CIO Matthias Mehrtens über die ersten 100 Tage

Die erste Zeit als CIO in einer neuen Branche

08.12.2013
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Gleich in dreifacher Hinsicht vollzog Matthias Mehrtens einen Wandel: Branche, Unternehmensform und Wohnort. Vor rund zwei Jahren ging der vormalige CIO der Stadtwerke Düsseldorf zum Reinigungsspezialisten Kärcher ins Schwäbische. Ein Gespräch über Entscheidungswege, Globalisierung und die Kehrwoche.

Grün, wohin man schaut: Wiesen und Weinberge, Gärten und ein Schlosspark. Der 27.000-Seelenort Winnenden, rund 20 Kilometer von Stuttgart entfernt, ist Matthias Mehrtens Wirkungsstätte. Aus dem glitzernden Düsseldorf, wo aufgestylte Models über die Kö stöckeln, zog es den Wirtschaftsinformatiker in die schwäbische Provinz. Anfang 2012 wechselte der damalige CIO der Stadtwerke Düsseldorf zu Kärcher. Der mittelständische Familienbetrieb bietet Reinigungssysteme, -produkte und Dienstleistungen für Privatkunden, Gewerbe und Industrie an. Mehrtens verantwortet jetzt die weltweite IT bei Kärcher.

Die berühmten ersten 100 Tage sind also schon einige Zeit vorbei. Diese kurze Frist hält Ulrike Rheinberger, Führungskräfte-Coach aus Berlin, allerdings für einen Mythos. Die Zeit reiche gerade für einen ersten Eindruck. Um sich einzuarbeiten, braucht man ein bis zwei Jahre, sagt Rheinberger. Demnach ist bei Mehrtens nun der Punkt für ein Zwischenfazit gekommen. Wie fällt es aus? „Sehr gut“, sagt Mehrtens wie aus der Spritzpistole geschossen. „Ich habe mich gut eingelebt."

Mittelständler und Weltmarktführer

Der Begriff Familienbetrieb soll nicht täuschen: Kärcher sieht sich in seiner Branche als Weltmarktführer und beschäftigt rund um den Globus mehr als 10.000 Mitarbeiter. Um diese Position zu wahren, muss die Firma Innovationen auf den Markt bringen. Zugleich ist Kärcher nach wie vor ein traditionsreiches Familienunternehmen, das sich um seine Leute kümmert. „Diese Mischung finde ich sehr spannend“, sagt Mehrtens.

Matthias Mehrtens, CIO bei Kärcher, findet die Mischung aus traditionsreichen Familienbetrieb und international agierenden Weltmarktführer sehr spannend.
Matthias Mehrtens, CIO bei Kärcher, findet die Mischung aus traditionsreichen Familienbetrieb und international agierenden Weltmarktführer sehr spannend.
Foto: Kärcher

Über seinen alten Arbeitgeber will der CIO kein negatives Wort verlieren. Zwischen den Zeilen schwingt mit, dass er die kurzen Entscheidungswege und das Zupackende des mittelständischen Betriebes, für den er jetzt arbeitet, schätzt. Das IT-Geschäft sei „völlig anders“, erklärt er offen. „Insgesamt läuft es bei einem Mittelständler von der Anforderung bis zur Umsetzung aus meiner Sicht schneller“, resümiert Mehrtens. In den ersten 100 Tagen hat er sich mit seinem neuen Team zusammengesetzt und intensiv mit Kärchers langfristig angelegter Zehn-Jahres-Strategie beschäftigt. „Ich hatte von Anfang an viel Gestaltungsspielraum und konnte im wahrsten Sinne des Wortes etwas unternehmen“, erzählt er.

Auch aus Unternehmenssicht war die Entscheidung für einen neuen CIO von außen klug, sagt Rheinberger. Wer Veränderungen bewältigt, gewinnt Kompetenz per se. Die Fähigkeit, Dinge anders zu betrachten, die Offenheit für Neues, die Außenperspektive auf bestehende Strukturen – gerade weil Kärcher Innovationen braucht, sind solche Stärken bei einer Führungskraft gefragt.

Das Unternehmen hat die gesamte IT neu ausgerichtet, die Umsetzung ist derzeit in vollem Gange. Mehrtens arbeitet im Moment beispielsweise an der Gestaltung und der Einführung von Web-Anwendungen für die Händler, und zwar weltweit. Außerdem sitzt er an Web-Shops für Kärchers Endkunden und am CRM-System.

Interkulturelle Kompetenz der anderen Art

Nicht geändert hat sich Mehrtens' Engagement an der Niederrhein Hochschule in Mönchengladbach. Seit 2005 unterrichtet der CIO dort, 2010 wurde er offiziell zum Honorar-Professor ernannt. Mit einer Parallel-Existenz im Elfenbeinturm hat das nichts zu tun: Mehrtens nutzte diese Arbeit immer als Chance zum Anwerben von Nachwuchs. Seine Studierenden konnten bei den Düsseldorfer Stadtwerken Praktika machen oder Abschlussarbeiten schreiben. Und so berichtet er auch über seine neue Firma: „Kärcher und die Hochschule Niederrhein sind inzwischen IT-Kooperationspartner und haben den Know-how-Transfer zur Förderung von Forschung und Entwicklung begonnen.“ Mehrtens lässt auch seine neuen Erfahrungen bei einem global tätigen Unternehmen einfließen: Interkulturelle Kompetenz steht jetzt mit auf dem Lehrplan.

Interkulturelle Kompetenz der anderen Art brauchte der Wirtschaftsinformatiker in Sachen Wohnort. „Ich vermisse die Karnevalszeit“, sagt der Ex-Düsseldorfer offen. Um gleich anzufügen, dafür habe er es nun nicht mehr so weit zum Skifahren. Eine gesunde Einstellung, findet Rheinberger. „Man muss gut für sich selbst sorgen“, sagt sie. Ihr Rat: Bei Veränderungen jeder Art nicht die Sensibilität für das Menschliche vergessen.

Mehrtens hat sich denn auch mit dem Schwäbischen angefreundet. „Der Kehrwoche bin ich mittlerweile mächtig“, versichert er. Und schmunzelt: „Bei Kärcher gibt es ja zum Glück die passenden technischen Lösungen."

Die erste Zeit im neuen Job - Tipps von Ulrike Rheinberger

Ulrike Rheinberger, Beraterin und Führungskräfte-Coach aus dem Berliner Büro Peak8, rät: „Spring nicht weiter, als Du sehen kannst!“ Sie gibt bei einem Wechsel sechs Tipps mit auf den Weg.

Ulrike Rheinberger, Beraterin und Führungskräfte-Coach aus dem Berliner Büro Peak8.
Ulrike Rheinberger, Beraterin und Führungskräfte-Coach aus dem Berliner Büro Peak8.
Foto: Privat

  1. Offen sein für Neues: Sich auf Veränderungen einstellen. Nicht erwarten, dass alles so läuft, wie man es kennt.

  2. Die ungeschriebenen Regeln lernen: Sich Zeit nehmen, das Unternehmen zu beobachten. Welche ungeschriebenen Regeln gibt es, welche Mittagessen-Rituale? Erst verstehen, dann handeln.

  3. Für Rückendeckung sorgen: Den Schulterschluss mit dem Vorgesetzten suchen. Regelmäßige Kommunikation ist wichtig. „Der Neue“ muss wissen, dass er Veränderungen mit der Rückendeckung des Vorgesetzten angehen kann, falls die Mitarbeiter mauern.

  4. Verbündete suchen: Innerhalb des neuen Teams Verbündete suchen. Auch hier gilt: erst einmal beobachten. Keine zu frühen Koalitionen bilden!

  5. Nicht den Vorgänger schlecht machen: Das wollen die Mitarbeiter nicht hören. Es ist wichtig, das Vorgefundene mit Wertschätzung zu betrachten.

  6. Sich die neuen Stärken bewusst machen: Change kann Stress auslösen. Aber wer Veränderungen bewältigt, generiert eine Kompetenz per se und bereichert das eigene Leben. Das darf man sich ruhig einmal bewusst machen.