Die CeBIT will sich der "Webciety" öffnen

01.10.2008
Von  und
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.


Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
CeBIT-Chef Ernst Raue will die größte IT-Messe der Welt ins Web ausdehnen. Die COMPUTERWOCHE-Redakteure Heinrich Vaske und Sascha Alexander hatten Gelegenheit zum Gespräch.

CW: Springen Sie mit der CeBIT jetzt auf den Web-2.0-Zug auf?

Raue: Wir wollen mit unserer Idee der Webciety das Internet in seinen vielen verschiedenen Ausprägungen und mit seinen Business-Modellen darstellen und erlebbar machen. Web 2.0 wäre nur ein kleiner Ausschnitt. Es geht hier um das "Internet der Dienste" und weniger um die technische Infrastruktur. Das Wort Webciety beschreibt, dass das Internet inzwischen in alle Lebensbereiche hereinragt. Die CeBIT wird zeigen, dass wir mit dem Internet vor einer neuen Entwicklungsstufe stehen.

CW: Die CeBIT hat 2009 erstmals einen US-Bundesstaat, Kalifornien, zum Messepartner erkoren. Wollen Sie so die dort ansässigen Web-2.0-Akteure wie Google, Facebook oder LinkedIn für die Messe gewinnen?

Raue: Klar ist es unser Ziel, sie auf einer CeBIT in Hannover zu haben. Bisher gab es nur Partnerländer. Doch im Silicon Valley bewegt sich so viel, dass wir jetzt mit Kalifornien kooperieren.

CW: Ist die Web-2.0-Welt mit ihren vielfältigen, auch gesellschaftlichen Auswirkungen auf der Messe wirklich abbildbar?

Raue: Zunächst geht es uns nicht darum, hip zu sein, sondern die Weiterentwicklung des Marktes aufzugreifen. Wir müssen diese Entwicklung in die Messe einbinden, sonst würde der CeBIT künftig etwas fehlen. Wir wollen dem Internet langfristig eine reale "Homebase" bieten. Die Umsetzung ist aber anders als bei der herkömmlichen Ausstellung. Wir arbeiten mit neuen Instrumenten. In der Webciety Area in Halle 6 werden die Aussteller ohne Messebauer auskommen und nur ihre Laptops mitbringen und so den Stand "bespielen". Wir haben sozusagen die Plug-and-Play-Präsentation entwickelt.

CW: Was steht im Vordergrund: Anregungen für neue Geschäftsmodelle oder eine Übersicht über Dienste im Web?

Raue: Wir möchten zunächst in einem übersichtlichen Rahmen interessierten Unternehmen zeigen, wie sie ihr Geschäft mit Hilfe des Webs anders machen können, was innovative Ideen, Prozesse und Werbung betrifft. Zugleich ist es eine Chance für Startups, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wir stehen vor einer neuen Nutzung von IT, die die kommenden Jahre ganz massiv prägen wird. Die CeBIT ist der beste Ort auf der Welt, um diese Entwicklung aufzuzeigen.

CW: Könnten Sie sich auch eine virtuelle CeBIT vorstellen? Dieses Jahr haben Sie ja schon einen Versuch in Second Life gestartet.

Raue: Wir arbeiten intensiv daran und investieren derzeit große Beträge in eine neue Web-Plattform. Auf ihr wollen wir begleitend zur Messe ganzjährig IT-Themen vorantreiben. Ziel ist es, unsere Stärken aus unseren realen Messen in die virtuelle Welt zu transferieren. Denkbar ist auch, Inhalte und Angebote mit den jeweils aktuell laufenden CeBITs in Australien oder Eurasien zu koppeln.

CW: Wann wird diese Plattform fertig sein?

Raue: Sie ist heute schon zum Teil verfügbar. Wir entwickeln sie derzeit unter dem Projektnamen "Internet 2010" weiter.

CW: Geht es Ihnen darum, eine Art Social Network für IT-Interessierte aufzubauen? Nur Produkte und Aussteller darzustellen wäre doch sicher zu wenig.

Raue: Derzeit bildet unsere Website in erster Linie den Messekatalog ab. Das wird auch 2009 noch so sein. Später wollen wir aber einen Marktplatz schaffen, der nicht nur Produkte präsentiert, sondern auch die dazugehörigen Dienstleistungen, Diskussionen, Veranstaltungen und Informationen.

CW: Sie hatten bereits 2007 die Initiative "CeBIT Next" vorgestellt, hinter der sich ein Chat- und Innovationsideen-Portal für Besucher und Aussteller verbarg. Wie haben sich diese Aktivitäten weiterentwickelt?

Raue: Die Initiative ging damals von IBM aus und wurde von den Besuchern gut angenommen. Die Erfahrungen und Fragen aus diesem Versuch fließen in die Entwicklung von Internet 2010 mit ein.

CW: Für wie populär halten Sie heute die CeBIT?

Raue: Die CeBIT ist sicher nach wie vor eine der populärsten Veranstaltungen der Welt. Sie müssen sich nur die kommunikative Kraft anschauen. 7000 Medienvertreter aus aller Welt kommen, um von Hannover aus zu berichten. Denn die CeBIT schafft es, einen spannenden Dreiklang aus Wirtschaft, Politik und Medien zu kreieren - und das auf internationalem Niveau.

CW: In diesem Jahr stieg zwar die Besucherzahl auf der CeBIT, doch es waren weniger Aussteller da. Was erwarten Sie für 2009?

Raue: Wichtiger als die reinen Zahlen ist für mich, dass wir die richtigen Themen für die Zukunft besetzen. Dass das gelingt, sehen wir daran, dass große Anbieter zurückkehren. Sie wollen aber keine klassischen Stände mehr bauen, sondern sich flexibler darstellen. Eine reine Image-Messe wie früher kann sich nicht mehr tragen.

Erfolgsrezepte der CeBIT

Mit diesen Maßnahmen versucht die CeBIT, Besucher zu locken:

Folgende Aspekte hält CeBIT-Macher Raue für entscheidend:

  1. Gezielte Zusammenarbeit mit User Groups, Industrie- und Interessenverbänden.

  2. Ausstellungs- und Themenschwerpunkte - etwa Business Solutions, Public Sector, Home & Mobile, Technology & Infrastructure; dazu: Foren und Kooperationen.

  3. Geführte Touren über das Messegelände; beispielsweise wurden in diesem Jahr 500 Bürgermeister durch den Bereich Public Sector geleitet.

  4. Adress-Management: Die CeBIT verfügt über mehrere Hunderttausend qualifizierte Adressen von IT-Profis.

  5. Enge Kooperation mit den Ausstellern - die CeBIT als "gemeinsame Kommunikationsplattform".

  6. Lösungsorientierte Darstellung der Produkte (zum Beispiel im Bereich Sicherheit);

  7. Rundum-Betreuung für CIOs, die jetzt wieder vermehrt auf die CeBIT kommen.

Ernst Raue

Seit 28 Jahren arbeitet Ernst Raue für die Deutsche Messe AG in Hannover. Im Vorstand ist Raue seit dem Jahr 2000 vertreten. Dort kümmert sich der Messemacher, der Ende 2007 einen neuen Fünf-jahresvertrag unterschrieb, inzwischen ausschließlich um die CeBIT.