Mit Technik-Know-how auf der Sonnenseite des Berufslebens, aber:

Die DV-Branche verlangt aktuelles Wissen

29.11.1985

MÜNCHEN - Zuwachsraten in der elektronischen Industrie, so die Verbände, werden auch in den nächsten Jahren zweistellig sein, die Hausse bei DV-Fachkräften wird anhalten. Günstige Prognosen gelten, meint der Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Control Data Institut GmbH in München, Paul Maisberger, nicht für alle "Computerberufe". Oft müsse dazugelernt werden: Der "reine Codierer" etwa sei nicht mehr gefragt.

Wegen einer allgemeinen, jedoch kurzfristigen optimistischen Betrachtung gilt es, die Zukunftschancen für "Computerberufe" vorsichtig zu differenzieren.

Für Fachkräfte in der Datenverarbeitung stellen sich die Bedingungen am Arbeitsmarkt sehr günstig dar. Sowohl die berufsspezifische Arbeitslosenstatistik als auch das Angebot an offenen Stellen ergeben für DVer ein positives Bild. Dem ZVEI zufolge bestehe allein in der Informatik eine Bedarfslücke von etwa 10 000 Arbeitsstellen, und sie werde jährlich größer, weil die Ausbildungskapazitäten zu gering seien.

Ob diese Situation auch für die Zukunft gelten wird, hängt von der weiteren Verbreitung von Computeranwendungen ab. Eine Sättigungsgrenze, insbesondere bei Klein- und Mittelbetrieben, ist nicht erkennbar. Die momentane Absatzflaute, von der weltweit nahezu alle Mikrocomputerhersteller betroffen werden, hat besondere Gründe. Die fast ausschließliche Orientierung an der Hardware und die Vernachlässigung brauchbarer Softwareanwendungen ist ein Grund. Der zweite liegt in verfehlten Vertriebsstrategien, die dem Anwender keine ausreichende Beratung und laufende Unterstützung lieferten.

Freak contra SW-Techniker

Diese kurzfristige Absatzkrise bei Kleincomputern hatte allerdings bisher keinerlei Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für Berufe "rund um den Computer". Ganz im Gegenteil, das Wachstum bei DV-Anwendungen ist nur durch ein viel zu geringes Personalangebot begrenzt.

Trotz dieser sehr positiven Aussichten sollten die Argumente, die für ein anhaltendes Wachstum sprechen, und die Gegenargumente, die für einen Beschäftigungsrückgang vorgebracht werden, abgewogen werden.

Argumente für schlechtere Aussichten in DV-Berufen bewegen sich hauptsächlich im Software-Bereich. Nicht mehr die Hardware, sondern die Software ist beim Computereinsatz der wichtigste Kostenfaktor. Aus diesem Grund wird versucht, die Softwareerstellung mit Methoden des Software-Engineering zu rationalisieren und zu formalisieren. Ziel ist dabei die höhere Produktivität des einzelnen "Softworkers".

Durch den Einsatz von Tools, die die Erstellung eines Programms von der Idee bis zum ersten produktiven Lauf begleiten, sollen Programme schneller und mit weniger Fehlern "produziert" werden.

Durch den Einsatz dieser Werkzeuge und den Zwang zur projektbegleitenden Dokumentation soll die Arbeit des "Programmierers" nachvollziehbar und kontrollierbar werden. Gefragt ist nicht der "Programmierkünstler" oder "Computerfreak", sondern der ingenieurmäßig vorgehende "Softwaretechniker".

Es gibt zwischenzeitlich ein breites Angebot von Standardprogrammen und Branchenpaketen für nahezu alle Computeranwendungen. Würden diese stärker genutzt, könnte umfangreiche Programmierkapazität gespart werden.

Qualifizierte Manpower

Durch die zunehmende Konzentration und die weltwirtschaftliche Verflechtung ("Multis") bedingt, werden Programme immer mehr in "zentralen Programmierstuben" erstellt und bei allen Firmentöchtern dann nach einheitlichen Standards eingesetzt.

Die Argumente für ein weiteres, ungebrochenes Wachstum bei Computerberufen zielen auf den erwarteten Ausbau und auch auf die nötigen Wartungskapazitäten ab. Der Computereinsatz, insbesondere bei Klein- und Mittelbetrieben steht erst am Anfang. Weiterhin ist komfortable Computerbenutzung auch bei Großbetrieben erst im Entstehen begriffen.

Die Umstellung von Stapel- auf Dialoganwendungen, der zunehmende Einsatz von Datenbanken sowie der Ausbau von echten Informationssystemen erfordern erhebliche qualifizierte Manpower.

Kenntnisse aktualisieren

Der Bestand an vorhandenen Programmen und Systemen bindet oft bis zu 80 Prozent der Programmierkapazität mit Wartung und Pflege.

Schließlich: Computer werden bis zum Jahr 1990 nahezu an jedem zweiten Arbeitsplatz eingesetzt. Auch bei dieser Entwicklung stehen wir erst am Anfang.

Insbesondere die Argumente gegen ein weiteres Wachstum beziehen sich fast ausschließlich auf den Beruf des "Programmierers", des reinen "Codierers". Hier müssen tatsächlich auf die Dauer aktuellere Qualifikationen zum gegenwärtigen Wissen dazukommen, um im Computermarkt bestehen zu können.