Wachstumsbremsen für Bürocomputer

Die Crux liegt in der Branchen-Software

11.11.1977

FRANKFURT (ew) - An den Choral-Vers "Nun vorwärts froh den Blick gewandt" erinnert der Optimismus, mit dem die Diebold Deutschland GmbH, Frankfurt, im neuesten Diebold Management Report (9/77) die Wachstumschancen der Bürocomputer im deutschen Markt beurteilt. 1985 sollen rund 240 000 Systeme installiert sein, die Jahresumsätze der Branche - so eine Diebold-Mutmaß-Graphik - erreichen rund 4 Milliarden Mark.

Der Jubel ist das Ergebnis einer Hochrechnung. Von derzeit rund 66 000 Bürocomputern in den wichtigsten Wirtschaftszweigen (Tabelle I) ausgehend, konstatieren die Diebold-Marktforscher im Rückblick erstaunliche Zuwachsraten ebenso, wie eine noch recht unbefriedigende Marktabdeckung. Zuwachsraten plus "offene Stellen" für die elektronischen Büroknechte ergeben halt enorme Zahlen. In der Tat haben von 144 497 Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten bislang im Schnitt lediglich 21 einen eigenen - oder mehrere - Bürocomputer. Allerdings: im Baugewerbe sind es noch keine 5 Prozent, in der Fertigungswirtschaft rund 25 Prozent, bei Versorgungsunternehmen immerhin mehr als die Hälfte. Also jede Menge offener Markt.

Längstens seit einer Marktstudie, die von Prof. Strothmann, Hamburg, im letzten Jahr vorgelegt wurde, weiß man auch, daß von den rund 1,95 Millionen deutschen Unternehmen (von denen nur rund 1600 mehr als 1000 Beschäftigte haben, andererseits rund 36 000 zwischen 50 und 1000 Beschäftigten) allenfalls 10 Prozent überhaupt einen eigenen Computer benutzen. Noch mehr Markt? Davor ist die Software, ihre davongaloppierenden Kosten, die wachsende Komplexität der Lösungen, denn das müssen Branchenlösungen sein.

Es ist bekannt und eine Binsenweisheit, daß wachsende Umsätze und Marktanteile der Bürocomputer-Hersteller nur über Branchenpakete zu erzielen sind. Aber: Eine komplexe Lösung für eine Branche lohnt den Aufwand nur, wenn eine Mindestzahl von "Paketen" aus Branchensoftware plus Hardware abgesetzt werden können.

Kein Haus wie Nixdorf, Kienzle oder Philips geht direkt an Teilmärkte heran, in denen vielleicht nur 30 oder 40 Maschinen abzusetzen sind. 100 sollten's schon sein, 400 sind besser.

Immer stärker verlagert sich die Aufgabe, Softwarepakete für kleine Anwendergruppen = Teilbranchen zu stricken, auf freie Software- und Systemhäuser, die auf Grund anderer Kalkulation auch kleinere Teilmärkte noch hinreichend rentabel (oder auch nicht) bedienen können. Tabelle 4 (Quelle: Kienzle) macht deutlich, wie Softwarekosten in Relation zum Hardwarepreis steigen. Um 1985 dürften sie im Schnitt 60 bis 80 Prozent des Gesamtpaketes ausmachen.