Die IBM-Strategie und die Reaktion der etablierten Anbieter darauf:

"Die Einbahnstraße wird in beiden Richtungen befahrbar"

22.11.1985

- Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, daß IBM nun ebenfalls Protokollkonverter anbietet?

Nun, der Grund für das Erscheinen solcher IBM-Produkte am Markt ist nicht nur eine gewisse Renaissance der ASCII-Terminals, auch wenn IBM gerade erst neue ASCII-Terminals angekündigt hat; dahinter stehen schon ziemlich reale Absichten. Es geht für IBM zum einen darum, Stück für Stück etwas von dem Kuchen anzuknabbern, den sich zur Zeit Unternehmen wie DEC, CDC und andere Hersteller teilen, den technisch-wissenschaftlichen Markt also. IBM hat schließlich nicht ohne Grund einiges getan, um Anwendern im technisch-wissenschaftlichen Bereich den Kauf einer IBM-CPU schmackhaft zu machen. Ich erinnere nur an die Implementierung von Unix. Der nächste logische Schritt war ein IBM-Protokollkonverter oder, besser ausgedrückt, eine Terminalsteuereinheit für den Anschluß von Nicht-IBM-Terminals. Man kann schließlich schlecht zu einem DEC-Anwender gehen, ihn zur Installation eines IBM-Systems bewegen und ihn gleichzeitig auffordern, seinen gesamten Terminalbestand gegen 3270-Terminals auszutauschen.

Zum anderen hat wohl inzwischen jeder DV-Planer und auch IBM erkannt, daß der Anschluß von PCs als 3270-Terminal über Koax-Emulationskarten eine recht teure und aufwendige Angelegenheit ist. Man halte sich einmal folgenden Unsinn vor Augen: IBM und andere kompatible Hersteller produzieren kostspielige Terminalsteuereinheiten mit Koax-Anschlüssen. Danach wird das Koax-A-Protokoll mit ebenso aufwendigen Mitteln, nämlich mit 3000 bis 4000 Mark teuren PC-Karten wieder auf PC-Level gebracht, von den damit

verbundenen Einschränkungen, wie die fehlende Möglichkeit, solche PC-Ausgänge an weiterführende Modemstrecken anzuschließen, ganz zu schweigen.

Eine synchrone serielle Schnittstelle inklusive Terminals-Emulations-Software kostet dagegen nur einige hundert Mark beziehungsweise ist oftmals fester Bestandteil eines PC oder der darin installierten Multifunktions-Karte. Schließt man also einen solchen seriellen V.24-Port gleich an einen Protokollkonverter an, der die sonst übliche 3270-Steuereinheit ersetzt, kann die Kostenersparnis 3000 Mark oder mehr pro PC-Anschluß betragen. Dazu kommen noch zusätzliche Vorteile wie PC-Printersharing als PC-Host-Printer, Remote-Fähigkeit und vieles andere mehr. Einige IBM-interne Marketing-Papiere, wie zum Beispiel die 7426-Ankündigung, zeigen solche Vorteile ganz deutlich auf.

- Wie könnte sich die Präsenz von Big Blue auf die weitere Marktentwicklung auswirken?

Zunächst einmal wird der Markt für solche Geräte zwangsläufig wachsen. Immer mehr Anwender erkennen die Vorteile: Zum einen können sie Kosten sparen helfen, dann nämlich, wenn anstatt relativ teurer 3270-Einheiten ASCII-Equipment beziehungsweise Mikrocomputer angeschlossen werden sollen. In USA übrigens seit Jahren ein attraktiver Markt. Oder aber es handelt sich um erworbene Flexibilität, also den Anschluß von Hardware, die es vom Marktführer IBM gar nicht gibt, wie etwa Barcode-Geräte und Datenerfassungseinheiten.

Nicht zuletzt sei-noch der Doppelnutzungs-Effekt erwähnt, also der Einsatz eines VT100-Terminals als DEC-Komponente und über einen Protokollkonverter zusätzlich als 3270-Device. Viele eingeschworene IBM-Anwender haben in den letzten Jahren Protokollkonverter als "Fremdkörper" betrachtet. Wenn solche Geräte vom Marktführer selbst angeboten werden, sollte diese Hemmschwelle beseitigt sein.

Man kann also davon ausgehen, daß der Markt für 3270-Protokollkonverter auch bei uns ähnliche Steigerungsraten aufzeigen wird wie schon in den vergangenen Jahren in den USA. Die verbleibende Frage ist somit, wieviel Prozent dieses Geschäftes IBM selbst abwickelt.

- Welche Strategien haben Hersteller und Anbieter um auch in Zukunft neben IBM einen Anteil an diesem Marktsegment zu halten beziehungsweise diesen zu vergrößern?

Einige Hersteller und Anbieter werden versuchen, über den Preis zu verkaufen. Um damit erfolgreich zu sein, müßte der Preisvorteil gegenüber dem IBM-Equipment schon beträchtlich sein. Ist dies der Fall, so geht es leider oft auf Kosten des Kundensupports.

Die derzeitigen Marktführer sollten und werden ihren langjährigen Vorsprung ausnutzen und Geräte mit zusätzlichen Fähigkeiten anbieten. Zwei unserer Hersteller haben dies bereits getan. Das Betätigungsfeld für clevere Entwickler ist riesig. Die neue Generation von Protokollkonvertern verfügt über Fähigkeiten wie Host-Selektion, also die Vermittlung von Terminals an mehrere Computersysteme, IBM- und Nicht-IBM-Rechner inklusive Port-Contention, Paßwort-Schutz etc. Den eigentlichen Sprung nach vorne stellt jedoch die Anschlußmöglichkeit eines beliebigen Mixes von ASCII-Terminals und 3270-Koax-A-Typ-Terminals dar.

Die Einbahnstraße Protokollkonverter wird damit in beiden Richtungen befahrbar. Das ist wesentlich mehr, als es IBM im Moment anbieten kann. Entwicklungen, wie ich sie gerade geschildert habe, sind wohl der Markt-Trend. Einige Hersteller von Protokollkonvertern werden neue Märkte suchen, so zum Beispiel den X.25-Markt. Auch dort gibt es einiges, was IBM zur Zeit nicht kann. Man denke nur an einen NlA-Box-Ersatz, jedoch mit mehreren physikalischen Anschlüssen.