Systems '97Messe-Rundgang: Lösungen für das Problem 2000

Die Doppel-Null: Projekte müssen pünktlich abgeschlossen werden

17.10.1997

Es ist kein Thema mehr, das allenfalls in den kleinen Besprechungskabinen der Messestände auf den Tisch käme: Die Umstellung von zwei- auf vierstellige Jahreszahlen ist überall im Gespräch; was fast alle haben, ist nicht mehr peinlich und kein Anlaß zu Heimlichtuerei mehr. Das Problem 2000 ist eins der auffallendsten Themen der Systems.

Man kommt nicht drum herum. Gleich am Eingang, schon in Halle 1, sind Jahreszahlen ein wichtiges Thema. In mehrfacher Hinsicht: Die hier seit Jahren groß auftretende SAP richtet sich auf eine Menge Anfragen ein, die direkt oder indirekt mit den Umstellungen zu tun haben. Denn auch die alte betriebswirtschaftliche Standardsoftware R/2 ist mit zweistelligen Jahreszahlen behaftet. Inzwischen bieten die Walldorfer ein Tool für die Umstellung des Programms und der bestehenden Daten auf vier Stellen an.

Umstellungswerkzeuge beziehungsweise problemfreie Versionen führen auch kleinere Anbieter betriebswirtschaftlicher Standardsoftware vor, beispielsweise DCW (Halle 23, Stand E08) und IBS (Halle 2, Stand A08/B05). Gespannt sein darf man, was der zweitgrößte Hersteller im Markt, Baan (Halle 2 (B04/D05), mit dem Erbe des einstigen Nixdorf-Erfolgs "Comet" zu tun gedenkt.

SAP hat übrigens festgestellt, daß die Kunden wenig Interesse an einer solchen Migration zeigen. Vielmehr nähmen viele Unternehmen das Problem zum Anlaß, nun von R/2 auf R/3 unter Unix- oder NT-Umgebungen umzusteigen. Laut einer Umfrage der Meta Group unter Großanwendern wollen 19 Prozent, wo es naheliegt, von Individual- auf Standardsoftware umsteigen. Gut die Hälfte der Anwender möchte ihre Umstellungsprojekte im nächsten Jahr durchziehen. Gute Aussichten also für die Geschäfte entsprechender Anbieter.

Es ist allerdings ein Irrtum zu glauben, alle Probleme ließen sich mit der Umstellung auf Standardsoftware aus dem Weg schaffen. Ein gehöriger Teil der Software bleibt spezifisch, allein schon, weil sich manche bewährte eigene Lösung nicht ersetzen läßt. Die bleibt zu analysieren, gegebenenfalls zu modifizieren und zu testen, bevor sich eine Firma auf der sicheren Seite wähnen darf.

In derselben Halle wie SAP findet sich das nächste bedeutende Softwarehaus, Computer Associates (CA). Dieses Unternehmen hat sich mit etlichen Firmenübernahmen nicht nur einen enormen Kundenstamm eingekauft, sondern auch vielerorts ein Problem. Entsprechend gibt es auch gleich ein Bündel von Gegenmaßnahmen unter dem Obertitel "Discovery 2000", allesamt Tools zur möglichst automatischen Prüfung und Konvertierung der Software besonders in Mainframe-Umgebungen. Erstmals vorstellen wird CA auf der Systems die Komponente "Fix/2000", ein Werkzeug für Änderungen von Cobol-Quellcode, das auch den Daten- und Logikfluß analysiert. Es bemerkt auch fehlende Subroutinen und Copybooks.

Eine Halle weiter ist Digital Equipment (Halle 2, Stand B04/ D05) auf Fragen vor allen Dingen von VAX/VMS-Anwendern gefaßt. Bei diesen einst äußerst beliebten Plattformen kommt das Problem der Jahreszahlen häufig vor. DECs Gegenmittel heißt "Piercom 2000" und zuständig ist der Geschäftsbereich Network and Systems Integration Services. Der vertreibt nicht nur einzelne spezifische Tools, sondern bietet auch recht umfassende Dienstleistungen zur Bewertung der Schwierigkeiten und zu ihrer Behebung.

Ein paar Schritte nebenan im selben Gang findet sich die Firma UBS Hainer (Halle 2, Stand B08/D/09), die vermutlich das erste Unternehmen in Deutschland war, das in der Presse auf das Jahreszahlen-Problem hingewiesen hat, nämlich schon Anfang der 90er Jahre. Interessant ist hier vor allen Dingen das "Dynamic Data Interface" (DDI), das mit Windows-Technik unter Batch, CICS und IMS den Aufwand für Datenerweiterungen in Grenzen halten soll. Die Software ist zu verschiedenen bekannten Umstellungswerkzeugen kompatibel, so zu "Vantage 2000" und zu "Hourglass 2000".

Aller Voraussicht nach wird sich in Halle 2 auch noch die Wincap Software GmbH einfinden. Dieses Unternehmen bezeichnet die Jahreszahlen-Umstellung als "Mega-Maintenance"-Projekt, entsprechend empfiehlt es eine noch für weit mehr Zwecke entwickelte Repository-Technik: die "Workbench Suite". Sie läßt sich über mehrere Betriebssysteme, Datenbanken und Programmiersprachen hinweg verwenden. Darunter sind: MVS, Bull-GCO, VMS, HP 3000, OS/400, VSE, Unix-Derivate, Adabas, DB2, Informix, Oracle, Cobol, PL1, Natural und RPG/400.

Für MVS- und AS/400-Umgebungen präsentiert Platinum in Halle 3, Stand A08, die Produktfamilie "Transcentury". Die Werkzeugpalette umfaßt nicht nur Analyse, weitgehend automatische Umstellung und Testing, sondern schließt auch einen Tester für die Leistungsfähigkeit der überarbeiteten Software ein.

Eine bemerkenswerte Sorglosigkeit waltet in puncto PCs. Viele Anwender sehen hier nur ein BIOS-Problem, das mit dem bekannten "Silvester-Boot-Test" zu erkennen sei. Die Firma Skytronics (Halle 4.1, Stand 32) macht darauf aufmerksam, daß noch ein paar mehr Komponenten in den beliebten Rechnern zu Schwierigkeiten führen können, und vertreibt eine Software, die die Bauteile prüft und Patches enthält.

Für IBM-Anwender wird nichts am großen Stand in Halle 5, Stand A06/B09, vorbeiführen. Das Unternehmen kämpft schon aufgrund seiner langen Geschichte an zahllosen Fronten mit dem Problem 2000.

Entsprechend breit ist das Lösungsspektrum, verbunden beispielsweise mit den Titeln "Assessment 2000" und "Bypass 2000". Neu in einem dicken Lösungskatalog ist beispielsweise "Visual Age for Cobol", das vier Konvertierungs-Tools für Jahreszahlen enthält. Ansonsten setzt Big Blue auf die Fähigkeiten eines breiten Spektrums von Partnern. Es ist nicht gerade leicht, hier durchzublicken und eine durchgängige Lösung zu finden.

Standbesucher dürften ohnehin bei der für "Global Services" zuständigen Tochtergesellschaft CGI am selben Stand vorbeischauen. Sie betreibt seit einiger Zeit ein überaus reges Marketing in Sachen Problem. (Außerdem ist sie im Software-Entwicklungszentrum in Halle 3, Stand H03/ A01, vertreten.) Immerhin bietet die Dienstleistungstochter mit "CGI 2000" ein umfassendes Konzept von Tools und Services zur Datumsumstellung, das über die unmittelbare IBM-Welt hinausgeht. Auffallend an diesem Ansatz ist, daß die Lösung nicht darin besteht, sämtliche zweistelligen Jahreszahlen in vierstellige zu verwandeln, sondern betroffene Befehlssätze gekapselt werden. Die Logik funktioniert weiter, und Masken, Vorlaufkarten, PARM-Felder etc. bleiben unverändert.

Einige Fragen zur Zukunftssicherheit ihrer DV-Systeme dürften auch Kunden von Siemens-Nixdorf (Halle 6, Stand A04/ A11) haben. Das Unternehmen hat einst wohl nicht damit gerechnet, daß das BS2000 einmal verdächtig klingen könnte und ein Programm "Year 2000" zur Folge haben sollte. Unter diesem Titel läuft jetzt ein breites Angebot von Tools - das Zauberwort heißt "Ass 2000" - sowie Consulting- und Entwicklungsdienstleistungen für Programmiersprachen und Anwendungen. Dabei hilft SNI auch bei Problemen mit Fremd-Betriebssystemen wie MVS und bietet Tests für jene an, die sicherstellen wollen, daß es unter dem eigentlich nicht so gefährdeten Unix-Derivat Sinix nicht durch Implementierungsfehler zu Problemen kommt.

Sechs Monate, nachdem Softlab (Hall 7, Stand C08/D03) erschreckende Ergebnisse einer Umfrage unter 700 europäischen Unternehmen zum Stand der Umstellungsarbeiten vorgelegt hat, ist soeben eine Folgestudie erschienen: Immer noch unterschätzten Unternehmen das Problem, sie haben weder eine Strategie ausgearbeitet noch Ressourcen bereitgestellt. Das ist nicht das Lamento eines unterbeschäftigten Anbieters.

Die BMW-Tochter bietet Dienstleistungen in Sachen Problem 2000 über unterschiedliche Betriebssysteme, Tools, Datenbanken und Programmiersprachen hinweg an. Das reicht von der Erfassung der Infrastruktur und über die Analyse (mit dem Tool "Yet") bis zur gesamten Umstellung einschließlich der Organisation und Leitung eines Projektbüros und Manpower-Services bei Personalengpässen.

Aus Chemnitz kommt die Firma Pro et con, die sich bisher vor allem mit der automatischen Sprachkonvertierung beschäftigt hat. Jetzt zeigt sie in Halle 11, Stand C16B, neue Translatoren von PL/1 zu C++ sowie von TAL zu C und C++. Zusammen mit weiteren Methoden und Tools sind sie in der Lage, kritische Datumsobjekte zu ermitteln und zu verändern.

Schließlich wäre noch die Delta Software GmbH in Halle 12 zu erwähnen. Sie bietet mit "Amelio/2000" ein den ganzen Umstellungsprozeß unterstützendes Werkzeug, dessen Herzstück - die "Root Inference Engine" - Techniken der künstlichen Intelligenz verwendet. Das System soll sich nicht nur für größere Rechner, sondern auch für Windows-95- und NT-Umgebungen eignen.