DB Systel schaffte Führungskräfte ab

Die Entwicklung einer agilen Netzwerkorganisation

05.11.2020
Von Andrea König

Eine wichtige Erkenntnis für Mitarbeiter und das Top-Management lag darin, dass unkonventionelle Herangehensweisen funktionieren können und am Ende bessere Ergebnisse als die konventionelle Durchführung von Strategieprogrammen bringen. Das Unternehmen übertrug Verantwortung weg von der Führungskraft hin zu jedem Einzelnen, schaffte die klassische Führungskraft ab und teilte sie auf drei Führungsrollen auf. Parallel fiel der Entschluss, das gesamte Rechenzentrum zu verkaufen und alle 650 Anwendungen in die Cloud zu migrieren. Das Cloud-Geschäft wurde von Grund auf aufgebaut, dabei wurde direkt mit neuen Rollen, Selbstorganisation und dem Team-Ansatz gearbeitet.

DB Systel flankiert den Wandel durch einen strukturierten Prozess mit drei Quality Gates, in denen der Reifegrad der Teams evaluiert und Handlungsfelder zur Weiterentwicklung identifiziert werden. Mitarbeiter gründen selbstorganisiert Teams und melden sich zum sogenannten Trafo-Prozess an. Mit der Anmeldung lösen sie sich aus der klassischen Hierarchie heraus und begeben sich in die Übergangsphase des Trafo-Prozesses. Im Prozess muss das Team sein Leistungsportfolio festlegen, Kunden überzeugen, einen Business Case aufstellen und lernen, selbstorganisiert und agil zu arbeiten.

Arne Albrecht ist Product Owner agile Unternehmenstransformation bei DB Systel: "Kultur und Haltung im Unternehmen nachhaltig zu verändern, sind die Messkriterien einer gelungenen Transformation."
Arne Albrecht ist Product Owner agile Unternehmenstransformation bei DB Systel: "Kultur und Haltung im Unternehmen nachhaltig zu verändern, sind die Messkriterien einer gelungenen Transformation."
Foto: DB Systel

Ein Team durchschreitet in durchschnittlich 16 Monaten den Trafo-Prozess. Im letzten Quality Gate ist auch die Geschäftsführung beteiligt. Am Ende des Prozesses steht die formale Versetzung der Mitarbeiter in die neue Organisation. Dort sammeln sich Teams, die den gesamten Prozess durchlaufen haben. Ihnen steht es frei, mit anderen Teams Einheiten zu bilden, etwa zu ähnlichen Produkten oder Kunden. Auf diese Weise entsteht schrittweise eine neue Organisation, in die die Teams und Mitarbeiter nach und nach mit ihren fachlichen Themen übergehen. So gestaltet DB Systel einen begleitenden Veränderungsprozess, der auf eigenständige Erfahrung setzt, statt zu verordnen.

Führungskraft abgeschafft und auf 3 Führungsrollen aufgeteilt

Wie lässt sich die Veränderung einer Unternehmenskultur messen? DB Systel nennt unter anderem folgende Beobachtungspunkte, um die Veränderung im Unternehmen zu bewerten:

  • Kundenfeedbacks zu jedem Team machen transparent, wie Kunden die Zusammenarbeit mit einem selbstorganisierten Team im Vergleich zur klassischen Hierarchie bewerten.

  • Die agile Arbeitsweise erfordert regelmäßige Retrospektiven im Team - das fördert eine stetige Verbesserung des Teams.

  • Die Leistungsverbesserung (Qualität oder Masse) ist sehr teamindividuell: Bei Teams, die den Transformationsprozess komplett durchlaufen haben, sind Leistungssteigerungen von 20 bis 50 Prozent zu sehen.

  • Aktuell befinden sich mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter im Transformationsprozess - bis Ende 2020 will das Unternehmen ca. 30 Prozent der 550 Teams durch den Transformationsprozess durchgeschleust haben.

  • Die Mitarbeiterzufriedenheit in Teams, die durch den Transformationsprozess gelaufen sind, ist höher.

  • Die Arbeitgeberattraktivität ist gestiegen. DB Systel erhält Bewerbungen von Interessenten, gerade weil das Unternehmen Selbstorganisation und Eigenverantwortung konsequent einfordert.

3 Rollen

Die klassische Führungskraft hat DB Systel abgeschafft und auf drei Führungsrollen aufgeteilt:
1. der Product Owner (PO), 2. den Agility Master (AM) und 3. das Umsetzungsteam (UT).
Alle drei Rollen beinhalten Führungsaufgaben des klassischen Managements, beispielsweise die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit des Teams (PO=, die Verantwortung für die Weiterentwicklung des Teams (AM) oder sie bilden die Kundenschnittstelle für Eskalationen (UT).