieser Meinung ist auch Jürgen Wohninsland, DV-Leiter bei der Grünzweig + Hartmann Glasfaser AG in Ludwigshafen: "Eigentlich spricht nichts dagegen, daß die Fachabteilung kleinere Entscheidungen selbständig trifft." Die Realität sieht bei den Ludwigshafenern jedoch anders aus: "Der PC wird von der Fachabteilung budgetiert, die Antragstellung geht über meinen Schreibtisch, und die Beschaffung wird zentral durch die DV vorgenommen."

Ganz so eng wie es auf dem Papier steht, sehen einige Anwenderunternehmen solche Regelungen jedoch nicht. Bei BMW zum Beispiel trifft die Entscheidungen nicht unbedingt derjenige, der den Antrag signiert. Herndlhofer: "Es unterschreiben Leute, die in der Hierarchie sehr weit oben stehen; aber sie entscheiden nicht wirklich. Vielmehr setzen diese Führungskräfte ihre Unterschrift deshalb unter den Antrag, weil jemand vor ihnen bereits dasselbe getan hat - und zwar jemand, von dem sie annehmen, daß er weiß, was er unterschreibt."