Es mangelt an Software für Datenverwaltung

Die Büroautomation steckt noch in den Kinderschuhen

24.07.1992

Ein Top-Informationsträger in den meisten Unternehmen ist nach wie vor das Papier. Obwohl die Hardwarevoraussetzungen in Form von unterschiedlichen physikalischen Speichermedien längst vorhanden sind, wirft die Informationsverarbeitung auf Büroebene noch Probleme auf. Ein Mangel an Softwareprodukten zur Verwaltung multimedialer Informationen sind nach Ansicht von Rolf Lauser die Ursache.

Jede Büroarbeit ist im Kern immer auch Informationsverarbeitung. Dies gilt nicht nur für die eher kreativen oder planerischen Bürotätigkeiten, sondern gleichermaßen für die quasi-mechanischen Arbeiten.

Unter Informationsverarbeitung läßt sich daher alles fassen, was mit dem Umformen, Ordnen und Verknüpfen von Informationen zu tun hat, gleichgültig in welcher Form diese codiert oder in welcher Art sie dargestellt sind.

Die Datenverarbeitung dagegen ist eine Untermenge der Informationsverarbeitung. Darunter läßt sich das Handling von Informationen verstehen, die in strukturierter und binär-codierter Form vorliegen. Daten sind, daher Informationen, die in einer solchen Art codiert sind, daß sie eine Verarbeitung auf Digitalrechnern erlauben.

DV Werkzeuge bewirken nur Teilautomatisierung

Aufgrund dieser Definition läßt sich sagen, daß die Datenverarbeitung nur einen Teil der Informationsverarbeitung einer Organisation abdeckt. Dabei ist völlig gleichgültig, ob sie auf einer Host-Umgebung mittels Terminals im Transaktionsbetrieb abläuft oder ob sie von einer Client-Server-Architektur getragen wird.

Ungeachtet der riesigen Datenmenge, die heute binär-codiert und zu Datensätzen und Dateien strukturiert auf Magnetspeichern verwaltet wird, muß festgestellt werden: Der weitaus größte Teil der in Unternehmen oder Organisationen vorhandenen und verwalteten Informationen wird noch immer auf dem Informationsträger Papier - in Form von Dokumenten - festgehalten.

Die Werkzeuge der Datenverarbeitung bewirken bei den Unternehmen also nur eine Teilautomatisierung im Bereich der Informationsverarbeitung. Der weitaus größte Teil der Bürotätigkeiten (Informationsverarbeitung) wird trotz DV-Einsatz noch immer ohne maschinelle Unterstützung durchgeführt.

Eine wirkliche Automatisierung der Informationsverarbeitung erfordert aber, daß sämtliche Informationen, die in einer Organisation vorhanden sind, hard- und softwareseitig verarbeitet werden. Das gilt sowohl, für ihre Verwaltung als auch für das Wiederauffinden von Information. Es darf also nicht nur - wie dies bisher in der Regel der

Fall ist - ausschließlich die Verwaltung der strukturierten und binär-codierten Informationen (Daten) maschinell unterstützt werden.

Vielmehr sind auch die Informationen, die als reine Textdokumente oder auch als zusammengesetzte Dokumente (Compound-Documents) vorliegen und die einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Informationsbasis eines jeden Unternehmens darstellen, maschinell und werkzeugmäßig zu unterstützen .

Dieses Postulat der Automatisierung der gesamten Informations- und nicht nur der Datenverarbeitung kann mit der Forderung nach einem Integrationskonzept für die Informationsverarbeitung gleichgesetzt werden.

Im Bereich der operativen Datenverarbeitung ist diese Integrationsforderung längst voll akzeptiert. Inzwischen ist bereits eine ganze Reihe von Integrationskonzepten und sogar von einsetzbaren integrierten Softwareprodukten verfügbar. Bei der allgemeinen Informationsverarbeitung, zu der hier sowohl die Bürosysteme als auch die Archivierung gezählt werden, arbeiten die Unternehmen dagegen noch sehr viel mit Insellösungen oder mit Systemen, die nur zum Teil verknüpft sind.

Während die operative Datenverarbeitung auf eine relativ lange Geschichte zurückblicken kann, ist die Automatisierungsstufe im Bürobereich aufgrund der noch kurzen Geschichte relativ gering. Auch in der operativen Datenverarbeitung sind die Integrationskonzepte erst nach und nach entstanden. Genau diese Entwicklung von Inselsystemen zu integrierten Lösungen muß auch bei den Bürosystemen mit ihren unterschiedlichen Submodulen eintreten.

Datenwiedergewinnung ist heute kein Problem

Die Gesamtmenge aller bei der Informationsverarbeitung eines Unternehmens relevanten Informationen kann wie folgt kategorisiert werden:

- strukturierte, binär-codierte Informationen (Daten);

- nichtstrukturierte Textdokumente und

- uncodierte Daten, wie Bilder oder Grafiken.

Neben dieser Einteilung nach den Arten der Information gibt es noch ein zweites Unterscheidungsmerkmal, der Entstehungsort von Informationen. Danach werden Informationen entweder organisationsintern erzeugt oder von externen Kommunikationspartnern zugeliefert. Die Struktur der zu verarbeitenden Informationen stellt deshalb ein zweidimensionales Problem dar (siehe Abbildung).

Von der Technik her gesehen ist die Forschung heute am weitesten bei der Verwaltung und der Wiedergewinnung von strukturierten, binär-codierten Informationen (Daten). Hierfür sind leistungsfähige physikalische Speicher und die entsprechenden Softwareprodukte (Datenbankverwaltungs-Systeme) verfügbar. Dabei spielt auch keine Rolle, ob diese Daten organisationsintern oder -extern entstehen.

Schwierigkeiten macht die Organisation

Vernetzungstopologien und Kommunikationsprotokolle erlauben eine quasi uneingeschränkte Datenkommunikation und damit eine Speicher-zu-Speicher-Kommunikation.

Die heute gebräuchliche Datenverarbeitung, mit ihren leistungsfähigen Magnetspeicher-Medien und ihren Datenverwaltungs- und Wiedergewinnungs-Werkzeugen ist seit Jahren erprobt.

Auch nicht-strukturierte Texte lassen sich inzwischen voll DV-gestützt erstellen, verwalten und wiedergewinnen. Probleme entstehen dabei weniger im Hardware- beziehungsweise Softwarebereich als vielmehr bei der Organisation. Vor allem die Strukturierung der Abspeicherungs- und damit der Wiedergewinnungswege macht Schwierigkeiten. Abhilfe sollen hier der elektronische Aktenplan, die Verschlagwortung von Suchbegriffen oder die Thesaurierung schaffen. Diese internen Texte sind zwar keine strukturierten Daten, sie sind aber trotzdem maschinenverarbeitbar codiert und somit auf herkömmlichen Magnetspeichern verwaltbar.

Externe Daten sind nur schwer einzubringen

Extern entstandene Texte lassen sich in der Regel nur dann problemlos verwalten, wenn sie über elektronische Kommunikationswege (elektronische Post oder Dokumentenaustausch) Eingang in den Informationsverarbeitungs-Prozeß finden. Text-Dokumente die über andere Medien Eingang in diesen Prozeß finden, zum Beispiel per Telefax oder durch die gelbe Post, stellen hingegen einen Medienbruch dar und machen die Informationsverarbeitung komplizierter.

Für die Behandlung dieser Informationen gibt es zwei unterschiedliche Strategien: Einerseits können die Medienbrüche hingenommen und die Dokumente in dem vorliegenden Medium (Papier) archiviert werden. Dieses Vorgehen hat erhebliche Auswirkungen: Die Archivbestände nehmen zu, die Informationen müssen rein manuell verwaltet werden, die Vollständigkeit und Aktualität der Informationen gerät in Gefahr und die Geschwindigkeit, mit der auf abgespeicherte Informationen zugegriffen werden kann, ist Schwankungen unterworfen.

Andererseits ist die mediale Veränderung dieser Informationen durch das Scannen und die elektronisch gestützte Abspeicherung der Texte als Faksimiles möglich. Dieser Weg verzögert aber den zeitlichen Eingang der Informationen, die zunächst gescannt werden müssen. Außerdem ist eine entsprechende Hardware- und Softwarelösung notwendig. Magnetspeicher sind aber für eine Faksimile-Speicherung ungeeignet, da im Vergleich zu einer binärcodierten Ablage der gleichen Informationsmenge eine etwa zwanzigfache Speicherkapazität erforderlich ist.

Für Bilder und Grafiken gelten die gleichen Feststellungen wie für Texte. Erschwerend kommt hier allerdings hinzu daß der hohe Speicherbedarf auch für intern erzeugte Grafiken besteht. Eine Ausnahme stellen solche Grafiken dar, die mit Hilfe von Vektorgrafik-Anwendungen erzeugt wurde.

Informationen, die nicht als Daten beziehungsweise als codierte Texte vorliegen, sind also für die Ablage auf magnetischen Speichermedien nur bedingt geeignet. Zwar bieten diese Speichermedien eine sehr schnelle Zugriffsmöglichkeit, ihre Speicherkapazität im Faksimile-Bereich ist jedoch stark begrenzt.

Für Abhilfe könnten optische Speicherplatten sorgen, vor allem in der WORM-Ausführung, die zwar eine längere Zugriffszeit benötigen, deren Speicherkapazität aber größer ist. Zudem sind die Speicherkosten pro Megabyte deutlich günstiger als bei magnetischen Speichermedien.

Medienbrüche sind kaum zu vermeiden

Im Unternehmensalltag ist aber der Informationsverarbeitungs-Prozeß nicht auf eine einzelne Informationskategorie beschränkt. Vielmehr werden einzelne Geschäftsvorgänge immer durch sogenannte multimediale Informationen, das heißt durch Informationen, die sich aus Teilen unterschiedlicher Kategorien zusammensetzen, beschrieben.

Etwa 80 Prozent aller Informationsverarbeitungs-Prozesse werden auf der Basis von multimedialen Informationen durchgeführt. Das heißt, von den einzelnen Arbeitsplätzen aus muß eine Zugriffsmöglichkeit auf die unterschiedlichsten Informationskategorien bestehen, von denen jede einzelne eine Facette des gesamten Informationsverarbeitungs-Prozesses beschreibt.

Nur wenn diese multimediale Informationen den Sachbearbeitern unter einheitlichen Suchbegriffen und Wiedergewinnungsroutinen zur Verfügung stehen, ist eine ganzheitliche Informationsverarbeitung ohne Medienbrüche möglich. Der Anwender muß dabei mit einer einheitlichen Such- und Verwaltungsoberfläche arbeiten können, die es ihm erlaubt, auf alle Informationen, die einen Geschäftsvorfall beschreiben, zugreifen zu können. Demnach müssen die Vorgänge, die gleichermaßen durch codierte Daten und Texte sowie durch Faksimiles beschrieben sind, über geeignete Softwarewerkzeuge zu einem Ganzen zusammengeführt werden.

Die hardwaremäßige Realisierung dieser Forderung ist heute weitgehend unproblematisch. Für Daten beziehungsweise intern erstellte Texte und Grafiken gibt es leistungsfähige Magnetspeicher, die einen schnellen Zugriff und Änderungsmöglichkeiten bieten. Dies ist für die Informationen, die dauernd verändert oder fortgeschrieben werden müssen, eine grundlegende Bedingung.

Für extern erstellte Texte oder Grafiken, die durch das Scannen einer elektronischen Speicherung zugänglich gemacht werden und auch für interne Informationen, die keiner Änderung mehr unterliegen eignen sich aus Kapazitäts- und Speicherkostengründen die optischen Speichermedien.

Von der Hardwareseite her ist es heute unproblematisch, Informationen, die einen Geschäftsvorfall beschreiben, entweder auf heterogenen oder auf einem homogenen Speichermedium physikalisch zu verwalten. Die eigentliche Schwierigkeit einer integrierten Informationsverarbeitung liegt in der Software für die Verwaltung und Wiedergewinnung der multimedialen Informationen, die in verschiedenen Formaten auf unterschiedlichen physikalischen Speichern mit deren jeweiliger Speicherorganisationsform abgelegt sind.

Softwareprodukte, die hierfür geeignet sind, müssen neben der funktionalen Komplexität auch eine komfortabel bedienbare Benutzeroberfläche aufweisen, denn nur so läßt sich die komplexe Funktionalität auch wirklich nutzen.

Abschließend kann deshalb festgestellt werden: Eine ganzheitliche Geschäftsvorfall-bezogene Informationsverarbeitung stellt heute kein Hardware-, sondern allein ein Softwareproblem dar. Bevor keine geeigneten und leistungsfähigen Verwaltungs- und Wiedergewinnungssysteme verfügbar sind, wird ein praktischer Einsatz der vorhandenen Hardware nur in einem beschränkten und nichtintegrierten Umfang möglich sein.