Die Bundespost und der Wettbewerb

02.07.1982

Professor Carl Christian von Weizsäcker

Unniversität Bonn

Ein "Wissenschaftliches Institut für Kommunikationsdienste" gründete die Deutsche Bundespost (siehe Seite 1). Es soll Hilfen für die Unternehmenspolitik der Bundespost bieten. Anläßlich der Grundungsfeier sprach Professor Carl Christian von Weizsäcker, Uni Bonn, über "Die Kommunikationsdienste als Gegenstand ökonomischer Forschung".

Auszug:

Die Bundespost steht ständig vor dem grundsätzlichen Problem, zwischen den folgenden Alternativen zu entscheiden: Entweder kann sie versuchen, sich auf solche Märkte zu beschränken, in denen sie selbst als Monopolist auftritt. Oder sie kann auch im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, insbesondere privaten, kommerziell organisierten Unternehmen, ihre Dienstleistungen anbieten. Entscheidet sie sich für die reine Monopolstrategie, so gibt es wiederum zwei Moglichkeiten, entweder nämlich, sie zieht sich auf diejenigen Märkte zurück, die eindeutig die Eigenschaft haben, daß Wettbewerb auf ihnen nicht funktioniert, oder aber sie monopolisiert durch entsprechende gesetzliche und administrative Vorschriften auch andere Märkte, in denen an sich Wettbewerb denkbar wäre. Entscheidet sie sich dafür, auch Wettbewerb nicht zu scheuen, so muß sie weiter darüber entscheiden, in welchen Märkten sie selbst tätig sein will. Für den Fall, daß die Bundespost bereit ist, in Wettbewerb zu anderen Unternehmen zu treten, bedarf es eines Ordnungsrahmens für diesen Wettbewerb, der keine ganz triviale Sache ist, da die Bundespost als öffentliches Unternehmen in einer anderen Situation sich befindet als mit ihr konkurrierende private Unternehmen.

- Lassen Sie mich eine Reihe von Beispielen nennen, wo Wettbewerb zwischen der Bundespost und anderen Unternehmen denkbar ist oder heute schon stattfindet. Das erste Beispiel ist die Frage des Wettbewerbs im Telekommunikationsnetz. In den Vereinigten Staaten hat der vor einem knappen halben Jahr erreichte, wenn auch bisher noch nicht rechtskräftige, Vergleich im Antitrust-Prozeß zwischen der Regierung und dem Telefonunternehmen AT&T dazu geführt, daß man insbesondere im Fernnetz in der Zukunft weitgehend von Wettbewerbsverhältnissen ausgehen kann. Diese interessante Entwicklung, die sich seit langem angebahnt hat, mag zwar spezifisch amerikanisch sein und nicht ohne weiteres auf europäische Verhältnisse übertragen werden können, dennoch erscheint auch schon wegen der internationalen Aspekte der Telekommunikation es notwendig, die Frage des Wettbewerbs im Telekommunikationsnetz zu einem Forschungsthema in dem Institut zu machen.

- Das zweite Beispiel ist der wettbewerb im Endgerätebereich. Schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglicht die Post das Angebot durch private Anbieter von Nebenstellenanlagen und von anderen Endgeräten. Es handelte sich hier zwar in der Vergangenheit um einen sehr stark reglementierten Wettbewerb, aber die Tendenz zu einer Liberalisierung, insbesondere im Bereich der Zulassungspolitik, ist bei uns offensichtlich, und so handelt es sich bei den meisten Endgerätemärkten heute um Märkte, bei denen zumindest das Potential des Wettbewerbs allgemein anerkannt wird. In vielen dieser Märkte bietet nun die Bundespost ihrerseits Geräte in Konkurrenz mit anderen Unternehmen an. Dagegen ist Widerspruch laut geworden, so unter anderem von der Monopolkommission. Das Thema der Beteiligung der Bundespost am Endgerätemarkt ist seit einigen Jahren zu einem Dauerbrenner wirtschaftspolitischer Diskussion geworden und muß deshalb auch in dem genannten Institut in der einen oder anderen Form behandelt werden. Nach meiner eigenen wissenschaftlichen Einschätzung ist die Forderung eines totalen und grundsätzlichen Rückzugs der Bundespost aus dem Angebot von Endgeräten volkswirtschaftlich verfehlt.

- Es gibt eine Reihe von Dienstleistungen der Bundespost, die in einem Konkurrenzverhältnis zu Dienstleistungen des Bankensektors stehen. Zu denken ist hier zum Beispiel an den Zahlungsverkehr über Postgirokonten. Damit entsteht die Frage einer geeigneten Abgrenzung zwischen solchen Bankfunktionen, in denen die Post einen eigenen volkswirtschaftlich produktiven Beitrag leisten kann und solchen Bankfunktionen, in denen das wahrscheinlich nicht der Fall ist und in denen deswegen eine Tatigkeit der Bundespost nicht sinnvon ist. Auch hier scheint mir aber wegen der damit verbundenen volkswirtschaftlichen Vorteile eine Teilnahme der Bundespost am Wettbewerb partiell durchaus gerechtfertigt.

- Die volkswirtschaftliche Theorie bietet eine Reihe von Analyseinstrumenten, die bisher nicht hinreichend ausgeschöpft worden sind. Insbesondere hat die Produktionstheorie Begiffe wie Verbundvorteile und Größenvorteile nicht nur entwickelt, sondern auch im Prinzip quantifizierbar gemacht, und im Zusammenhaus damit hat die Wettbewerbstheorie ein besseres Verständnis des Wettbewerbsprozess entwickelt, so daß die Nutzung des Wettbewerbs auch fur öffentliche Unternehmen möglich wird, insbesondere wenn es um die Durchsetzung von Innovation geht. In den Vereinigten Staaten hat in den vergangenen fünf Jahren eine intensive Diskussion über den Begriff des Verdrängungswettbewerb (predatory pricing) stattgefunden und eine Reihe von vorher unklaren Fragen geklärt, und man kann optimistisch sein, daß hier in der nahen Zukunft weitere Fortschritte gemacht werden.