Die CRM-Branche wittert Morgenluft

19.11.2004
CRM-Lösungen bieten jede Menge Potenzial - allerdings nur für jene Anwender, die sich intensiv mit den Möglichkeiten und Grenzen der Software beschäftigen.

Es wird wieder mehr in Software und Dienstleistungen zur Verwaltung von Kundenbeziehungen (Customer-Relationsship-Management) investiert. Umfragen der Meta Group zeigen, dass sich der weltweite CRM-Markt seit 2003 im Aufwärtstrend befindet. In Deutschland, so eine aktuelle Prognose, sei für 2004 ein moderates Wachstum von etwa 5,5 Prozent auf einen Gesamtumsatz von 1,1 Milliarden Euro zu erwarten. Anbieter von CRM-Software, die in den vergangenen Jahren einen zunehmenden Anteil ihrer Einnahmen mit Services erwirtschaftet haben, können laut den Analysten in den kommenden zwei bis drei Jahren wieder mit verstärkten Lizenzverkäufen rechnen.

Nach gescheiterten Projekten und vor allem taktisch geprägten Implementierungen der vergangenen Jahre gehen Meta zufolge zumindest Großunternehmen CRM wieder strategisch an. Dem entgegen steht die von Herstellern und Beratern auf der Kongressmesse CRM Expo in Köln immer wieder beklagte Beobachtung, dass sich für viele Anwender das CRM-Konzept im Aufbau einer zentralen Kundendatenbank für ihren Vertrieb erschöpft. Obwohl Berater wie Christian Huldi von der Schweizer RBC Gruppe eine emotionalere und persönlichere Kundenbeziehung sowie eine genauere Analyse des "Kundenwerts" fordern, scheinen immer noch typische technische Herausforderungen wie die Datenqualität und die Integration der Lösung in Backend-Systeme die Mehrheit der CRM-Projekte zu bestimmen. Ansätze, die eine ganzheitliche Strategie, Prozesse, Firmenkultur, Tools, eine sorgfältige Einführung und Trends berücksichtigten, bleiben die Ausnahme.

Ohne ein klares Konzept und detaillierte Anforderungen werden es Anwender indes schwer haben, aus der Angebotsvielfalt die passende Software zu wählen. So können mittlerweile die meisten Hersteller mit ausgereiften Funktionen vor allem für Vertriebssteuerung und Service aufwarten. Ebenso zeigen sich immer mehr Anbieter bei der Lizenzierung flexibel: vom Kauf über Miete und Hosting bis hin zu Ansätzen wie "CRM On Demand", die den Gedanken des Application-Service-Providing (ASP) weiterführen (siehe Seite 46), sind mittlerweile diverse Abrechungsweisen möglich. Auch beackern alle Hersteller das Integrationsthema. Dabei behaupten sie, dass sich ihre Produkte dank umfangreicher Funktionen, Wizards, Workflows, modularem Design und Web-Oberflächen schnell installieren und in Betrieb nehmen lassen. Moderne Java- oder .NET-basierende Architekturen sind indes noch nicht die Regel. Eine wichtige Nachricht kam diesbezüglich von Microsoft. Dank eines kostenlosen "Feature Pack" für "Microsoft CRM 1.2" wurde die Integration der Software mit der Bürosuite Office verbessert, was dem Hersteller vor allem bei mittelständischen Kunden Wettbewerbsvorteile einbringen dürfte.

Ein Trend ist ferner die zunehmende Branchenorientierung der Software. Zwar werben viele Hersteller damit, dass sich ihre Standardprodukte an die Bedürfnisse beliebiger Industrien anpassen lassen. Doch immer mehr Anbieter wie Siebel und SAP erweitern ihre Software bereits von Haus aus um vordefinierte Prozesse und Masken. Ziel ist es, die Implementierungszeiten der CRM-Lösung zu reduzieren und Kunden bedarfsgerechter zu bedienen. Beispiele gaben in Köln auch der belgische Hersteller Selligent, der eine Lösung für die Fertigungsindustrie vorstellte, sowie Update Software aus Wien, deren Produkt "Marketing Manager 6" nun als Pharma/OTC-Version erhältlich ist und sowohl Besuchs- und Vertriebssteuerung als auch Reporting und Ergebniskontrolle im Pharmavertrieb unterstützt.

Hinzu kommen reine Branchenspezialisten wie Cursor Software aus Gießen, die Lösungen für die Energiewirtschaft entwickelt, sowie die CAS GmbH aus Kaiserslautern. Letztere hat ihre Klientel vor allem in der Konsumgüterindustrie. Von ihr war auf der Messe die neue Mittelstandslösung "CPWerx - ready to go" zu sehen, die Funktionen zu Sales Force Automation, Reporting, zur Unterstützung von Vertriebsinnendienst und -außendienst sowie Key-Account-Management umfasst. Alle Funktionen stehen online und offline zur Verfügung und können um die mobile Lösung "CPWerx, Handheld Edition" für den Außendienst und Kundenservice erweitert werden.

Uneinheitlicher entwickelt sich das Angebot mobiler Lösungen, denen seit Jahren der große Durchbruch prognostiziert wird. So sind Zusatzkomponenten für den Zugriff auf Kundendaten per Laptop oder PDA mittlerweile üblich, ebenso wie die Integration in den Outlook-Client. Auf der Messe präsentierte beispielsweise Saratoga Systems aus München eine überarbeitete Version von "Iavenue Wireless" für die drathlose Anbindung diverser Geräte an die CRM-Suite und operative Systeme. Die Online-Nutzung beschränkt sich indes bis heute meist darauf, Daten zu synchronisieren und zu replizieren. Auch kommen meist unsichere HTML-Client zum Einsatz. Mehr Optionen verspricht hier die Firma Adito aus Geisenhausen. Deren Java-basierende CRM-Software bietet in der mobilen Version "Adito Online" umfassende Sicherheits-Features wie 128-Bit-SSL-Verschlüsselung, Zertifikate, eine Firewall mit frei wählbaren Ports sowie Support für Virtual Private Networks. Zudem kommt laut Geschäftsführer Peter Kobler als mobiles Frontend kein HTML-, sondern ein Java-Client zum Einsatz, der die Technik "Java Web Start" für den Aufruf von Anwendungen benutzt und mehr Funktionalität auf dem Client bringt. Auch ist die Datenübermittlung über UMTS- und GPRS-Netze möglich. Allerdings glaubt Kobler, dass sich neue technische Ansätze im mobilen CRM nur langsam durchsetzen werden und noch in zehn Jahren die Mehrheit der Außendienstler ihre Daten lediglich repliziert.

Ein neuer Aspekt zeichnet sich schließlich mit CRM-Produkten aus der Open-Source-Szene ab. Schon heute könnten Unternehmen aus einer großen Bandbreite wählen, die von einfachen Werkzeugen für den Vertrieb (Adressverwaltung) bis hin zu umfassenden Lösungen reicht, schilderte Detlef Herklotz, Berater bei Data Mining Consult in Hamburg. "Allein auf der Website Sourceforge.net finden sich über 50 CRM-Projekte." Die Software decke im Schnitt 80 bis 90 Prozent typischer CRM-Funktionen ab, ergänzte Hansjörg Schmidt, Mitbegründer der Wice GmbH aus Hamburg. Seiner Erfahrung nach sind Open-Source-Produkte für CRM ebenso leistungsfähig wie kommerzielle Angebote, sagte Wolfgang Maison, Geschäftsführer des Münchner Beratungshauses Maison und Partner.

Einen Eindruck von der Verbreitung und Mächtigkeit liefert die kaufmännische Komplettlösung "Compiere". Diese unterstützt betriebswirtschaftliche Geschäftsprozesse in kleinen und mittelständischen Unternehmen von der Warenwirtschaft über das Rechnungswesen bis zum Projekt-, Kunden- und Supply-Chain-Management. "Compiere rangiert regelmäßig unter den zehn beliebtesten Open-Source-Produkten, wurde schon mehr als 200000-mal heruntergeladen und wird weltweit von rund 70 Dienstleistern unterstützt", schildert Yves Sandfort, Geschäftsführer der Multimedia-Agentur Comdivision aus Münster. Ein anderes Beispiel gibt die Software Wice des gleichnamigen Anbieters aus Hamburg. Die Web-basierende CRM-Lösung verfügt über Funktionen für die Vertriebssteuerung, Termin- und Projektverwaltung sowie das Wissens-Management. Referenzkunden hierzulande sind Speditionen, die RS - Berliner Recycling Service GmbH oder Warner Music Deutschland.

Trotzdem kann hierzulande bislang nicht von einem Durchbruch von quelloffener CRM-Software die Rede sein. "Der Mittelstand war in den letzten zwei Jahren sehr zurückhaltend, wenn es um Open Source ging", räumt Georg Blum, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Communida aus Ebersbach, ein. Auch bereite die Einführung einer quelloffenen Lösung am Anfang eines Projekts mehr Aufwand als herkömmliche Software. Umso wichtiger sei es deshalb, vorab die Anforderungen klar zu definieren und erst dann ein Produkt zu wählen, "das zum Anwender passt". Laut den Experten hätten sich Kunden nicht für Open-Source-Alternativen entschieden, weil sie Lizenzgebühren sparen wollten, zumal sich laut Frank Naujoks, Analyst der Hewson Group, die vermiedenen Lizenzkosten beim Einsatz quelloffener Produkte für Beratung, Schulung und Support wieder draufgingen. Deren Vorzug liege vielmehr darin, dass sie aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte im Web sicherer seien und über eine offene Architektur verfügten.

Für manche Anwender gebe es zudem strategische Gründe für Open-Source-Software. So könnten sie individuelle CRM-Lösungen erstellen, ohne sich von einem einzelnen Hersteller abhängig zu machen, wirbt Comdivison-Manager Sandfort. Allerdings räumte Sandfort ein, dass es auch Kunden gebe, die sich überhaupt nicht dafür interessierten, ob die CRM-Software Open Source ist, sondern vom Dienstleister einfach die passende Lösung für ihre Bedürfnisse verlangten.