Wie geht es weiter mit dem Kundenbeziehungs-Management?

Die CRM-Weisen haben gesprochen

01.11.2002
MÜNCHEN (as) - Aus dem CRM-Markt ist die heiße Luft gewichen. Die ersten Projekte waren zu komplex, die Ergebnisse zu dürftig. In seinem Jahresgutachten rät der so genannte CRM-Expertenrat daher künftig zur Einfachheit: Die Kundenbindung müsse wieder pragmatischen Regeln folgen, aber alle Vertriebskanäle berücksichtigen.

Der kühne Wurf ist misslungen. Statt des unternehmensweiten CRM-Konzepts sind überschaubare Teilprojekte im Vertrieb oder auf Abteilungen beschränkte CRM-Prozesse heute die Regel. "Die große Vision war nicht umsetzbar", resümiert Roland Gieske, Zukunftsforscher und Gründer der Iceberg Consulting. Er und vier weitere Berater und Professoren fassen einmal im Jahr als "CRM-Expertenrat" im Auftrag des Max Schimmel Verlags die für sie wichtigsten Trends und Szenarien bei CRM zusammen (siehe Kasten "Zwölf Thesen"). In ihrem aktuellen Gutachten, das der COMPUTERWOCHE vorab vorliegt, fordern sie Unternehmen auf, ihre Strategie zur Kundenbindung einfach zu halten. Neben leicht zu bedienenden Produkten, die auch älteren Kunden keine Mühe bereiten, sollten ein zuverlässiger Service, beste Preise für hochwertige und umweltgerechte Premium-Produkte (aber nicht unbedingt Premium-Marken), eine ehrliche Kommunikation in Krisenfällen sowie eine klare Wertorientierung dazugehören.

Neu wird sein, für jeden Vertriebskanal eine adäquate Strategie zur Kundenbindung zu definieren. Dabei muss weiterhin von der Markenwahrnehmung über die Erreichbarkeit des Service-Centers bis zum Verkäufer an alle CRM-Aspekte gedacht werden. Die heute noch die Diskussion dominierenden Softwareprodukte werden dabei zunehmend Mittel zum Zweck. "CRM ist ein Programm, aber keine Software", betont Unternehmensberater Wolfgang Martin. Bisher lag die Projektinitiative meist bei der IT, die ohne umfassende Strategie die Produkte einführte, alte Prozesse "zementierte" und die Anwendungen und Anwender durch zu viele Features strapazierte. "Der Fokus lag auf Automation und Kontrolle und damit im Endeffekt auf Kostenreduktion. Das Managen von Beziehungen wurde nicht adressiert."

Laut Martin muss CRM umfassend betrieben werden und erfordert ein diszipliniertes und handwerkliches Vorgehen, das mit der Entwicklung einer Strategie und der kundenbezogenen Prozessmodellierung beginnt. Ferner müssen Kunden systematisch kategorisiert und bewertet werden, es gilt Vertriebskanäle zu integrieren und Mitarbeiter für CRM zu motivieren. Auch entstehen neue funktionale Rollen im CRM: So müsste es beispielsweise die Position eines "Chief Customer Officers" geben, der die Interessen der Kunden im Unternehmen vertritt und so die CRM-Strategie überwacht. Das gesamte CRM-Programm sollte durch ein "Program Management Office" koordiniert und verwaltet werden. Anwender müssen laut Martin außerdem mehr als die bisherigen fünf Prozent ihres CRM-Budgets in ein Change-Management investieren, um Kundeninformationen abteilungsübergreifend zusammentragen zu können. Schließlich darf auch die Analyse von Kundendaten nicht länger fehlen. Nur auf der Grundlage ihrer Resultate lässt sich die Interaktion mit dem Kunden individuell zuschneiden.

Manfred Krafft, Professor am Otto-Beisheim-Stiftungslehrstuhl für Marketing an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Koblenz, fügt hinzu, dass laut Untersuchungen die Misserfolgsquote von CRM-Projekten derzeit bei 70 Prozent liegt und CRM-Technik eindeutig einen Kosten- und Frustrationstreiber darstellt. Kein Unternehmen sollte sich daher blindlings in das Abenteuer CRM stürzen. Vielmehr gelte es vorab sogar grundsätzlich zu prüfen, ob die Adressaten überhaupt "Beziehungskunden" sind (und nicht Kunden von Vertriebskanälen oder Discountern) und ob langjährige, treue Kunden es wirklich wünschen, in ein CRM-Konzept eingebunden zu werden.

Zudem wird die CRM-Orientierung laut Krafft auch künftig kein Allheilmittel sein. "In zehn oder 20 Jahren noch viele, sehr erfolgreiche Unternehmen existieren, die keine CRM-Strategie verfolgen." So gebe es heute kleine Unternehmen, die nicht zuletzt wegen ihrer intensiveren Kundenbetreuung Erfolg hätten, während manche große Firmen durch ein Zuviel an CRM-Technik scheiterten. Grundsätzlich erwartet aber auch Krafft, dass sich mit einer CRM-Strategie langfristig Neukunden gewinnen und bestehende Kunden halten lassen. Dabei stimmt er seinem Expertenkollegen Martin zu, dass die Kunden professionell analysiert und bewertet werden müssen. Ein Viertel der Unternehmen mit CRM-Lösungen tut dies bisher nicht.

Ein Trend der nächsten Zeit wird es sein, dass sich mittelständische Unternehmen mehr als bisher mit CRM auseinander setzen, prognostiziert Peter Winkelmann, Leiter des Studienschwerpunkts Marketing und Vertrieb im Fachbereich Betriebswirtschaft der Fachhochschule Landshut. Für ihn ist der Weg in die mit CRM verbundene Prozess- und Kanalintegration vorgezeichnet, "da gerade kleine und mittlere Unternehmen dem Kostendruck, der Internet-Revolution und auch den steigenden Qualitätsanforderungen von Großkunden und Großlieferanten nicht ausweichen können".

CRM biete dem Mittelstand zugleich eine gute Chance, sich für den scharfen Wettbewerb vertrieblich auszurüsten, meint Winkelmann. Die Firmen könnten mit Hilfe der CRM-Werkzeuge ihre tägliche Arbeit schneller, gezielter und kostengünstiger als bisher erledigen. Und CRM fördere die Entwicklung hin zu einem denkenden, rechnenden, kurz: intelligenten Kunden-Management.

Allerdings sind die heute erhältlichen CRM-Produkte für den Unternehmensberater und Marktkenner Wolfgang Schwetz noch verbesserungsfähig, zumal ihre geringe Akzeptanz bei den Anwendern zu den häufigsten Ursachen für ein Scheitern von Projekten zählt. Viele Produkte seien beispielsweise nicht ausreichend branchenorientiert oder deckten Funktionen für Marketing, Vertrieb und Service nicht in gleichem Maß ab. "Softwareanbieter müssen CRM erst einmal selbst lernen. Sie müssen deutlich näher an ihre Kunden rücken und deren Bedürfnisse ermitteln", fordert Schwetz. Es sei umso wichtiger für die Anbieter, auf dem Laufenden zu bleiben, als Unternehmen angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage vorerst nur kleine Projekte mit begrenztem Budget starteten. Diese sollen keine umfassende CRM-Strategie umsetzen, sondern durch Automatisierung von Geschäftsprozessen die Kosten schnell und messbar senken. "Es geht - kurzfristig jedenfalls - um die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit.

Zwölf ThesenCRM und Kunden-Management müssen Kernkompetenzen sein: Die Pflege von Kundenbeziehungen muss menschliches Verhalten sowie technische und organisatorische Wege zum Kunden berücksichtigen.

Nicht jedes Unternehmen braucht CRM: Das CRM-Modell lohnt sich nur für markenstarke, langfristig agierende Unternehmen mit anonymer, stabiler Kundenbasis.

CRM muss die Kundenautonomie unterstützen: Wer Produkte verkauft, sollte diese auf seine Kunden zuschneiden und dafür sorgen, dass die Käufer sie auf ihre Bedürfnisse anpassen können.

Kundenpotenziale ausschöpfen: Den Wert eines Kunden bestimmt die Kundensegmentierung, das Serviceangebot, der Personalisierungsgrad und Investitionen.

CRM ist ein Programm, aber keine Software: Kundenzentrierte Firmen brauchen ein diszipliniertes, handwerkliches Vorgehen und neue funktionale Rollen wie den "Chief Customer Officer".

CRM strategisch planen: Unternehmen sollen vorab klare Ziele definieren, nur (potenzielle) Beziehungskunden berücksichtigen, systematische CRM-Konzepte entwickeln sowie abgestufte Aktivitäten und Leistungen je nach Wert eines Kunden anbieten.

Widerstände im Unternehmen gegen CRM frühzeitig erkennen: Mitarbeitern muss erklärt werden, dass CRM ökonomisch notwendig ist.

CRM vereint Kanäle und Aktivitäten: Alle Kontaktpunkte zum Kunden müssen perfekt funktionieren und aufeinander abgestimmt sein, da der Kunde Fehler nicht mehr toleriert.

Der Mittelstand braucht CRM: Hohe Qualitätsanforderungen von Lieferanten und Großkunden, der Kostendruck sowie die technische Entwicklung (Internet) zwingen den Mittelstand, seine Prozesse und Vertriebskanäle zu integrieren.

Der Mittelstand braucht intelligente Prozesse: Neue Strömungen der Marktsteuerung (vor allem Internet) müssen beachtet werden, sonst droht das wirtschaftliche Ende oder der Zwang, sich standardisierten Softwareprozessen unterzuordnen.

CRM-Anbieter müssen Kundenorientierung lernen: Hersteller müssen sich intensiver ihrer Zielgruppe auseinander setzen sowie mehr Partner für den Produktvertrieb und bei der Implementierung finden.

CRM braucht den Branchenfokus: Nur CRM-Software mit einer klaren Branchenorientierung bringt Kunden den erhofften Wettbewerbsvorteil.

Das Gutachten wird auf der CRM Expo am 14. November 2002 in Köln vorgestellt. Bezugsquelle: Max Schimmel Verlag, Im Kreuz 9, 97076 Würzburg.