DB-Entwurf als Grundstein der Implementierung:

Die divergierenden Ziele vereinen

06.05.1988

CIM bedeutet die durchgängige Bereitstellung von Informationen für Prozeßketten, das hat sich in der Zwischenzeit herumgesprochen. "Deshalb ist der Entwurf einer logischen Datenstruktur der erste Schritt zur Gestaltung einer CIM-Datenstruktur" konstatiert Dr. August-Wilhelm Scheer.

CIM bedeutet die durchgängige Bereitstellung von Informationen für Prozeßketten. Typische Prozeßketten sind der Entwicklungsprozeß eines Produktes, das Ausnutzen von Geometrie-Informationen in der Fertigung, die Abwicklung von Kundenaufträgen und die Durchführung der Fertigung. Gerade bei diesem Punkt ergeben sich enge Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Problemfeldern, die über eine einheitliche logische Datenbank integriert werden müssen.

Das zeitlich enge Ineinandergreifen von Fertigungssteuerung, NC-Programmierung, Werkzeug- und Materialverwaltung, Werkzeug- und Materialtransport, Instandhaltung und Qualitätssicherung erfordert eine integrierte Datenstrukturierung. Dazu ist ein umfassender logischer Entwurf von Datenstrukturen erforderlich. Er soll helfen, Redundanzen, Inkonsistenzen und ein auseinanderstrebendes Aktualitätsniveau zu vermeiden.

DB-Entwurf von physischer Implementierung trennen

Allerdings sollte der logische Datenbankentwurf von der physischen Implementierung getrennt werden: Auch eine logisch einheitlich entworfene Datenbankstruktur kann über mehrere physische Datenbanken verteilt sein. Gerade dieser Gesichtspunkt gewinnt in der Fertigung durch die Vernetzung unterschiedlicher Hardwaresysteme (Prozeßrechner, Workstations, DNC-Steuerungen, Meß- und Analysesysteme, Planungsrechner) besondere Bedeutung.

Der Entwurf der logischen Datenstruktur ist ein erster Schritt zur Gestaltung einer CIM-Datenbasis: Die benötigten Datenobjekte (Entitytypen) und ihre Beziehungen untereinander werden konstruiert. Dies schafft eine Schnittstelle zwischen dem Fachwissen des Anwenders und der Anforderung an die erforderliche Formalisierung der Informationstechnologie.

Eine Zusammenarbeit zwischen Anwender und Informationsmanagement ist deshalb besonders wichtig. Fehler, die bei diesem Entwurfsschritt gemacht werden, lassen sich bei den folgenden Implementierungsschritten kaum noch korrigieren.

Nach dem Entwurf der logischen Datenstrukturen werden diese in einem zweiten Schritt in die Formulierungssprache eines Datenmodells (relationales Datenmodell oder Netzwerkdatenmodell) überführt. Erst im dritten Schritt werden diese Strukturen in der Datenbeschreibungssprache eines konkreten DB-Systems formuliert.

Die logischen Datenstrukturen bestimmen die Mächtigkeit der Datenbasis, also ihre Auskunftsbereitschaft und Flexibilität gegenüber Änderungen. Sie fungieren einmal als Basis für Eigenentwicklungen im CIM-Bereich, zum anderen sind sie aber auch ein wichtiges Beurteilungskriterium bei der Auswahl von Standardsoftware.

Da beim Konstruktionsprozeß der logischen Datenstrukturen noch keine Beziehung zu konkreten Datenbanksystemen oder Datenmodellen besteht, kann eine "hohe", der Fachebene entsprechende Entwurfssprache eingesetzt werden. Mit dem Entity-Relationship-Modell (ERM) von Chen steht eine solche wirksame Konstruktionssprache zur Verfügung. Strukturelemente der ERM sind Entity- und Beziehungstypen.

Ein Entitytyp umreißt eine Objektklasse, die im Rahmen der Datenbank beschrieben werden soll. Typische Beispiele hierfür sind Aufträge, Betriebsmittel, Werkzeuge, Mitarbeiter etc. Beziehungstypen stellen Verbindungen zwischen den Entitytypen her, beispielsweise die Zuordnung von Aufträgen zu Betriebsmitteln oder die Zuordnung von Mitarbeitern zu Aufträgen. Die Beziehungstypen lassen sich je nach dem Grad der Verflechtungen sowohl in 1:1-, 1:n- als auch in n:m-Beziehungen unterscheiden.

Nachstehend wird aufgezeigt, wie man für die zeitnahen CIM-Gebiete eine integrierte logische Datenbank konstruieren kann. Dabei geht es darum, die Datenstrukturen für die Fertigungssteuerung etwas detaillierter zu beschreiben und sie dann mit den anderen Anwendungsgebieten der NC-Programmierung, Werkzeug- und Materialverwaltung, Werkzeug- und Materialtransport, Instandhaltung und Qualitätssicherung zu verbinden.

Die logischen Datenstrukturen beziehen sich auf eine organisatorische Einheit der Fertigungssteuerung, die mit einer relativ hohen Dispositionsfreiheit ausgestattet ist, also zum Beispiel eine Werkstatt, ein flexibles Fertigungssystem oder eine Fertigungsinsel. Auch werden dieser Einheit Funktionen der Stammdatenverwaltung, wie etwa Betriebsmittel, Mitarbeiter, Werkzeuge etc. zugeordnet. Die Konstruktion der logischen Datenstrukturen muß als eine dezentrale Einheit gesehen werden, da nur so die Forderungen an übergeordnete Datenverwaltungssysteme definiert werden können.

Ausgangspunkt der Fertigungssteuerung sind die freigegebenen Arbeitsgänge, die aus einem übergeordneten Auftragserzeugungssystem resultieren. Ein Arbeitsgang wird durch Angabe der Teilenummer des zugehörigen Auftrages (TNR), des Auftragsdatums (Datum), des zugewiesenen Arbeitsplans (APLNR), der Betriebsmittelgruppennummer (BMGNR) und der Verfahrensnummer (VNR) identifiziert.

Zur Feinsteuerung werden die freigegebenen Arbeitsgänge innerhalb der bereits, zugewiesenen Betriebsmittelgruppe konkreten Betriebsmitteln zugeteilt. Dabei können differenzierte Steuerungsprobleme auftreten: So lassen sich ähnliche Arbeitsgänge unterschiedlicher Aufträge zu einem Los "raffen"; es ist auch möglich, Arbeitsgänge verschiedener Aufträge auf unterschiedliche Materialeinheiten zur optimalen Materialausnutzung zuzuweisen.

Eine solche planerisch neue Dispositionseinheit wird als Sequenz bezeichnet und durch eine Sequenznummer (SNR) identifiziert. Die Zuordnung von Arbeitsgängen zu einer solchen Sequenz und die Zuweisung konkreter Betriebsmittel fährt zu der Maschinenbelegung. Eine Maschinenbelegung wird einmal durch die Zuordnung und zum anderen durch Angabe des Start- und Endtermins (von ... bis ...) identifiziert.

Die konkrete Belegung eines Betriebsmittels mit einer Sequenz bedeutet somit die Beziehung zwischen den Entitytypen Betriebsmittel, freigegebene Arbeitsgänge, Sequenz und Zeit. Zu jeder Ausprägung eines Entitytyps können mehrere Elemente der Maschinenbelegung vorhanden sein.

Neben den Betriebsmitteln werden von der Fertigungssteuerung auch die anderen Ressourcen Personal und Werkzeuge den Arbeitsgängen zugeordnet. Die Beziehung Maschinenbelegung wird zu diesem Zweck mit dem Entitytyp Werkzeug verbunden. Dazu wird der Beziehungstyp Maschinenbelegung als ein Entitytyp interpretiert, da er nun selbst Ausgangspunkt für logische Verknüpfungen wird.

Ein Werkzeug für mehrere Maschinenbelegungen

Ein Werkzeug kann für mehrere Maschinenbelegungen eingesetzt werden, umgekehrt kann eine Maschinenbelegung mehrere Werkzeugwechsel erfordern. Um deshalb die geplanten Einsatzzeiten mit Start und Ende festzuhalten, wird die Beziehung Werkzeugbelegung mit dem Entitytyp Zeit verbunden.

Entsprechend gestaltet sich auch die Beziehung Mitarbeiterbelegung. Es wird eine n:m-Beziehung zwischen Mitarbeiter und der Maschinenbelegung hergestellt; denn ein Mitarbeiter kann an mehreren Maschinenbelegungen beteiligt sein und umgekehrt an einer Maschinenbelegung mehrere Mitarbeiter.

Auch hier wird durch die Verbindung mit dem Entitytyp Zeit eine genaue Verfolgung der Einsatzzeiten möglich. Dadurch stehen zum Beispiel Daten für eine differenzierte leistungsbezogene Entlohnung zur Verfügung.

Die Daten der Fertigungssteuerung werden mit den Datenstrukturen der NC-Programmierung verbunden. Die verwalteten NC-Programme bilden eine eigenständige Bibliothek. Diese wird als Beziehungstyp zwischen Körper (Zeichnung) und Arbeitsgangzuordnung konstruiert. Mit dem Entitytyp Körper wird ausgedrückt, daß in der organisatorischen Einheit auch Zeichnungen für die in ihr gefertigten Teile verwaltet werden können.

Auch differenzierte Lagerhierarchie möglich

Die gefertigten und verwalteten Teile/Materialien bilden den Entitytyp Teile. Er wird über die Beziehung ,gehört zum mit den Zeichnungen (Körper) verbunden. Der Einsatz der NC-Programme bildet die Beziehung NC-Programm-Einsatz zur Maschinenbelegung und zur Zeit, wobei ein NC-Programm auch mehrere Maschinenbelegungen überdecken kann. Die in der organisatorischen Einheit verwalteten Werkzeuge und Vorrichtungen bilden einen eigenständigen Entitytyp Werkzeug/Vorrichtung. Die an einem Betriebsmittel einzusetzenden Werkzeuge und Vorrichtungen werden über die Zuordnung definiert.

Bei hochautomatisierten Systemen können spezielle Lagersysteme für Werkzeuge und Vorrichtungen eingerichtet sein. Der Entitytyp Lagerort gilt sowohl für die Lagerung von Teilen (insbesondere auch Zwischenlagerbestände von angearbeiteten Arbeitsgängen) und Materialien, als auch für Werkzeuge und Vorrichtungen. Selbstverständlich kann auch eine differenzierte Lagerhierarchie eingeführt werden. Der Lagerbestand an Werkzeugen oder Vorrichtungen in einem Lagerort (zum Beispiel auf einer Palette oder in einem speziellen Fach) wird durch die Beziehung Lagerbestand definiert. Der Lagerbestand an Materialien und Teilen bildet die Beziehung Lagerbestand MT zwischen dem Entitytyp Teil und Lagerort. Die Werkzeugbelegung wird (analog der Maschinenbelegung, dem Mitarbeitereinsatz und dem NC-Programmeinsatz) als Beziehungstyp zwischen den Entitytypen Lagerbestand, Maschinenbelegung und Zeit angesehen. Die Verbindung zu dem Entitytyp Zeit soll wiederum ermöglichen, daß die Werkzeugbelegung auch über mehrere Maschinenbelegungen hinaus gültig sein kann.

Die Ein- und Auslagerungsvorgänge (Lagerspiele) werden für Werkzeuge/Vorrichtungen und Materialien/Teile getrennt entwickelt. Das Lagerspiel für Werkzeuge/Vorrichtungen, also eine Auslagerung oder Einlagerung, ist eine n:m-Beziehung zwischen der Zeit und der als Entitytyp interpretierten Werkzeugbelegung und bildet somit den Beziehungstyp Lagerspiel WV. Als Zeitausprägung wird hierbei der Start des Auslagerungs- oder Einlagerungsvorgangs angesetzt.

Entsprechend diesem Vorgang ist auch das Lagerspiel MT für Materialien/Teile definiert. Dazu sind die für eine Sequenz erforderlichen Materialien und Vorprodukte zunächst in dem Beziehungstyp Reservierung erfaßt, der eine n:m-Beziehung zwischen Lagerbestand und Sequenz bildet. Die Auffassung der reservierten Komponenten wird über Lagerspiel MT als Beziehung zwischen dem uminterpretierten Entitytyp Reservierung und der Zeit gebildet. Die Lagerspiele lassen sich zu Fahrplänen zusammenstellen.

Für das Transportsystem wird zunächst der Entitytyp Station eingeführt. Er ist über Zuordnungsbeziehungen mit Betriebsmittel und Lagerort verbunden. Ein spezieller Transportvorgang stellt eine Beziehung zwischen zwei Stationen dar. Hierbei lassen sich jeweils die "Von"- und "Nach"-Transporte einer Station unterscheiden. Daraus entsteht die n:m-Beziehung Transport.

Da man eine Sequenz nach ihrer Fertigstellung in ein Lagersystem einbetten kann, wird der Standort der Sequenz durch eine n:m-Beziehung zwischen Lagerbestand MT und Sequenz ausgedruckt. Durch die n:m-Beziehung ist es möglich, Teilmengen einer Sequenz einzulagern und diese für die Weiterverarbeitung zu identifizieren.

Sequenzen in Teilladungen transportieren

Auch können Sequenzen in Teilladungen als geschlossene Posten transportiert werden. Dieser Vorgang ist als Beziehungstyp Teilladung zwischen Transport und Sequenz definiert. Die Transporte einer bestimmten Periode lassen sich in dem Fahrplan hierarchisch zusammenfassen.

Die in der organisatorischen Einheit verwalteten Prüfpläne zur Qualitätssicherung sind in dem Entitytyp Prüfplan erfaßt und mit den Teilen verbunden, Die angewandten Prüfverfahren bilden den Entitytyp Prüfverfahren, der in Kombination mit dem Prüfplan den Entitytyp Prüfvorschrift ergibt.

Die Datenstruktur zur Instandhaltung knüpft an den Betriebsmitteln an. Ihnen sind die Ersatzteile (Maschinenbelegung) zugeordnet. Die "Stücklistenstruktur" komplexen Ersatzteile wird durch die Beziehung Struktur abgebildet. Der Instandhaltungsauftrag bildet eine n:m-Beziehung zwischen Maschinenteil und Zeit.

Enge Anbindung an Realtime-Prozesse

Die konstruierte Datenstruktur umfaßt eine Vielzahl der in der Realität auftretenden Datenbeziehungen. Durch die zentrale Einbindung des Entitytyps Zeit wird ihre hervorstechende Bedeutung für die kurzfristige Steuerung betont. Gleichzeitig kommt hierdurch auch eine enge Anbindung an Realtime-Prozesse mit ihren hardware- und softwaremäßigen Konsequenzen zum Ausdruck.

Einige Entities und Beziehungen besitzen nur eine kurzlebige Bedeutung und können kurz nach ihrer Bearbeitung wieder gelöscht werden. Dieses gilt insbesondere für die Transport- und Lagervorgänge.

Bei der Konstruktion stehen die Grade der Beziehungen nicht jedesmal zur Diskussion an. Die in der Abbildung eingetragenen Grade (1:n, n:m, ... ) sind aber leicht zu interpretieren.

*Dr. August-Wilhelm Scheer ist Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken.