Leasing, Software und PCs brachten den Stuttgartern die größten Zuwächse

Die deutsche IBM hat die mageren Jahre überstanden

13.04.1990

STUTTGART/HERRENBERG (ciw) - Die vorgelegte Bilanz, die einen Jahresüberschuß von 755 Millionen Mark ausweist und mit 8,3 Milliarden Mark einen höheren Inlandsumsatz als im Rekordjahr 1985 verzeichnet, kommentierte der Vorsitzende der IBM-Geschäftsführung, Hans-Olaf Henkel, so: "Der Kurs stimmt, das heißt aber nicht, daß wir uns schon am Ziel wähnen."

Verantwortlich für den Erfolg sei vor allem die konsequente "Ausrichtung auf die Bedürfnisse und Anforderungen jedes Kunden", betonte Henkel. Zum Beispiel sei die Anzahl der in unmittelbarer Kundennähe tätigen Mitarbeiter in den letzten drei Jahren um 40 Prozent erhöht worden. So waren im Berichtszeitraum allein 12 500 oder 40 Prozent der insgesamt 31 055 Angestellten mit Vertriebsaufgaben betraut. Zum Vergleich: Die deutsche Digital Equipment mit insgesamt etwa 4300 Mitarbeitern beschäftigt rund 1500, also etwa 34 Prozent ihrer Leute im Vertrieb oder vertriebsnahen Bereich.

Darüber hinaus hat Big Blue sein Händler- und "Vertriebspartnernetz" in den letzten Jahren kräftig aufgesteckt. Eine Phalanx von rund 1000 "mittleren und kleineren Unternehmen" sorgte im vergangenen Jahr für die nötige IBM-Präsenz bei der Kundschaft.

Um die ohnehin nicht zu bezweifelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen IBM auch in Zukunft zu sichern, soll diese Präsenz anscheinend noch weiter in Richtung "Allgegenwart" ausgebaut werden. Henkel: "Wir wollen das kundenfreundlichste Unternehmen der Branche werden." Er setzt dabei vor allem auf noch intensivere interne Ausbildung und auf größere Anstrengungen in Sachen Anwendungs-Software.

Außerdem müsse das Unternehmen - wenn man den Erfolg sichern wolle - die technologische Führerschaft behalten, betonte der IBM-Boss. In diesem Zusammenhang verwies er auf das im Februar diesen Jahres vorgestellte und unter dem Unix-Derivat "AIX" arbeitende IBM-RISC-System/6000. Obwohl IBM erst sehr spät auf den Unix-Zug gesprungen ist, betonte Vertriebschef Bernhard Dorn, daß man die bisherige Basis von einigen tausend AIX-Lizenzen in den nächsten drei Jahren verzehnfachen wolle.

Natürlich hat sich Henkel auch weiteres Wachstum verordnet: "Wir wollen auch in diesem Jahr mit der Branche wachsen, wie wir es im vergangenen Jahr bereits getan haben." Die Frage sei aber nicht, ob die Branche wachse, sondern in welchen Bereichen sie zunehme und wer an diesem Wachstum partizipiere. Schwierig fand er es jedoch, verläßliche Aussagen über Trends zu machen.

Er verwies vielmehr auf den Strukturwandel den "eine immer größere Variation des Hardwareangebots auf der einen und besonders schnelles Wachstum der Software- und Serviceleistungen" auf der anderen Seite kennzeichne. Die Stuttgarter selbst machen laut Henkel bereits 43 Prozent ihres Geschäftes mit "allem, was nicht Hardware ist".

Allerdings scheint der deutschen IBM dieser Strukturwandel nicht schlecht zu bekommen. Beim Inlandsumsatz legte sie immerhin um 14,2 Prozent auf 755 (645) Millionen Mark zu. Allein mit dem (Hardware-) Verkauf machte der "blaue Riese" einen Umsatz von 4,698 (4018) Milliarden Mark. "ln diesem Ergebnis", erklärte Finanzchef Horst Haberzettl, "spiegelt sich die von Großsystemen, Datenspeichern und der AS/400 getragene Volumensteigerung von mehr als 20 Prozent wider." Überproportional sei auch das Wachstum bei PS/2-Rechnern gewesen. "Der Umsatz mit PS/2 machte etwa ein Viertel unseres Verkaufsumsatzes aus"" verkündete er.

Der Zuwachs des Leasing-Geschäfts verlief weitaus steiler: Gegenüber dem Vorjahr kletterte der Umsatz hier um sagenhafte 35,5 Prozent auf ein Volumen von 851 (628) Millionen Mark.

Dagegen stiegen die Umsätze im Dienstleistungssektor mit 5,3 Prozent vergleichsweise langsam auf 2,83 (2,69) Milliarden Mark. Mit zweistelligen Wachstumsraten brachte es jedoch das diesem Bereich zugeordnete Softwaregeschäft auf ein Drittel des Umsatzes, wobei vor allem die Anwendungssoftware kräftig zugelegt habe. "Hier beginnen sich die Investitionen in Anwendungslösungen auszuzahlen", freute sich Haberzettl.

Ebenfalls "hervorragend akzeptiert" worden sei das IBM-Angebot der Generalunternehmerschaft für integrierte Gesamtlösungen, das allerdings erst nach der Übergabe des Gesamtpaketes (Amadeus) umsatzwirksam werde.

Über die erfolgreiche Tochter refinanzieren muß sich allerdings die IBM Corp. Weil die amerikanische Mutter, so Henkel, "etwas Schwierigkeiten am Markt habe" räumten die Stuttgarter ihr zusätzlich zu den 1,15 (1,25) Milliarden Mark Dividende ein Darlehen in Höhe von 1,3 Milliarden Mark zu "marktüblichen" Zinsen ein.