Cloud Computing ist salonfähig geworden. Das gilt mittlerweile auch für die großen Anbieter von BusinessSoftware, die noch vor wenigen Jahren Software as a Service und die Cloud als Modeerscheinung geschmäht hatten. Heute avanciert die Cloud für Softwarekonzerne wie SAP und Oracle zum großen Hoffnungsträger für die Zukunft.
Die Anbieter - hoffnungsvoll
SAP will seinen Cloud-Umsatz in diesem Jahr mehr als verdoppeln - von 342 Millionen Euro 2012 auf rund 750 Millionen Euro. Bis 2015 sollen es sogar zwei Milliarden Euro sein. Das wären zehn Prozent vom Gesamtumsatz. Dann wollen die Walldorfer auch so weit sein, ihr Business in der IT-Wolke profitabel betreiben zu können.
Der größte deutsche Softwareanbieter hatte seinen Cloud-Vorstoß zuletzt vor allem durch Übernahmen forciert. Nachdem der Start mit dem selbst entwickelten Cloud-ERP-Paket "Business ByDesign" eher holprig verlief und sich auch immer wieder verzögert hatte, drohte SAP den Anschluss zu verpassen. Für die Akquisitionen von SuccessFactors, einem Anbieter von Talent-Management-Lösungen aus der Cloud, und Ariba, das eine IT-Einkaufsplattform im Netz bietet, investierten die Softwerker aus dem Badischen insgesamt 7,7 Milliarden Dollar. Damit sehen sich die SAP-Verantwortlichen nun in der richtigen Cloud-Spur. "Die Cloud hat für uns erst richtig mit dem Zukauf von SuccessFactors begonnen", sagte Co-CEO Jim Hagemann Snabe.
Konkurrent Oracle hat das Ruder ebenfalls auf Cloud-Kurs umgelegt. Gründer und CEO Lawrence Ellison, der vor wenigen Jahren noch über die Cloud hergezogen hatte, singt heute mit im Chor der Cloud-Befürworter. Auf der Kundenveranstaltung OracleWorld im Herbst 2012 kündigte er ein umfassendes Angebot aus Software-as-a-Service-(SaaS-), Platform-as-a-Service- (PaaS-) und Infrastructure-as-a-Service- (IaaS-)Lösungen an.
Auch der britische Softwarehersteller Sage, der mit seiner Business-Software in erster Linie kleine und mittelständische Kunden umwirbt, setzt große Hoffnungen in die Cloud. "Hybride wie reine Cloud-Lösungen sind in vielen kleinen und mittleren Unternehmen inzwischen Realität und stehen 2013 vor dem finalen Durchbruch", konstatiert Peter Dewald, Geschäftsführer der Sage Software GmbH. In beinahe jedem Auswahlgespräch komme mittlerweile die Frage auf den Tisch, ob die Software auch als Cloud-Lösung genutzt werden könne.
- 10 Prognosen für Cloud Computing 2013
CIOs bekommen dieses Jahr mehr Druck von Finanzchefs, die Kosten für IT aus der Wolke unter Kontrolle zu halten - und die Konkurrenz von Amazon wird stärker. - 1. Wir hören auf mit der Behauptung, dass alles in die Cloud wandert
Es wird unterschieden, was in die Wolke passt und was nicht. - 2. Cloud und Mobile werden eins
Mobile Apps sind nur dann wertvoll, wenn sie übers Internet an die Back-End-Services angebunden sind, die wahrscheinlich nicht mehr im eigenen Rechenzentrum, sondern irgendwo in der Wolke geleistet werden. - 3. Kein Stress mehr wegen Cloud-SLAs
Best Practice für Design und Konfiguration von Cloud-Applikationen sei es, Elastizität in die Anwendung selbst einzubauen anstatt sie von Seiten des Cloud-Betreibers zu erwarten. Auf diesem Weg lasse sich jedes Service Level Agreement (SLA) erreichen, unabhängig von den Basis-SLAs des Providers, so Staten. - 4. Klarheit über Kosten-Modelle
Statens Ausgangsthese: Die Cloud ist nicht per se besonders günstig, aber sie kann mit dem richtigen Nutzungsmodell höchstwahrscheinlich einen Kostenvorteil bringen. Deshalb müssten die Anwender rechnen, die wirtschaftlichen Hintergründe verstehen lernen und die Nutzung kontrollieren und optimieren. - 5. I&O schafft Freiräume für die App-Entwicklung
2013 sehen die I&O-Teams laut Forrester endlich ein, dass Entwicklung in der Public Cloud stattfindet – ob es ihnen passt oder nicht. Da sei es sinnvoll, den Dialog mit den Software-Entwicklern zu suchen, um Einfluss auf Sicherheit und Gesamtkonzept nehmen zu können. Darin liege auch die Chance, gemeinsam eine formelle Cloud-Strategie zu entwickeln, die definiert, was akzeptabel ist und was nicht. - 6. Backup und Disaster Recovery aus der Cloud
Cloud Computing und das Pay-per-Use-Preismodell ermöglichen laut Staten eine langfristige Datenspeicherung. Für die Server müsse nur bezahlt werden, wenn man testen will oder sich tatsächlich ein Ausfall ereignet. - 7. Cloud ist nicht mehr mit Massenware gleichzusetzen
Trotz hoher Standardisierung in der Wolke sei es falsch, Cloud Services mit Massenware gleichzusetzen. Bereits jetzt würden in der Cloud Dienstleistungen angeboten, die mit High-End-Hardware abgesichert seien sowie GPUs, SSDs und andere hochwertige Infrastruktur-Optionen beinhalteten. - 9. Fortgeschrittene Virtualisierung ist gut, aber keine Cloud
Staten wendet sich direkt an die I&O-Verantwortlichen: „Die optimierte und dynamische virtuelle Umwelt und die On-Demand Private Cloud haben beide ihren Platz im Rechenzentrum“, schreibt der Analyst. „Sie lösen verschiedene Probleme und entsprechen verschiedenen Anforderungen.“ Es sei ein nutzloses Unterfangen, aus dem einen das andere machen zu wollen. - 10. Die Entwickler wachen auf
Die Mehrzahl der im Unternehmen vorhandenen Sprachen, Frameworks und Development-Methoden seien auch in der Cloud einsetzbar, so Staten. Anders als gewohnt sei nicht das Codieren an sich, sondern die Service-Orientierung und die Notwendigkeit, eine eigenen Erreichbarkeit und Performance in die App-Konfiguration einzubauen.
Der Markt - real
"Cloud Computing ist längst Realität im deutschen IT-Markt", stellen auch die Experton-Group-Analysten Carlo Velten und Steve Janata fest. Ihrer Einschätzung nach werden in diesem Jahr rund fünf Prozent der IT-Ausgaben deutscher Unternehmen in die IT-Wolke fließen. Insgesamt summierten sich die Investitionen für Cloud-Services, Cloud-Integration und -Beratung sowie Cloud-Technik damit auf etwa 4,6 Milliarden Euro - ein Plus von 52 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und der Schwung hält an. Auch 2014 soll der deutsche Cloud-Markt über 50 Prozent zulegen auf dann über 6,9 Milliarden Euro. Die Experton Group erwartet, dass in den kommenden Jahren vor allem die Ausgaben für Cloud-Services im Verhältnis zu den anderen Kategorien wie Technik und Integration/Beratung noch mehr Gewicht bekommen werden.
Auch wenn diese Zahlen dem Cloud-Business eine rosige Zukunft verheißen, warnen die Experton-Analysten vor verfrühter Euphorie. Noch mache Cloud Computing nur einen relativ kleinen Teil der gesamten IT-Ausgaben aus. "Der Weg in die Cloud gleicht einem Marathon", sagen Velten und Janata. "Und wir befinden uns vielleicht gerade auf Kilometer fünf. Es ist also ein langer Atem gefragt."
Den brauchen Anbieter wie auch Anwender. Nach wie vor ist die Branche damit beschäftigt, sich selbst zu definieren sowie offene Fragen rund um Datenschutz und die Integration von Cloud-Diensten zu klären. Oft fehlt noch die Transparenz, wie viel Cloud wirklich in den einzelnen Offerten steckt, und das Verständnis, was die Cloud ausmacht. So haben die Analysten der Experton Group im Rahmen ihres "Cloud Vendor Benchmark 2012" über 350 IT-Provider unter die Lupe genommen, die Lösungen unter dem Cloud-Label anboten. Die Prüfung bestanden haben letztlich nur 109 Anbieter, denen die Experten ein ernst zu nehmendes Cloud-Portfolio bescheinigten.
Der Markt echter SaaS-Lösungen mit multimandantenfähiger Architektur sowie einem zentralen Release- und Patch-Management sei deutlich kleiner als oft angenommen, haben Velten und Janata festgestellt. Bei vielen Cloud-Angeboten handle es sich lediglich um gehostete Instanzen bestehender On-Premise-Versionen. Damit erhielten die Kunden zwar eine gewisse preisliche Flexibilisierung, könnten aber von den zentralen Vorteilen des Cloud-Modells nicht wirklich profitieren.
Cloud Computing verspricht vor allem eine elastische und flexible IT-Nutzung. Der Kunde zahlt nur das, was er wirklich nutzt. "Die Wirklichkeit sieht jedoch noch etwas anders aus", kritisiert Rüdiger Baumann, CEO von Zimory, einem Anbieter von Cloud-Management-Lösungen. Anwender müssten in den Verhandlungen mit den Service-Providern um jedes Detail in den Service-Level-Agreements (SLAs) ringen. "Die so erkaufte Flexibilität verdient ihren Namen zumeist nicht", so sein Fazit. "Der Kunde steckt nun fest in einem Korsett mit einem Dienstleister, während der geschlossene Vertrag unerwartete Entwicklungen kaum mitmacht."
- Wo Forrester bei den Cloud-Prognosen irrte
Nur vier ihrer Prognosen zu Cloud Computing vom Vorjahr wurden Wahrheit, stellen Forrester-Analysten fest - und wagen neue Voraussagen, etwa zum Tod von PaaS. - Irrtum 1:
Forrester war davon ausgegangen, dass die Unterschiede zwischen Cloud Services und traditioneller IT klarer würden. Das sei traurigerweise so nicht eingetreten, konstatiert Staten. Und daran seien nicht die Anbieter Schuld, sondern die I&O-Teams in den Unternehmen. „Eine virtualisierte Infrastruktur ist keine Cloud, Folks!“, stellt Staten klar. Das ändere sich auch nicht, wenn man es den eigenen Entwicklern so zu verkaufen versuche. - Irrtum 2:
Teenager überschreiten gerne Grenzen. Forrester fürchtete, dass die auch in der IT der Fall sei. Anlass zur Sorge war vor einem Jahr die wachsende Neigung vieler Firmen, Produktions-Applikationen, intellektuelles Eigentum, Kundendaten und andere kritische Daten in die Cloud verlagern zu wollen. Die Analysten erwarteten schlimme Rechtsfolgen für diese Firmen. - Irrtum 3:
Vor einem Jahr rechnete Forrester damit, dass konservative Politiker die Freiheit in der Cloud durch paternalistische Eingriffe abschaffen könnten. Der harte Kern der Republikaner im US-Präsidentschaftswahlkampf bereitete diesbezüglich laut Staten ebenso Sorge wie Entwicklungen in der EU und China. 2012 sei es aber am Ende nicht so gekommen, die Gefahr bestünde gleichwohl fort. - Irrtum 4:
90 Prozent der Cloud-Entwickler verfügen neben ihrem Firmen-Account auch noch über einen persönlichen Zugang zu den Clouds ihrer Wahl. Forrester ging davon aus, dass der eine oder andere dieses Instrumentarium für Hackerangriffe oder andere Aktivitäten gegen das eigene Unternehmen missbrauchen könnte. Aber auch das sei bislang nicht eingetreten. - Wahrheit 1:
Die Schatten-IT trat tatsächlich verstärkt ans Licht, wie Staten feststellt. Allerdings sei damit einhergegangen, dass die I&O-Abteilungen oft das Cloud Management übernommen hätten, was Forrester nicht unbedingt gutheißt. Außerdem habe erst jedes fünfte Unternehmen interne Cloud-Richtlinien definiert. - Wahrheit 2:
Reselling reicht in der Cloud nicht, warnte Forrester Systemintegratoren und IT-Dienstleister. Einige Channel-Partner hätten mittlerweile die benötigten Skills entwickelt, um die Anwender bei Konfiguration, Integration, Monitoring und Ergänzung von Cloud Services für den individuellen Bedarf zu unterstützen. - Wahrheit 3:
Es gibt einige der vorausgesagten Fortschritte bei der Zertifizierung von Clouds und der Schulung. Neben HP und EMC hebt Forrester hier insbesondere das Cloud Admin Training-Programm von Rackspace hervor. Von Amazon, Google, Microsoft und Salesforce.com komme aber noch zu wenig, ebenso von Hochschulen, Industrieverbänden und privaten Schulungsspezialisten. - Wahrheit 4:
Netflix hat unter anderem seine Provisioning- und Load-Balancing-Tools via Open Source zugänglich gemacht. Staten rät Entwicklern, diese Möglichkeiten nun auch zu nutzen. - Offen 1:
Die These der Analysten aus dem Vorjahr lautete, dass Anwenderfirmen größere Cloud-Ausfälle wie bei Salesforce.com, AWS und Azure ohne substanziellen Schaden überstehen. Die Message dabei: Die Zuverlässigkeit der Anwendungen sollte nicht den Cloud Providern überlassen werden; dafür hätten die Anwender schon selbst zu sorgen. Weitgehend hätten die Firmen hier ihre Hausaufgaben gemacht, wenngleich das Risiko von Performance-Einbußen immer noch vorhanden sei, so der Forrester-Blogger. - Offen 2:
Forrester geht nach wie vor davon aus, dass die Ausgaben für die Public Cloud früher oder später formell budgetiert werden. Das sei zwar immer häufiger der Fall, aber bei weitem noch nicht die Regel.
Die Anwender - verärgert
Das sorgt für Ärger unter den Anwendern. In einer Forrester-Umfrage äußerten sich 83 Prozent der 200 befragten CIOs frustriert darüber, dass sie sich erst durch viel Marketing wühlen müssten, um zu erkennen, wie viel Cloud wirklich in den Angeboten steckt. Auf das "Cloud-washing" folgt oft Ernüchterung. Zwei von drei IT-Verantwortlichen bemängelten zu starre Konditionen. Weitere Kritikpunkte: mangelnde Elastizität und fehlende Self-Services.
Nichtsdestotrotz ist die Cloud aus der Schatten-IT herausgetreten und in der Unternehmensrealität angekommen, stellt Forrester-Analyst James Staten fest. Die IT-Abteilungen leugneten nicht länger, dass es Cloud Computing in ihrem Unternehmen gebe. Fast die Hälfte aller Firmen plane mitterweile mit Applikationen aus der Wolke. "Aber nicht alles wird in die Cloud wandern", sagt Staten. Es werde auch in Zukunft Prozesse, Daten und Workflows geben, die spezifische Inhouse-Lösungen erforderten.Auch mit den Kostenmythen werde zusehends aufgeräumt, glaubt der Experte: "Die Cloud ist nicht automatisch günstiger." Mit dem richtigen Nutzungsmodell seien Kostenvorteile erzielbar, dafür müssten die Anwender allerdings die wirtschaftlichen Hintergründe verstehen lernen sowie die Nutzung optimieren und kontrollieren.
Dass dies den CIOs gelingt, ist allerdings längst nicht ausgemacht. Capgemini hat in einer Befragung unter 460 Konzernen weltweit herausgefunden, dass in fast der Hälfte der Organisationen einzelne Geschäftsbereiche das Cloud-Heft in die Hand genommen haben. "Die Cloud hat einen neuen Benchmark dafür gesetzt, wie schnell, einfach und flexibel Lösungen bereitgestellt werden können", sagt Ron Tolido, Senior Vice President von Capgemini. "Das rückt die Beziehung von IT und Business in eine völlig neue Perspektive." (mhr)