Das Thema Qualität wird immer mehr zur Chefsache

Die CAT/Quality: CA-Techniken vor der Haustür des Anwenders

22.06.1990

Auf der CAT war vor allem ein breites Angebot der Integrationslösungen CAD-CAM vertreten. Einen weiteren Schwerpunkt der Messe bildeten Lösungen im Bereich computergestützter Qualitätstechnik (CAQ), denn die CAT fand erstmals zusammen mit der neuen Kongreßmesse Quality statt.

Diese Verbindung könnte laut Veranstalter Synergieeffekte hervorrufen und beide Bereiche, also CAD und CAQ, befruchten und verbinden. Messemacher sollten allerdings bescheiden und realistisch sein, ob der Markt die Messe macht oder ob Messen auch Märkte anstoßen und bewegen können. Sicher kann eine Katalysatorwirkung den überschaubaren und überwiegend von Fachleuten besuchten Spezial- oder Fachmessen wie der CAT/Quality nicht abgesprochen werden.

Richtig ist andererseits aber auch, daß das Thema Qualität immer mehr zur Chefsache wird und ein wichtiger, wenn nicht sogar der entscheidende Wettbewerbsfaktor ist. Das neue Produkthaftungsgesetz vom Anfang des Jahres verstärkt diesen Trend noch zusätzlich. Das veranlaßte bereits viele Firmen, in bezug auf Qualitätstechnik neue Anstrengungen zu unternehmen, wobei sich die Tendenz weg von einer Qualitäts-Endkontrolle des fertigen Produktes hin zur Qualitätssicherung "quer durch den gesamten Betrieb" entwickelt, das heißt, Qualitätssicherung wird zum integrativen Bestandteil in Konstruktion, Materialwirtschaft und Produktion. Schlagwort: Qualität läßt sich durch Prüfen allein nicht erreichen, sie muß produziert werden.

Qualität als "neues" Thema in der Fabrik

CA-Hersteller haben teilweise bereits auf diese Anforderung reagiert und bieten computergestützte Qualitätssicherungs-Systeme an, die in den gesamten Produktionsprozeß integriert sind (Lösungen dazu in einer der nächsten CW-Ausgaben).

Diese neue Art der Qualitätssicherung ist nur ein Beispiel, wie sich mit computergestützter Technik und der Anwendung des Integrationsgedankens auf eine bisher mehr oder weniger separat laufende Funktion die Wertigkeit eines Produktes - sei es unter Kosten- oder Qualitätsgesichtspunkten - erhöht. Die Vorteile der Datenverarbeitung zeigen sich offensichtlich immer dann besonders deutlich, wenn es gelingt, einzelne Computerinseln miteinander zu verbinden. Es gibt beispielsweise Untersuchungen, wonach die Zeichnungserstellung mit isolierten CAD-Systemen nur maximal ein Prozent der Gesamtkosten des Betriebes beeinflußt.

Erst die DV-technische Integration aller Bereiche bringt den wirtschaftlichen Erfolg, wie Studien immer wieder zeigen, wobei es nicht ganz einfach zu sein scheint, diesen Erfolg auf Heller und Pfennig zu berechnen. Notwendig ist er auf jeden Fall, betrachtet man die mit einer CIM-Einführung verbundenen hohen Kosten, die erwirtschaftet sein wollen.

Es kann aber auch noch andere Gründe geben für die Innovationsbereitschaft der Unternehmen in Richtung CIM als diese Renditegesichtspunkte. Das kann beispielsweise eine Frage des Prestiges sein: Ein High-Tech-CAD-System bringt unter Umständen einen ähnlichen Repräsentanzeffekt wie die teure Luxuskarosse des Geschäftsführers. Oder es wird gar ein regelrechter Zwang von außen ausgeübt: Viele Zulieferbetriebe in der Automobilbranche, der Luftfahrt- oder der Elektrogeräteindustrie werden unsanft "überredet", in ihrer Produktion CAD- oder PPS-Systeme einzusetzen, wenn sie im Geschäft bleiben wollen.

Solche Abhängigkeiten kleiner Zulieferbetriebe bestehen offenbar auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Japan, recht häufig. Vor allem die beiden großen japanischen Produktionszweige, die Automobil- und die Elektroindustrie, bauen auf Zehntausenden von relativ kleinen Zulieferbetrieben auf, die durch die Anforderungen ihrer Abnehmer gezwungen sind, CAD-Systeme einzusetzen. Dies berichtet eine Studie des Japan-Büros der Mesago-Messegesellschaft, die Mitveranstalter der CAT-Quality war. Die Studie zeigt weiter, daß der Einsatz von CAD in Japan auch in anderen Industrien, wie zum Beispiel der dortigen Textilindustrie, weit verbreitet ist.

Bei der Einführung der CAD-Technik gehen allerdings die Söhne Nippons laut Mesago im Vergleich zu anderen Ländern ihre eigenen Wege. Zum Verständnis des dortigen CAD-Erfolges ist deshalb die Betrachtung des typisch japanischen Umfeldes unerläßlich. So seien aus einer Art spielerischem Trieb mit der neuen CAD-Technik Dinge in Gang gekommen, an die zu Beginn niemand gedacht hatte.

In Japan werde CAD heute extrem vielseitig benutzt. Standen anfangs vor allem Kostensenkungs- und Rationalisierungsaspekte im Vordergrund, so sei heute die große Flexibilität das ausschlaggebende Argument für den Einsatz von CAD bei den großen Automobilkonzernen. Sie ermöglicht schnelle Modellwechsel, und die Verbindung von CAD und Supercomputern schafft eine Vielfalt von Modellen, die bereits jetzt auf den Märkten zu spüren ist.

Hinzu kommt die Vision der Japaner über das Auto der Zukunft: Es wird sich nach ihren Vorstellungen zunehmend zu einem elektronischen Produkt wandeln. Das bedeutet, daß viele bisherige Bestandteile des Fahrzeugs durch neue, elektronisch arbeitende Teile ersetzt werden.

Dieser Übergang soll sich japanischen Vorstellungen zufolge extrem schnell vollziehen. All das ist nur mit CAD und Supercomputern möglich. Diese Vision vertreten und akzeptieren offensichtlich alle Beteiligten, vom künstlerisch angehauchten Designer über den Produktionsarbeiter bis hin zum Manager.

CAD spielt nicht nur bei der Entwicklung neuer Fahrzeuge, sondern auch bei der Errichtung neuer Fertigungsanlagen eine wichtige Rolle. Nissan brauche zum Beispiel aufgrund des sogenannten NCLosator-Systems, das nach Aussagen des Unternehmens in erster Linie mit CAD entwickelt wurde, beim Modellwechsel im Karosseriebau nicht mehr Maschinen und Geräte umzubauen.

Es reiche aus, ein neues Programm im Rechenzentrum aufzulegen, weil selbst die Haltevorrichtungen der Teile zum Zusammenschweißen der Karosserie nicht mehr starr sind, sondern elektronisch gesteuert von Modell zu Modell verändert werden.

Auch hier werde CAD bei den Großunternehmen als unabdingbare Voraussetzung zur schnellen Umsetzung neuer Produktideen verstanden. Die CAD-Systeme finden dabei in Verbindung mit Großrechnern Einsatz, nur in Ausnahmefällen laufen sie auf Supercomputern.

Bei beiden, Automobil- und Elektroindustrie, arbeiten also nicht nur die Großen mit CAD, sondern auch kleine Zulieferer. Das Besondere dabei ist, daß die Zulieferer in die Entwicklung der Produkte einbezogen sind. Sie bekommen bei neuen Modellen nicht bis ins Detail vorgeschrieben, was sie produzieren sollen, sondern müssen unter Vorgabe bestimmter Rahmenwerte eigene Entwicklungsarbeit leisten und entsprechende Produktvorschläge unterbreiten. Diesen Anforderungen können die Zulieferer - auch wegen des engen Zeitrahmens - nur mit CAD entsprechen.

Unterstützung haben die Zulieferer von ihren Auftraggebern allerdings bekommen: Diese leisteten vielfach technische Hilfe bei der Einführung der CAD-Systeme - man erkenne den Strategiegedanken.

Eine weitere Strategie, diesmal von Staatsebene aus, unterstützt ebenfalls den CAD-Einsatz in den Kleinbetrieben: Ein spezielles Leasingsystem sichert die Leasinggesellschaften ab und schützt sie davor, beim Einsatz neuer Techniken in Kleinunternehmen finanziellen Schiffbruch zu erleiden.

Beispiel japanische Textilindustrie

Die japanische Textilindustrie ist laut Mesago-Bericht die dritte Branche, die stark auf CAD baut. Auch hier sind rasante Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte auf die Hilfe von CAD zurückzuführen. Die Hauptursache dafür wird in der Hochlohnstruktur im eigenen Land gesehen. Heute arbeitet das Gros der Textilindustrie des Landes mit CAD, weil die Verbindung von CAD und leistungsfähigen Rechnern erlaubt, jede Produktidee sofort im Hinblick auf Stoffnutzung und auf Stoffherstellung, zum Beispiel optimale Breite, zu optimieren.

Die Studie zeigt, daß in Japan heute CAD-Systeme verkauft werden für den Einsatz in Supersomputern bis hin zum einfachen PC, womit überwiegend die Zulieferer arbeiten. Das Geschäft mit CAD/CAM genereller mit CIM, dient auch in der bundesdeutschen Wirtschaft als einer der Wachstumspfeiler, wenn auch hierzulande dieser Enthusiasmus und Drang hin zur elektronischen Technik fehlt, wie er von Japan berichtet wird. In der Bundesrepublik soll laut Marktforschungs-Instituten das Wachstum der CAD/CAM-Technik bei 15 bis 20 Prozent liegen, wobei allein im letzten Jahr über zwei Milliarden Mark in diese Technik investiert worden sein sollen.

Impulse für ihre Einführung in die Unternehmen erfahrt die CAD/CAM-Technik hierzulande auch von einem Mitte letzten Jahres gestarteten CIM-Förderungsprogramm der Bundesregierung, dessen Mittel inzwischen allerdings ausgeschöpft sind. Weit über 80 Prozent der Antragsteller haben weniger als 500 Mitarbeiter und 44 Prozent der Unternehmen beschäftigen gar unter 100 Mitarbeiter. Das zeigt das große Interesse, das auch mittlere und kleinere Unternehmen an der ClM-Technik haben.

Auf der diesjährigen CAT/Quality waren die CAD/CAM-Anbieter nahezu vollständig angetreten. Von den Großen fehlte keiner, auch nicht die IBM. Das zeigt die Bedeutung, die die CAT inzwischen gewonnen hat, auch wenn sie, was die Besucherzahlen angeht, immer noch einen starken regionalen Bezug zu Baden-Württemberg und Bayern hat. Daß 60 Prozent der Besucher aus diesen beiden Bundesländern angereist waren, ist verständlich, denn dort sind die deutschen CAD/CAM-Anwenderindustrien zu Hause, etwa der Automobil- und Werkzeugmaschinenbau, die Elektroindustrie etc. Der Stellenwert dieser Industrien im Süden Deutschlands konnte der CAT inzwischen auch international einen guten Ruf verschaffen. Darauf wies Harald Wilrich, Geschäftsführer Europa der World Computer Graphics Association, im Eröffnungs-Pressegespräch hin.

Die Verbindung der CAT/Quality mit der Fachmesse Ident/Vision könnte im nächsten Jahr die Reputation der CAT noch weiter steigern, zumal wenn dann die vom Veranstalter erhofften Synergieeffekte zwischen den vier Bereichen eintreten, die in diesem Jahr schon bei der gemeinsamen CAT/Quality zu beobachten waren.

Schnittstelle zum PPS-System - kein Thema

Die Synergieeffekte sollten sich auch in Richtung Integration der einzelnen CA-Techniken auswirken, was dem Thema Integration in der Fertigung auf der CAT weiteren Nachdruck verleihen würde. Das scheint bei einigen Ausstellern auch nötig, denn man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die umfassende Integration im Sinne von CIM bei einigen von ihnen auf der CAT '90 nachgerade ein Tabu war. Die Integration CAD-CAM paßte gerade noch in das CAT-Bild dieser Aussteller, aber: Schnittstelle zum PPS-System - kein Thema. Diese wenigen, allerdings wichtigen Aussteller konnten jedoch nicht verhindern, daß das Thema CIM auch auf der CAT einen gebührenden Platz einnahm. Die CAD/CAM-Lösungen standen natürlich zahlenmäßig im Vordergrund, aber die meisten Anbieter begriffen ihre CAD Lösung als Teil eines integrierten Produktionskonzeptes mit angrenzenden und in Wechselwirkung stehenden Funktionsblöcken. Auch versuchten sie nicht eine künstliche Ausgrenzung und Selbstbeschränkung auf CAD/CAM.

CIM ist auf der CAT kein Tabu mehr

CIM war ein zentrales Thema auf der CAT und wird es bleiben, so der Eindruck

der Beobachter. Da die grobe Richtung bei den meisten ClM-Anbietern seit einigen Jahren feststeht, geht es um Detailverfeinerungen des Konzeptes, um CIM noch effektiver und durchschlagender zu machen.

In Stuttgart war ein Schwerpunkt die Verbindung von CAD und Fertigung mit den verschiedensten Arten von CAP-(Computer Aided Planing-)Systemen. Sie verwalten für die CAD-Systeme die alphanumerischen Daten der erstellten Zeichnungen fertigen Klassifizierungssysteme zum einfachen Wiederauffinden der Zeichnungen an, unterstützen beim Änderungsdienst, bei der Stücklistenerstellung etc. und avancieren bei manchen Lösungen gar zum zentralen Link zwischen CAD, PPS und CAM.

Ein weiterer ClM-Bereich, in dem sich einiges tut, ist die kurzfristige Werkstattsteuerung mit elektronischen Leitstand-Systemen. Auch da zeigte die CAT neue Ansätze. Ein anderer Punkt in Stuttgart: Integrationslösungen auf PC-Basis sind hoffähig geworden, sie werden mehr und mehr angeboten, und zwar sowohl unter MS-DOS als auch unter Unix. Insgesamt ist Unix mächtig auf dem Vormarsch in die computerintegrierte Fertigung.

Eine Fortsetzung dieses CAT-Berichtes wird mehr über Anbieter und Konzepte zu den oben angeführten ClM-Schwerpunkten bringen, darüber hinaus auch zum Thema Qualitäts-technik und zu integrierten CAQ-Lösungen.