Die Datenerfassung - immer noch ein Flaschenhals?

28.07.1978

Der Flaschenhais Datenerfassung - lästige, wenngleich unvermeidbare

Nebenerscheinung der Batch-Verarbeitung - ist durchlässiger geworden.

Auch dies beschleunigt den Trend zur dezentralen Datenverarbeitung:

Intelligente Einzel- und Mehrplatz-Erfassungssysteme sind mit Vorverarbeitungs- und Prüfkapazitäten ausgestattet, so daß der Zentralrechner von "Clearing" - Aufgaben entlastet wird - ein Faktor, der sich insbesondere auf der Kostenseite niederschlägt. Auch beim Einsatz von Datensammelsystemen verlagert sich die Datenerfassung zunehmend an den Ort, an dem die Daten stehen. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den Hardware-Preisverfall, gerade bei universellen Datenstationen. Schließlich schaffe der Bildschirm ganz neue organisatorische Voraussetzungen. Zur Datenerfassungs-Problematik befragte CW vier Anwender.

Dr. Arno Kluckow

Geschäftsführer, Rüttgers Organisations- und Datenverarbeitungs GmbH, Frankfurt

Wir haben schon 1966 damit begonnen, die Datenerfassung als Funktion in die Fachabteilung zu integrieren. Dies geschah mit Hilfe von Olympia Springwagen-Maschinen und Fakturierautomaten mit

angeschlossenen Streifenlochern. Lediglich die Stammdaten wurden noch zentral erfaßt.

Ziel dieser Aktion war, die bei jeder Datenerfassung anfallenden Arbeitsspitzen auf viele kleine Einheiten zu verteilen: Die formelle Prüfung durch eine materielle, die nur von der Fachabteilung durch

geführt werden kann, zu ergänzen, Gewöhnung der Fachabteilung an

die Datenerfassung am Arbeitsplatz und Abbau des zentralen Lochsaales.

In dieser Phase waren etwa 80 bis 100 Maschinen eingesetzt. Bedingt durch den geringen Preis der Erfassungsgeräte und der Tatsache, daß die Datenerfassung von den Fachabteilungen ohne zusätzliche Aufstockung von den Mitarbeitern übernommen wurde, war diese Losung kostengünstiger als ein zentraler Lochsaal.

(...)nach Größe und Aufgabenstellung kamen Datensammelsysteme XL 50 von Philips und Einzelplatz-Erfassungsgeräte der Firmen ICL 1500 und Logabax 1030 zum Einsatz. Diese Geräte ermöglichen nicht nur Daten zu erfassen, sondern übernehmen gleichzeitig mit der Datenerfassung die Gewinnung von Zahlenmaterial, das in den

Werken bisher durch Handaufschreibung gewonnen wurde. Dabei

werden zwangsläufig auf den Datensammelsystemen anspruchsvollere Lösungen als auf den Einzel-Erfassungsplätzen realisiert: Mindestbestandsbuchführung, Anzeige von Buchhaltungskonten, Offene-Posten-Buchhaltung, Fakturierungen und Abgleichen von Dateien etc. Aber auch hier können neben Umsatz-Fortschreibung und Buchhaltungssalden Zahlen für die tägliche Arbeit in den Fachabteilungen gewonnen werden.

Es bleibt zu erwähnen, daß diese in den Fachabteilungen installierten Anlagen zum Teil als Terminals benutzt werden, die über die 3780-Prozedur Daten online an das zentrale Rechenzentrum in Frankfurt geben und von dort kleine Aufstellungen abrufen können.

Bei den größeren Sammelsystemen ist geplant, mit Hilfe der 3270-Emulation Dialogverarbeitung mit dem Host-Rechner durchzuführen

Erfahrungsgemäß ist allen diesen Aufgaben jedoch eine Grenze durch die Kapazität dieser Anlagen gesetzt, so daß der Wunsch besonders an die Hersteller von Mehrplatzsystemen ergeht, die Kapazität der Rechner und der Speichermedien zu erhöhen. Damit wäre es auch möglich, die installierten Bildschirme durch eine breitere Angebotspalette besser auszunutzen und sie insbesondere auch für die Textverarbeitung zu nutzen.

Für die letztere Aufgabenstellung ist es dringend erforderlich, daß entsprechende Software zur Verfügung steht.

Interessant erscheinen in diesem Zusammenhang noch die Kosten für das dezentrale System: Sie betragen ohne Kosten der Standleitungen und ohne Personalkosten für die dezentral installierten Datenerfassungsplätze - jedoch einschließlich der Kosten der noch vorhandenen, mit drei Damen besetzten zentralen Datenerfassung - rund 9 Prozent des Gesamt-EDV-Budgets.

Gerd Meyer

Leiter der EDV, Continentale Volkswohl Krankenversicherungs AG, Dortmund

Der Einsatz von Datensammelsystemen hat sich technisch und organisatorisch bewährt. Sie haben ihren Beitrag geleistet

- den Engpaß Datenerfassung durchlässiger zu machen,

- die Groß-EDV durch verschiedene Vorverarbeitungen zu entlasten

- den Standort der Erfassung, je nach Bedarf, zentral oder dezentral flexibler zu machen und - last but not least

- den Arbeitsplatz in der Datenerfassung humaner zu gestalten.

Im Zuge der Weiterentwicklung haben die Datensammelsysteme ihren Funktionsumfang so erweitert, daß bestimmte Erfassungsleistungen direkt vom Sachbearbeiter erbracht werden können. Inzwischen sind auch intelligente Einzel- und Doppelerfassungsplätze wegen der sinkenden Hardware-Preise und wegen der größeren Betriebssicherheit der Datenerfassung insgesamt für kleinere Erfassungsabteilungen interessant. Die "Lochsaal-Alternative" Beleglesung hat sich zwar bei speziellen Anwendungen

bewährt, der ganz große Durchbruch scheint mir jedoch nicht gelungen

Die eigentliche Konkurrenz erwächst den Datensammelsystemen langfristig aus der Direktverarbeitung, bei der der Sachbearbeiter computerunterstützt online mit seinen Daten arbeitet. Diesem Trend versuchen sich die Sammelsystem-Anbieter anzupassen indem sie ihre Systeme zu autonomen Subsystemen mit erweiterten Vorverarbeitungsleistungen aufrüsten.

Ob große Firmen aber jemals ohne Datenerfassung auskommen

werden, ist unwahrscheinlich. Für erfassungsintensive Betriebe, wie zum Beispiel Versicherungen, lohnt es sich weiterhin, über technische und organisatorische Maßnahmen im Bereich Datenerfassung nachzudenken, zumal wenn sich sein Anteil an den EDV-Gesamtkosten seit Jahren unverändert zwischen 15 und 20 Prozent bewegt, wobei sich der Personalkostenanteil im Laufe der letzten fünf Jahre etwa von 50 auf 75 Prozent erhöht hat.

Günter Meisel

Leiter des Rechenzentrums des Krankenkassenverbandes Koblenz

Beim Krankenkassenverband in Koblenz arbeiten 15 Dienststellen die dezentral Datenerfassung betreiben. Derzeit sind 45 Erfassungsgeräte installiert - es handelt sich hierbei um intelligente Datenerfassungssysteme mit Bildschirm. Die Daten werden auf Magnetband-Kassette aufgezeichnet und im Rechenzentrum auf Industrieband konvertiert .

Die Programmierung wird vom Rechenzentrum selbst vorgenommen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß eine maschinennahe Assembler-Programmierung den höchsten Grad der Ausnutzung der Geräte mit sich bringt. Alle Prüfungen, die logisch bei der Erfassung möglich sind, werden vom Gerät durchgeführt. Der Datendurchsatz bei der Erfassung wird durch diese Prüfung nicht beeinträchtigt. Die Systeme arbeiten nun fast seit sechs Jahren und sind durch Mietverträge in den Kosten stark gesunken. Allerdings zeigen sich erste Verschleißerscheinungen vor allem an den Tape-Decks, die dadurch Schreibfehler auf den Magnetband-Kassetten verursachen.

Insgesamt gesehen, sind die Erfahrungen mit intelligenten Datenerfassungsgeräten jedoch gut. Der Umfang der Daten, der täglich in unserem Bereich erfaßt wird, liegt weit über 15.000 Datensätzen. Geplant sind Änderungen im Bereich der Datenerfassung nicht. Es sei denn, es werden Systeme eingesetzt, die eine Datenvorverarbeitung am Ort des Entstehens ermöglichen und alle so gewonnenen Informationen über Datenfernübertragung an unser Rechenzentrum weitergeben. Alle anderen Möglichkeiten der Datenerfassung würden für uns einen Rückschritt bedeuten.

Die Kosten der Hardware für die Datenerfassung betragen - gemessen an den Gesamtkosten des Rechenzentrums - noch nicht einmal fünf Prozent.

Rainer Möschl

Leiter EDV-Betrieb, Dynamit Nobel AG, Troisdorf

Soweit im Rahmen der DV-Anwendungen Daten auf Belegen angeliefert werden, erfassen wir diese nach wie vor über ein Datensammelsystem. Eingesetzt ist seit 1972 das System Keyplex H 5500 von Honeywell Bull.

Der Vorteil dieses Verfahrens liegt im wesentlichen darin daß die umfangreichen und auf vielfältigen Belegarten vorgegebenen Daten durch weitgehende Formatierungsmöglichkeiten programmgestützt erfaßt werden: Bedienerführung ist gegeben, Konstante (wie Datenfeldkennzeichen) werden per Programm hinzugesteuert, automatische Datenprüfung ermöglicht häufig den Verzicht auf Prüfung durch Wiedereingabe, es werden Abstimm-Summen gebildet.

Risiken bestehen in Hard- oder Software-Fehlern. Hier liegen jedoch sehr gute Erfahrungen vor die Verfügbarkeit wie Ausfälle einzelner Tastaturen, die den Betrieb nur unwesentlich beeinträchtigen, ausgenommen, lag in den letzten Jahren jeweils über 99 Prozent.

Auch die Erfassungskosten sind unseres Erachtens erträglich: 1977 betrug ihr Anteil an den gesamten DV-Kosten 10 Prozent. In Zukunft wird es sich günstig auswirken, daß mittlerweile Abschreibungen entfallen.

Wie wir wissen, ist die Datenerfassung jedoch nur ein Bestandteil von DV-Anwendungen. Erfassungsverfahren ändern sich entsprechend dem verfahrenstechnischen Fortschritt bei der Konzipierung neuer Anwendungen.

Neue DV-Anwendungen für Produktion und Verwaltung sind überwiegend online-orientiert. Aber auch bei neuen Anwendungen im Stapelverfahren geht man mehr und mehr von der Zielstellung aus, die Daten am Ort des Entstehens zu erfassen und aufzubereiten. Die damit erreichbaren Vorteile gegenüber allen anderen Verfahren sind wohl unbestritten. Im Hinblick auf die Datenerfassung wäre zu nennen: Die Verantwortung für die Richtigkeit der Informationen liegt am Ort der Entstehung, Zeitaufwand und Fehler beim Eintragen auf Belege entfallen, und es sind zusätzlich Existenzprüfungen bei Updates und Bewegungsdaten möglich .

Wir konnten deshalb feststellen, daß das Erfassungsvolumen im Rechenzentrum nicht mehr - wie in den vergangenen Jahren - zunimmt. Im gegenwärtigen und zukünftigen Trend ist eindeutig eine Abnahme des Volumens erkennbar.