Mikroelektronik soll helfen, Material und Energie zu sparen:

Die DDR plant ein Heer von "Robotern"

11.09.1981

Als erste Assoziation stellt sich Maos legendärer "Großer Sprung nach vorn" ein, liest man, wie drastisch die DDR jetzt die Plane über den Einsatz moderner Industrie-Roboter revidiert hat.

War im ursprünglichen Fünfjahresplan (bis 1985) noch ein eher gemächliches Tempo vorgesehen, nämlich die Installation von rund 9000 dieser "blechernen . Handhabungsgeräte", so entwickelte der X. Parteitag der SED ein Konzept, das bis zu viermal mehr Roboter vorsieht: 40 000 bis 45 000 lautet die neue Leitlinie. Sie zeigt deutlich, wie sehr der Stellenwert der modernen Mikroelektronik inzwischen im Denken der DDR-Wirtschaftsplaner zugenommen hat.

Das belegt auch ein einschlägiger Beitrag des ZK-Mitglieds Gerhard Trautenhahn im Funktionärsorgan "Einheit", der hervorhebt, wie wichtig für eine moderne Volkswirtschaft der optimale Einsatz der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Technologien sei, wobei ein möglichst hoher Veredelungsgrad der Produktion anzustreben wäre. Die gegenwärtig

höchste Form der Veredelung sei die Mikroelektronik, die deshalb beschleunigt weiterentwickelt werden müsse und für die gleichzeitig verstärkt nach sinnvollen Anwendungsmöglichkeiten und -weisen zu suchen sei. Es kommt der DDR also darauf an, die mikroelektronische Produktion nun volkswirtschaftlich in voller Breite zu entfalten, kann man Trautenhahns Ausführungen entnehmen.

Bei dem Tempo allerdings, in dem weltweit die Entwicklung, die Produktion und die Anwendung der Mikroelektronik vorangetrieben werden, kann die DDR nur dann mitzuhalten versuchen, wenn beschleunigt hochproduktive technologische Ausrüstungen bereitgestellt werden können; eine Notwendigkeit, der die DDR-Planer einmal durch intensives Zusammenarbeiten mit den sozialistischen Bruderstaaten gerecht werden, der sie zum anderen aber auch aus eigener Kraft begegnen wollen.

Material und Energie gespart

In welch rosigem Licht sich den DDR-Ökonomen die mikroelektronische Zukunft ihres Staatswesens darstellt, belegen am besten die von Trautenhahn zitierten Zahlen. Da dank der Mikroelektronik in diesem Jahrfünft eine grundlegende und durchgängige Erneuerung der technischen Basis ganzer Industriebetriebe und Kombinate erwartet wird, rechnen die Planer damit, allein der Mikroelektronik rund 25 Prozent der gesamten, bis 1985 erreichten Zunahme an Arbeitsproduktivität zu verdanken. Gleichzeitig soll die "Silizium-lntelligenz" Tausende von Arbeitskräften freisetzen und etwa ein Viertel aller Material- und Energieeinsparung bescheren, die überhaupt durch Wissenschaft und Technik zu erzielen seien. Darüber hinaus sollen bis 1985 auch noch 5000 Werkzeugmaschinen mit mikroelektronischen Steuerungselementen ausgestattet werden.

Natürlich sind die Industrie-Roboter auch im östlichen Deutschland eines der meistdiskutierten Themen und mithin auch ein Schwerpunkt der Rationalisierungsplanungen, sollen doch gerade sie die Arbeitsproduktivität kräftig steigern helfen. Deshalb ja auch der schon genannte Planungs-Sprung auf etwa ein viermal so großes Roboter-Heer.

In diesem Zusammenhang will die DDR nun eine zentrale Datenbank für ihre gesamte Volkswirtschaft vorsehen, die in "Karl-Marx-Stadt" (beziehungsweise Chemnitz) am dortigen Forschungsinstitut des Werkzeugmaschinenbaus installiert werden soll. In ihr wollen die Roboter-Fachleute alle technisch-ökonomischen Parameter speichern, die die Entwicklung, die Produktion und die Anwendung der Industrie-Roboter betreffen.

Bemerkenswert die Leitlinien, die sich die Planer der DDR für den Einsatz ihrer neuen Handhabungs-Automaten überlegt haben: Die Aufstellung von Robotern sei komplex, sorgfältig und zielgerichtet vorzubereiten und, vor allem, es helfe wenig, hierbei einfach die neue auf die vorhandene alte Technik "aufpfropfen" zu wollen. Ohne anspruchsvolle, in den einzelnen Kombinaten zu erarbeitende Einsatzkonzeptionen und ohne spezialisierte Einsatzzentren, so sehen es die Ostberliner Planer, komme man nämlich kaum auf einen grünen Zweig.