O'Reilly veranstaltet fünfte Open Source Convention

Die Community diskutiert Marschrouten

25.07.2003
MÜNCHEN (CW) - Die vom Verlag O''Reilly veranstaltete diesjährige Open Source Convention bot nicht nur den Community-Projekten Gelegenheit zur Darstellung ihrer Arbeiten. Selbstbewusst erkennt die Szene ihren Stellenwert in der IT-Entwicklung.

Seit fünf Jahren lädt der Verleger Tim O''Reilly wichtige Personen der Open-Source-Szene zu einem Treffen ein, damit sie sich über ihre Projekte austauschen können. Vom einst viel diskutierten Antagonismus zur proprietären Softwarewelt war auf der fünften Open Source Convention (Oscon) vom 7. bis 11. Juli in Portland, Oregon, kaum noch etwas zu spüren. Die Community pflegt die Koexistenz mit dem proprietären Lager. So bereitete es den Teilnehmern keine Bauchschmerzen, dass Microsoft täglich die Lunch-Pakete sponserte. Und Microsoft-Manager Jason Matusow durfte ohne Proteste das von ihm geleitete Shared-Source-Programm vorstellen. Schließlich lautete das diesjährige Motto der Open Source Convention "Embracing and Extending Proprietary Software".

Verlagschef O''Reilly legte in seiner Rede zur Oscon-Eröffnung dar, was er als "Paradigmenwechsel" betrachtet. Der Erfolg von Linux gründe nicht auf "Killerapplikationen", wie es in der Geschichte der DOS-PCs mit Programmen wie Lotus 1-2-3 der Fall war. Vielmehr bilde Open-Source-Software die Basis des Internets, dessen erfolgreichste Anwendungen Google, Amazon oder Paypal Produkte wie Linux, Apache, PHP, Perl etc. gemeinsam haben, so O''Reilly: "Diese Anwendungen basieren auf Open-Source-Plattformen. Aber sie sind meistens strikt proprietär, und der Sourcecode wird nicht veröffentlicht."

Damit verschiebe sich der Effekt der Open-Source-Entwicklung. "Wir bauen ein Internet-Betriebssystem", erklärte O''Reilly die Dimension. "Wir müssen über Open Source im Kontext von Web-Services und Netzwerk-Computing nachdenken. Es gilt, die langfristigen Trends zu beobachten und zu implementieren."

Die Konferenz beschäftigte sich gleichwohl mit näher liegenden Themen. Wer nun allerdings darunter die Linux gefährdende Klage von SCO gegen IBM erwartet hatte, sah sich getäuscht. Eine Podiumsdiskussion über den Fall war recht schwach besucht und verhalf nur zu der Erkenntnis, dass die Community sich ihrer Sache und des Fortbestands von Linux sehr sicher ist. Auf größeres Interesse stießen Dutzende Vorträge und technische "Tutorials", in denen Open-Source-Projekte ihre jüngsten Entwicklungen und Pläne vorstellten.

Ted Ts''o, der auf der Gehaltsliste von IBM stehende "Lieutenant" von Linus Torvalds, stellte die Neuerungen des Linux-Kernels 2.6 vor (siehe CW 29/03, Seite16). Im Kern führen sie zu einer Beschleunigung des Datendurchsatzes, einer höheren Skalierbarkeit des Systems und einer besseren Eignung von Linux für größere Rechner. Der wieder einmal verspätete neue Kernel soll laut Ts''o "in den nächsten Monaten" freigegeben werden. Verzögerungen und vage Zeitvorgaben haben auch zu Kritik an dem Perl-Projekt geführt. Larry Wall, Erfinder der Programmiersprache, verteidigte die Arbeitsweise bei Perl 6. Dessen grundlegendes Design sei "fast fertig" und vor der Wahl zwischen schnell, gut und billig ziehe er eine gute Entwicklung vor.

Ähnlich sieht es bei Python aus. Dessen Version 2.3 soll nach Angaben ihres Erfinders Guido van Rossum zwar schneller als geplant erscheinen, nämlich schon Anfang des kommenden Monats. Dafür habe man aber eine konservative Herangehensweise gewählt, statt diverse gewünschte radikale Änderungen in der Syntax der Scriptsprache vorzunehmen. Eingehende Neuerungen werde es mit der Version 3.0 geben, mit der Python einigen "Ballast bisheriger Erweiterungen" abwerfen soll. Aber so schnell werde daraus nichts, so van Rossum, weil er sich nicht hauptberuflich um Python kümmern könne.

Sehr schnell vollzieht sich hingegen die Entwicklung der Open-Source-Datenbank MySQL. Ihr Erfinder, Monty Widenius, stellt die jüngsten und künftigen Erweiterungen unter den Begriff Transaktionen. Er kündigte die Version 5.0 für Ende dieses Jahres an. Das schwedische Unternehmen sieht sich immer besser in der Lage, den großen relationalen Datenbanksystemen Konkurrenz zu machen. Ein kürzlich geschlossener Kooperationsvertrag mit SAP gilt quasi als Ritterschlag.

Noch etwa ein Jahr soll es dauern, bis "Mono" fertig gestellt ist. Das erklärte in Portland Miguel de Icaza, der Entwicklungschef von Ximian und Leiter des GUI-Projekts "Gnome". Mono soll eine Open-Source-Plattform für .NET-Anwendungen werden. Die Microsoft-Konkurrenz im Office-Segment hat sich verbreitert. Das neue Projekt OpenGroupware.org (OGo) will sich um eine Alternative zu MS Exchange kümmern. Grundlage der Arbeit ist ein Geschenk von Skyrix Software, Anbieter einer Linux-basierenden Groupware, die Sourcecode aus dem "Skyrix 4.1 Groupware Server" quelloffen zur Verfügung gestellt hat.

Das Thema Linux-Desktops, in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund geraten, spielte auf der Oscon wieder eine prominente Rolle. Das lag vor allem daran, dass Mitch Kapor, Gründer von Lotus, führende Persönlichkeit in der Electronic Frontier Foundation und Vorsitzender der Open Source Applications Foundation (Osaf), eine Keynote-Rede hielt. Er stellt eine zunehmende Abneigung der Anwender gegen erzwungene Upgrades und die Preispolitik von Microsoft fest. Das habe das Klima zugunsten von Alternativen verändert.

Linux-Desktops wiederentdeckt

Angeboten aus der Open-Source-Welt wie "Openoffice" fehle es aber noch an Feinschliff und an Kompatibilität zu Microsofts Office. Gleichwohl, so sagt Kapor voraus, dürften in der gegenwärtigen Phase vor allem Desktops auf Linux umgestellt werden, auf denen eine eng umrissene Zahl von Anwendungen für spezifische transaktionsorientierte Aufgaben laufen. Allerdings sei mit einer starken Linux-Verbreitung auf Desktops nicht vor 2007 zu rechnen. Microsoft werde mit radikalen Preissenkungen reagieren, um die Welle aufzuhalten. Kapor ist gleichwohl optimistisch. "Es würde mich nicht überraschen, wenn in naher Zukunft weltweit zehn Prozent der Desktops mit Linux laufen." (ls)