PCs oder intelligente Terminals, das ist oft die Frage:

Die DV-Intelligenz gehört an den einzelnen Arbeitsplatz

19.08.1988

Eine grundsätzliche Frage bei der Planung von Datenverarbeitungsanlagen ist die nach der räumlichen Verteilung der Maschinen-Intelligenz. Zwischen herkömmlichen Mehrplatzsystemen mit "dummen" Terminals und reinen PC-Netzen rangiert als Zwischenlösung der Einsatz intelligenter Terminals.

Das Problem ist so alt wie das Multiuser-Prinzip selbst: Die Kapazität der zentralen EDV-Anlage ist begrenzt und kann nur einmal an die angeschlossenen Benutzer verteilt werden. Also müssen Leistung und Intelligenz direkt an den Arbeitsplatz verlagert werden.

So entstanden aus Terminals "intelligente" Endgeräte. Inzwischen steht an vielen Arbeitsplätzen Terminal neben PC. Einmütig teilen sie sich die Fläche des Schreibtischs ñ und doch kündet jedes Gerät von seiner Welt.

Wodurch verdient sich ein Terminal eigentlich das Attribut "intelligent"? Noch vor wenigen Jahren ñ das heißt für PC-Anwender vor einigen Generationen ñ galt ein Terminal als fortschrittlich und leistungsstark, wenn es über Funktionen wie einen frei positionierbaren Cursor oder einen einstellbaren Scroll-Bereich verfügte und einige Video-Attribute unterstützte. Die damalige Norm entwickelte sich zwar langsam, aber doch stetig zum Schimpfwort: Teletype...

Heute gehört schon etwas mehr dazu, das begehrte Prädikat "intelligent" zugesprochen zu bekommen, und die Ansprüche steigen mit jeder Innovation. Unverändert ist das zugrundeliegende Prinzip, daß der Host zu seiner Entlastung eine möglichst komplexe Aufgabe an ein Endgerät delegiert, das zur eigenständigen Abwicklung des Vorganges befähigt ist.

Je nachdem, ob das Endgerät nur unter der Kontrolle des Hosts Befehle abarbeitet oder selbst den weiteren Ablauf beeinflußt, kann man zwischen passiver und aktiver Intelligenz unterscheiden. So ist das Zeichnen einer Linie bei Grafikterminals ein sehr komplexer und zeitraubender, aber unselbständiger Prozeß. Anders dagegen bei einem Textverarbeitungs-Terminal, das Erfassen und Umbruch einer Textseite ohne Rückgriff auf den Host erlaubt und erst nach Abschluß der Editierarbeiten das Produkt zur Speicherung überträgt. Hier ist die Grenze zur Workstation fließend.

So weit der Bogen der möglichen Anwendungen für intelligente Terminals auch gespannt sein mag, nichts erscheint so spezifisch, als daß es nicht mit Hilfe eines PCs auch gelöst werden könnte. Die PC-Hardware ist schließlich nicht nur universell konzipiert, sondern auch bestens modular erweiterbar. Trotzdem scheint es Faktoren zu geben, die den Anschluß von PCs an zentral organisierte EDV-Anlagen bremsen. Da sind zunächst nicht unerhebliche Berührungsängste zwischen den Betreibern der Zentral-EDV und den zumeist neu in dieses Betätigungsfeld gekommenen PC-Anwendern.

Was Organisationsabteilungen und EDV-Leiter gleichermaßen konservativ handeln läßt, ist sicher die Tatsache, daß mittlere und größere Rechenanlagen Investitionsgüter sind, um deren Auswahl und Beschaffung zäh gerungen werden muß. Ist dann endlich eine Entscheidung gefallen, kann und darf das System innerhalb der Abschreibungsfrist nicht veralten, auch wenn dies für technisch Versierte unübersehbar ist. Um so größer also das Mißtrauen gegenüber einer plötzlichen Welle von kleinen, aber enorm leistungsfähigen Rechnern, die mit einem unerschöpflichen Software-Angebot und hervorragenden Komfortmerkmalen ausgestattet sind, gleichzeitig aber ohne große Formalien - quasi aus der Portokasse - beschafft werden können.

Aus organisatorischer Sicht gibt es durchaus fundierte Gründe, die Ablösung von Terminals durch PCs ablehnend zu betrachten. Zwischen der Mächtigkeit der Werkzeuge und der Kreativität ihrer Benutzer besteht ein direkter Zusammenhang. Dieser mag durchaus fruchtbar sein, wenn es gelingt, die neuen Ideen in die richtigen Bahnen zu lenken. Es macht aber mittelfristig keinen Sinn, wenn ein Sachbearbeiter die vom Organisationsstab sorgfältig durchdachte zentrale Datenbank links liegen läßt und seine Kundenadressen komfortabel mit einer selbstgestrickten dBase-Anwendung verwaltet. Die Entstehung dezentraler "Daten-Töpfe" bereitet generell Sorgen, wenn Informationen ihrer Bestimmung nach zentral, das heißt unternehmensweit gültig sind. Preislisten, die per Diskettenumlauf verbreitet werden, sind vorprogrammierte Pannen im Angebotswesen.

Auch nicht unerheblich ist die Auswirkung der PC-Host-Verbindung auf firmeneigene Sieherheitskonzepte. Die heutigen Aufzeichnungsdichten erlauben, per Diskette ein Vielfaches der Datenmenge unauffällig aus der Firma zu tragen, als es zum Beispiel mit fotokopierten Unterlagen möglich wäre. Gleichzeitig sind keine verdächtigen Handlungen (längerer Aufenthalt am Kopierer oder gar der Umgang mit der klassischen Miniaturkamera) zu beobachten: Der Kopiervorgang ist schnell und unverdächtig. Aber selbst Mitarbeiter, die von derart kriminellen Praktiken weit entfernt sind, bergen Gefahren. Wie schnell ist doch durch Public-Domain-Software oder einem in der Mittagspause ausprobierten "Game" ein Virus eingeschleust, der die weitere Arbeit mit dem System zum Glücksspiel werden läßt.

Weiter zum wirtschaftlichen Aspekt. Der mörderische Preiskampf auf dem PC-Markt hat enorm attraktive Angebote hervorgebracht, die sich mit den Kosten für ein Terminal ohne jegliche Sonderausstattung durchaus messen können. Leider wurde zum Teil sehr an der qualitativen Ausführung (besonders der elektromechanischen Teile wie zum Beispiel Tastatur) gespart. Die Folge sind in bestimmten Fällen eine geringe Lebensdauer beziehungsweise hohe Reparaturhäufigkeit. Ob diesem Risiko ein echter Nutzen aus der Universalität des PCs gegenübersteht, muß von Fall zu Fall entschieden werden. Wenn etwa an einem Platz in der Fertigung mit erschwerten Umweltbedingungen ein BDE-Terminal gebraucht wird, aber nie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und so weiter, dann wird es weiterhin sinnvoll sein, ein schlichtes, aber robustes Terminal aufzustellen.

Schließlich die technische Seite. Wenn die Aufgabenstellung darin besteht, anstelle eines "normalen" Terminals einen PC mit SW-Emulation zu installieren, so sollte dies keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Analog verhält sich die Sache bei einem Terminal der Klasse "intelligent". Zwar ist die Kompatibilität beider Geräte schwerer nachzuweisen, aber wenn sie gegeben ist, besteht kein Grund, Probleme zu erwarten. Schwierig und risikoreich ist nur der Schritt vom Standard-Terminal zum intelligenten Gerät, da nur wenigen bewußt ist, daß damit de facto keine Terminalleitung mehr, sondern eine Rechnerkopplung zwischen autarken Systemen besteht. Die erheblich höheres Niveau beim Personal voraussetzende Fehlersuche in solch einer Konfiguration sollte dennoch niemanden davon abhalten, die Intelligenz dort hinzubringen, wo sie hingehört: an den Arbeitsplatz.