Dresdner Bank: arbeiten im Konzern

Die Chancen erkennen und nutzen

16.06.2000
Gegen das verstaubte Image ankämpfen - die Personalabteilung der Dresdner Bank hat sich keine leichte Aufgabe vorgenommen. Was hat ein Kreditinstitut im Wettstreit mit IT-Herstellern und Dot-coms dem IT-Nachwuchs zu bieten? Alexandra Mesmer hat sich in der Konzernzentrale in Frankfurt am Main umgesehen.

Immer freitags sieht Ulrike Zintz ein neues Gesicht. Das liegt nicht daran, dass sie in einer Großbank mit allein 2500 Mitarbeitern im IT-Bereich arbeitet. Freitag ist bei der Dresdner Bank nach anglo-amerikanischem Vorbild "casual friday". Dunkle Anzüge und graue Kostüme bleiben im Schrank hängen, bunte Farben und Jeans treten aufs Parkett. Das ungewohnte Outfit verändert manchen Banker so sehr, dass ihn seine Kollegen erst auf den zweiten Blick erkennen. Die ansonsten strikte Kleiderordnung hat die 29-Jährige genauso wenig wie die ausgeprägten Hierarchien davon abgehalten, nach ihrem Informatikstudium bei der Dresdner Bank im Bereich Office Banking und Zahlungssysteme einzusteigen.

Ihre Entscheidung hat Zintz vor zwei Jahren bewusst getroffen. Als sie während ihres Studiums zwei Jahre lang als Werkstudentin bei Daimler-Chrysler in Stuttgart arbeitete, war sie fest davon überzeugt, dort nach dem Examen einzusteigen. "Die haben sich allerdings sehr lange Zeit gelassen, um auf meine Bewerbung zu reagieren. Da war die Dresdner Bank schneller", erinnert sie sich. Für sie zählte nicht nur die große Auswahl an Weiterbildungsmöglichkeiten, die ein Konzern bietet, sondern auch, dass ihr die Zeit eingeräumt wird, dieses Angebot zu nutzen. Dazu gehört, dass ihr Arbeitstag, der um 7.30 Uhr beginnt, in der Regel nicht mehr als acht bis neun Stunden dauert. Fallen Überstunden in heißen Projektphasen an, werden sie in Freizeit ausgezahlt. Diese nutzt die verheiratete Informatikerin allerdings auch dafür, sich in neue Programmiersprachen einzuarbeiten, Datenbanksysteme auszutesten oder ihr Bankwissen zu vertiefen.

Zintz hilft wie ihre Teamkollegen Firmenkunden weiter, wenn sie technische Probleme mit dem elektronischen Zahlungsverkehr haben, der über den internationalen und branchenneutralen Standard Edifact abgewickelt wird. Kommunikationsprobleme hat sie keine, da ihre Ansprechpartner in der IT-Abteilung des Kunden sitzen und die gleiche Sprache sprechen. In den vergangenen sechs Monaten arbeitete die 29-Jährige an einer Studie übereine zentrale Plattform für das Electronic Banking, über die Daten der Firmenkunden in deren gewünschtem Format bereitgestellt werden können. "Es gibt hier viele interessante Projekte. Man muss die Chance nur erkennen und nutzen", ist Zintz überzeugt. Durch die Recherche für die Studie bekam sie einen Überblick über die verwendeten Systeme, die Services der Bank und die Aufgaben der unterschiedlichsten Abteilungen. Zugleich nutzte sie die Chance, sich ins Wertpapiergeschäft einzuarbeiten.

Frauen in der Überzahl

Dass Mitarbeiter über ihren Tellerrand hinausschauen, ist ganz im Sinn der Personalabteilung der Bank. "Wir wollen nicht, dass jeder in seinem Kästchen im Organigramm sitzen bleibt, sondern auch in andere Abteilungen hineinschnuppert", beschreibt Tim Ackermann, Personalentwickler bei der Dresdner, die personalpolitische Ausrichtung seiner Bank. Solche Flexibilität wird auch von Berufseinsteigern erwartet. "Nicht alle können in Projekten arbeiten. Wir brauchen auch Mitarbeiter, die mit der Wartung und Pflege des laufenden Betriebs beginnen", so der Personalfachmann. Auch Gero Scholz, Leiter des Konzernstabes Informationstechnologie, kann für einen Start in einem scheinbar unattraktiveren Bereich wie der Wartung nur werben: "Wenn ein System bereits eingeführt ist und gut läuft, bekommt man ein besseres Gefühl für das System und die Abläufe und kann den Kunden auch besser beraten." Mit diesem so vertieften fachlichen Hintergrund sei später auch ein Wechsel

in eine andere Abteilung möglich.

Auch Zintz hat sich gegen ihr ursprüngliches fachliches Interesse an Datenbanken entschieden, als sie bei der Dresdner Bank anfing: "Mir war das Team einfach wichtiger." Bei ihren Kollegen sei es selbstverständlich, dass man sich gegenseitig über die Schulter schaut und einander hilft. Dass in ihrer Arbeitsgruppe die Frauen in der Überzahl sind und sie auch schon fünf Jahre zusammenarbeitet, ist allerdings die Ausnahme. Frauen sind im IT-Bereich der Dresdner Bank genauso dünn gesät wie in anderen Unternehmen, und die Zusammensetzung des Teams kann sich schnell ändern, etwa wenn ein großes Projekt wie die von Zintz untersuchte Edi-Plattform ansteht. Wird diese umgesetzt, werden noch eine ganze Menge neuer Mitarbeiter dazukommen, so dass man sich in mehreren Teams organisieren muss.

Für die passionierte Informatikerin hat die fachliche Leistung einen hohen Stellenwert: "Mein Ziel ist es, zunehmend fachliche Verantwortung für größere Aufgaben zu übernehmen." Auf einen wohlklingenden Titel auf ihrer Visitenkarte legt sie dagegen keinen großen Wert. Dass die Karriereperspektiven für aufstrebende Mitarbeiter bei der Dresdner Bank gut sind, begründet Yvonne Dusch, Leiterin des Personal-Managements, mit der steigenden Zahl von Projekten: "Bei uns laufen zur Zeit 45 Projekte. Auch junge Kollegen bekommen die Chance zur Projektleitung. Wichtig ist uns, dass diese Chance fair ist, daher bieten wir zur Unterstützung kollegiale Beratung in festen Gruppen an. Zur besonderen Potenzialförderung setzen wir in Einzelfällen erfahrene Mentoren ein. Die Weiterentwicklung der jüngeren Mitarbeiter unterstützt auch Konzernbereichsleiter Scholz: "Führungsqualität heißt, dass jemand sein Team zum Erfolg führt und es

zulässt, dass sich auch seine Mitarbeiter fortentwickeln."

Der Blick fürs große Ganze?

Aber nicht in jeder Abteilung der Dresdner Bank decken sich Anspruch und Realität: So gibt es auch einen Projektleiter, der die Verantwortung hortet, anstatt sie abzugeben. Dieser hatte es seinen Mitarbeitern zwar erlaubt, mit der Presse zu sprechen. Nach dem Interview mit YOUNG PROFESSIONAL jedoch trat er als Zensor auf und verbot, die Aussagen der Mitarbeiter ins Blatt zu nehmen. Die Begründung: Ihnen fehle der Überblick für das große Ganze. Deshalb könnten sie keine qualifizierten Aussagen über das Projekt machen. Drängt sich am Schluss die Frage auf: Gehört zu dem - demonstrierten - personalpolitischen Image des "Hinausschauens über den Tellerrand" nicht auch die Offenheit nach außen?