"Die CeBIT ist nicht mittelstandsgerecht"

01.09.1995

CW: In juengster Zeit ist aus Ihrem Verband immer wieder Kritik am CeBIT-Organisator, der Deutschen Messe AG in Hannover, laut geworden. Warum?

Bojanowsky: Die CeBIT ist nicht genug mittelstandsgerecht. Sie richtet sich ueberwiegend an den Eyecatchern der Branche aus, den grossen Softwarehaeusern Microsoft, Novell etc.

CW: Anbieter, die hierzulande vor allem verkaufen wollen . . .

Bojanowsky: Richtig, viel mehr machen diese Hersteller in Deutschland nicht. Solche Firmen haben ein riesiges Marketing- und Vertriebsbudget und koennen es sich leisten, 1000, 2000 oder 3000 Quadratmeter Standflaeche zu besetzen. Diese Aussteller haben auf der CeBIT das Sagen.

Ein Beispiel: Schon seit einiger Zeit moechte die Messegesellschaft ihre Hallen neu ordnen. In Halle 2 sollen sich Anbieter von Produkten fuer den Low-end-Bereich aufhalten, Microsoft etc. Die Halle 3 soll fuer Datenbank- und Systemsoftwarehaeuser reserviert sein und in den Hallen 4 und 5 moechte man Anwendungssoftware zeigen. De facto geht aber die IBM mit ihren Anwendungssoftwarepartnern nicht aus der Halle 2 heraus. Und die SAP wird ebenfalls nicht ihren angestammten Platz in Halle 2 verlassen.

CW: Haben Sie als Verband, der sogar eine Stimme im Messebeirat hat, denn nichts zu melden?

Bojanowsky: Wir vertreten 60 Firmen auf der Messe, und der Veranstalter behandelt uns - mit Verlaub - wie einen Popanz! Entschuldigen Sie, dass ich das so drastisch sage, aber so, wie die Messe AG mit uns umgeht, so behandelt man keinen langjaehrigen Kooperationspartner. Als Verband sind wir nach dem kommerziellen Aussteller 1&1 Marketing, der seine Veranstaltung "Software fuer den Mittelstand" macht, der zweitgroesste Aussteller im Softwarebereich. Qualitativ und von der Groesse her repraesentieren wir die weit wichtigeren Firmen. Doch die Messe tut nichts fuer uns. Wir braeuchten dringend mehr Platz, aber wir bekommen ihn einfach nicht. Im Gegenteil, die Messe wiegelt unsere Mitglieder gegen uns auf, indem sie behauptet, es laege an uns, dass es in der Halle 3 keinen freien Platz mehr gibt.

CW: Mit welcher Absicht?

Bojanowsky: Die Messe will uns in eine Ecke draengen, in die wir nicht wollen - am besten in eine hintere Halle. Dabei beharrt sie auf der Durchsetzung ihrer wie auch immer entstandenen Konzepte, die noch nicht einmal mit uns abgestimmt sind. Dabei sitzen wir im Messeausschuss. Wir vertreten Hunderte von Softwarefirmen, doch die Messe hat es nicht fuer noetig gehalten, ihr Softwarekonzept mit uns abzustimmen.

CW: Entfallen diese Probleme nicht automatisch, wenn die CeBIT Home etabliert ist, auf der dann sicher die "Vertriebsfirmen" Microsoft etc. ausstellen?

Bojanowsky: Die Messegesellschaft interessiert sich hauptsaechlich fuer Besucherzahlen, weniger fuer den Aussteller. Wenn also auf der normalen CeBIT Eyecatcher vom Schlage Microsofts unterrepraesentiert waeren, gingen die Besucherzahlen zurueck. Auf einmal gaebe es auch nicht mehr den Medienrummel. Das werden sich weder der Veranstalter noch Aussteller wie Microsoft leisten wollen.

Doch ich moechte nicht missverstanden werden: Es geht nicht um Microsoft oder andere groessere Aussteller. Ganz im Gegenteil, wir sind ja froh, dass diese Firmen auf der CeBIT ausstellen. Uns aergert vielmehr, dass die Messe ihre Aussteller ungleich behandelt.

CW: Der BVIT hat in diesem Jahr das Programm fuer den Deutschen Softwaretag in Bad Homburg (6. und 7. September 1995, Anm. der Red.) aufgestellt. Ist so etwas wie eine Gegenveranstaltung zur CeBIT geplant?

Bojanowsky: Nein, das waere natuerlich vermessen. Ich bin Realist. Anwender sind dort zwar ausdruecklich erwuenscht und eingeladen, aber sie sind nicht das Zielobjekt. Wir wollen allerdings ein Defizit der CeBIT nutzen: Sie ist zu wenig mittelstandsgerecht. Wir moechten ein geschlossenes Forum bieten, um den Informationsaustausch innerhalb der Branche zu optimieren. Wir glauben, dass der Deutsche Softwaretag, richtig moderiert und mit einer attraktiven Thematik, diesem Anspruch gerecht werden kann. Er soll das Forum fuer den Informations- und Erfahrungsaustausch auf nationaler Ebene werden.

Mit Alexander Bojanowsky, Geschaeftsfuehrer des Bundesverbandes Informationstechologien e.V. in Bonn, sprach CW-Redakteur Heinrich Vaske.