Coaching, Consulting, Training, Infotainment

Die Digitalisierung ist ein Kommunikationsproblem

03.06.2019
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Thomas Schulte, Diplom Volkswirt und Geschäftsführer einer Coachingfirma. Der Autor hat über 25 Jahre Berufs- und Führungserfahrung als Banker, internationaler Unternehmensberater und Coach. Er ist zertifizierter Coach der ICF und spezialisiert auf Einzel-, Team- und Organisationscoaching. 2010 erschien sein Buch „Coaching als Weg“ (Achter Verlag), 2013 folgte „Der Weg zum professionellen Coach“ (Beltz), 2015 „Leistung und Leichtigkeit“ (Springer Gabler) und 2019 „Die unschlagbare Organisation“ (Schäffer-Poeschel). Coaching ist für ihn ein Handwerk, eine Kunst und eine Lebenseinstellung und der Schlüssel zu erfolgreichen Organisationen.
Digitalisierung und menschliche Kommunikation gehen Hand in Hand. Viele Beratungs-angebote versprechen zu helfen. Der Artikel zeigt, welche Beratungsformen bei der Bewältigung der Herausforderungen in Frage kommen, mit ihren spezifischen Vor- und Nachteilen.
  • In einer akuten Krise kann die direkte Lösungsbereitstellung durch einen Consultant große Erleichterung bewirken, insbesondere dann, wenn eine externe Lösung möglich ist.
  • Das Training kann bei einer großen Anzahl von Mitarbeitern und Führungskräften innerhalb kurzer Zeit fehlende Kompetenzen gezielt aufbauen, wenn klar ist, welche Kompetenzen fehlen.
  • Das Coaching kann auf die gesamte Bandbreite aller individuellen und kollektiven Hürden eingehen und zielgerichtet begleiten, wenn die Bereitschaft dazu vorhanden ist.
  • Der Infotainer kann unterhalten, eine Auszeit verschaffen und motivierend einwirken, wenn zunächst einmal nur die Stimmung im Unternehmer verbessert und Anregungen gegeben werden sollen.

Die Digitalisierung ist nichts Neues. Nicht nur, weil ich früher einmal IT Berater war und mich noch gut daran erinnern kann, wie beispielsweise SAP schon in den 80er Jahren die Idee der integrierten und beleglosen Datenverarbeitung erfolgreich verfolgte.
Sondern weil die mit der Digitalisierung verbundene Informationstechnik im Grunde genommen Kommunikation ist. Zwar eine technische in Bits und Bytes, die jedoch nur das widerspiegelt, was zuvor die Menschen miteinander verabredet und kommuniziert haben. Digitalisierung und Kommunikation gehen Hand in Hand, sind vielleicht sogar identisch. Bits auf der einen Seite entsprechen Worten auf der anderen.

Mitarbeiter können sich von der Digitalisierung überfordert fühlen. Hier heißt es durch Kommunikation Klarheit zu schaffen.
Mitarbeiter können sich von der Digitalisierung überfordert fühlen. Hier heißt es durch Kommunikation Klarheit zu schaffen.
Foto: B-D-S Piotr Marcinski - shutterstock.com

Woher die Probleme kommen

Eines ist allerdings neu: Die Kommunikation zur Digitalisierung hat Schwierigkeiten in noch nie dagewesenem Ausmaß. Damit mein Auto mit dem Navi, mein Kühlschrank mit dem Discounter oder mein Fernseher mit dem Smartphone kommuniziert, müssen zuvor die unterschiedlichsten Spezialisten miteinander geredet und sich geeinigt haben.

IT-Systeme miteinander kommunizieren zu lassen, ist zu einer ungeheuren zwischenmenschlichen Herausforderung geworden. Denn diese Kommunikation ist nicht mehr nur persönlich (1:1), sondern netzwerkartig (N:M). Für jedes beteiligte System sind in der Regel mehrere (N) Teams zuständig, die mit anderen Systemen und deren (M) Teams kommunizieren. Das bedeutet Mentalitäts- und kulturelle Unterschiede zu überwinden, Stress und Frustration auszuhalten und ganz unterschiedliche Menschentypen (teils virtuell) zu führen und zusammenzubringen, etwa die Softwareentwickler mit der Vertriebsmannschaft oder das Ingenieursteam mit der Marketingabteilung.

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Zwei grundsätzliche Fragen

So ist es verständlich, dass manche Betroffene externe Beratungsunterstützung suchen. Hier hat man die Qual der Wahl. Unzählige Beratungsangebote sind auf dem Markt und es scheinen täglich mehr werden. Jedes davon setzt sich jedoch aus nur vier Grundberatungsformen zusammen:

  • Training,

  • Consulting,

  • Coaching,

  • Infotainment.

Die erste Herausforderung besteht darin, herauszufinden, welche Beratungsform am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt. Die zweite Herausforderung ist, zu erkennen, was der externe Berater denn tatsächlich anbietet.
In jedem "neuen" Angebot steckt immer ein Mix der oben genannten vier Grundelemente. Zudem gibt es Coaches, die Trainings oder Consulting durchführen oder als Speaker im Infotainment arbeiten und natürlich auch Consultants oder Trainer, die wiederum andere Beratungsformen anbieten. Daher im Folgenden ein paar Anmerkungen zu den spezifischen Vor- und Nachteilen, um den eigenen Bedarf besser einschätzen und Angebote genauer beurteilen zu können.

Coaching

Coaches begleiten Individuen, Teams und Organisationen dabei, sich Veränderungen individuell zu erarbeiten, indem beispielsweise mithilfe spezieller Frage- und Feedbacktechniken Kreativität und Selbstreflektion gefördert werden. Das Ergebnis von Coaching sind zielgerichtete Erkenntnisse und die Ableitung von Chancen sowie konkreter nächster Lösungsschritte.
Das Coaching hat den Vorteil, dass es die Menschen befähigt, ihre eigenen individuell passenden Lösungen nachhaltig zu erarbeiten. Beispiele dafür sind, einen konkreten Konflikt zwischen zwei Teams konstruktiv zu lösen oder einer Führungskraft zu mehr Effizienz zu verhelfen.

Ob im Basketball oder im Büro - Coaches setzen auf die Mitwirkung der Beteiligten, um das Beste herauszuholen.
Ob im Basketball oder im Büro - Coaches setzen auf die Mitwirkung der Beteiligten, um das Beste herauszuholen.
Foto: wavebreakmedia - shutterstock.com


Der Nachteil von Coaching ist, dass es einer größeren Mitwirkungsbereitschaft der Beteiligten im Vergleich zum Training und Consulting bedarf. Coaching erfordert nämlich eine Besinnung auf die eigenen Stärken und Schwächen, dem Bewusstwerden seiner Ziele und die Bereitschaft zum Verlassen ausgetretener Pfade.

Consulting

Consultants (oder Berater) analysieren und diagnostizieren das Problem und entwickeln Lösungen dafür. Als Lösungen kommen beispielsweise Prozessverbesserungen, Strategieentwicklung oder IT-Implementierungen in Frage. Der Consultant liefert eine auf seiner Erfahrung und seinem Know-how basierende Lösung.
Das Ergebnis von Consulting ist das fertige Resultat, das das Unternehmen aus den unterschiedlichsten Gründen (etwa mangels eigener Ressourcen) nicht selbst erstellen kann. Consultants nehmen dem Unternehmen das Problem quasi aus der Hand, bringen also eine Arbeitserleichterung. Das ist der Vorteil von Consulting.
Der Nachteil besteht darin, dass manche Probleme so individuell sind, dass die externe Lösung nicht wirklich passt und von den Betroffenen nicht akzeptiert wird oder beträchtlich nachbearbeitet werden muss. Etwa wenn ein Unternehmen seine Kommunikationsfähigkeiten verbessern will und dabei das von den Consultants erarbeitete Kompetenzmodell die individuellen Anforderungen nur teilweise abdeckt.

Training

Trainer transferieren Wissen und Know-how für ein bestimmtes Fachgebiet. Unternehmen können zeitgleich eine größere Anzahl Mitarbeiter zu dem Training schicken, die dieses Fachgebiet zur Lösung ihrer Probleme benötigen und vertiefen möchten.
Trainings können also einer bestimmten Gruppe von Mitarbeitern schnell ein gewisses Handwerkszeug vermitteln und die Kompetenzen in einem Unternehmen verbreitern. Beispielsweise kann mit Sprach- und interkulturellen Trainings eine Internationalisierung besser angegangen werden. Das ist der Vorteil von Training.
Der Nachteil ist allerdings, dass das Training nicht bei der späteren Umsetzung begleitet und natürlich auch, dass es für alle Teilnehmer das gleiche ist, ungeachtet der individuellen Unterschiede. Benötigt jeder Mitarbeiter einen individuell einzigartigen Kompetenzmix, läuft ein Teil des Trainings ins Leere.

Infotainment

Redner sind in der Lage, eine größere Anzahl von Menschen für ein Themengebiet zu begeistern und sie zu motivieren, die Vorschläge in der Praxis umzusetzen. Infotainment kann die Stimmung im Unternehmen verbessern, es kann die Menschen zusammenbringen - einmal während der Veranstaltung und auch danach, wenn sie wieder zurück im Büro weiter darüber reden, Das ist der Vorteil.
Der Nachteil des Infotainments ist, dass keine Begleitung bei der späteren Umsetzung erfolgt und auch die individuellen Verschiedenheiten der Menschen von dem Redner nicht abdeckt werden können. Es besteht die Gefahr, dass die angestrebten Veränderungen nach einer anfänglichen Euphorie im Sande verlaufen.

Was tun?

Berücksichtigen Sie bei Ihrer Entscheidung die individuellen Herausforderungen. Die können immer wieder anders ausfallen. Einmal bedeutet Kommunikation/Digitalisierung, das Ende das tagelangen Brütens über einer Software. Ein anderes Mal bedeutet sie den Abschied von sorgsam vorbereiteten Meetings und den Beginn einer Stafette mehrerer 5-minütigen Stand-up-Treffen, bei denen man sich schon gar nicht mehr hinsetzt, geschweige denn Zeit hat, einen Kaffee einzugießen.

Berücksichtigen Sie ebenso die kollektiven Teamherausforderungen. Während sich ein Team beispielsweise vermehrt mit Reklamationen und Eskalationen von Drittanbietern herumplagen muss, muss ein anderes sich auf nun ständig geänderte Anforderungen der Kunden einstellen.

Und vergessen Sie nicht die N:M-Herausforderungen.

  • Werden Informationen bereitwillig geteilt, oder schotten sich die Teams ab?

  • Gibt es Engpässe, für die niemand die Verantwortung übernimmt, sondern beschuldigt man sich nur gegenseitig?

  • Werden Konflikte konstruktiv gelöst oder redet man am liebsten übereinander anstatt miteinander?

Für diese unendliche Fülle an Problemen muss jede N:M-Struktur ihre Lösungen finden. All das zusammengenommen macht erfolgreiche Kommunikation/Digitalisierung aus.