Umsatzwarnung, Verlust im zweiten Quartal 2002

Die Branchenkrise hat jetzt auch SAP erfasst

19.07.2002
MÜNCHEN (CW) - Die SAP AG hat ihre Umsatzprognose für das Jahr 2002 revidiert und ein negatives Ergebnis für das zweite Geschäftsquartal angekündigt.

Lange war die Umsatzwarnung von den Märkten erwartet worden, lange hatten die Walldorfer dem Druck widerstanden. Am 11. Juli war es dann doch so weit: SAP nahm die Umsatzprognose für 2002 zurück und teilte mit, die Einnahmen im zweiten Quartal seien um vier Prozent auf 1,77 Milliarden Euro gesunken, ein Konzernverlust von 235 Millionen Euro werde erwartet.

Schuld am Defizit sind im wesentlichen Wertberichtigungen auf Beteiligungen an Unternehmen, die mit insgesamt 414 Millionen Euro ins Gewicht fallen. Insbesondere der 20-prozentige Anteil am schwer angeschlagenen US-amerikanischen E-Procurement-Spezialisten Commerce One hat SAP mit einer Abwertung von 318 Millionen Euro erneut die Bilanz verhagelt. Die Belastungen seien nicht wiederkehrend und nicht zahlungswirksam, beruhigte der SAP-Vorstand die Investoren. Die Partnerschaft bleibe bestehen.

SAP verbuchte ein um 23 Prozent auf 326 Millionen Euro zurückgegangenes operatives Ergebnis (ohne Sonderaufwendungen für Aktienoptionsprogramme und Zukäufe). Doch das war nicht die Zahl, die den 14-prozentigen Kurseinbruch an der Börse auslöste. Die Anleger zeigten sich vielmehr schockiert von der Tatsache, dass die Lizenzeinnahmen um 23 Prozent auf 496 Millionen Euro fielen und der SAP-Vorstand das Umsatzziel für das gesamte Geschäftsjahr senkte. Statt eines 15-prozentigen Anstiegs werde jetzt nur noch ein Einnahmenplus von fünf bis zehn Prozent erwartet - die höhere Zahl sei nur bei einem "leicht positiven Marktumfeld" erreichbar, hieß es. Die meisten Analysten glauben jedoch nicht daran, sie erwarten allenfalls einen stagnierenden oder nur noch um wenige Prozentpunkte wachsenden Umsatz.

Vorstandssprecher Hasso Plattner kündigte in einer Telefonkonferenz drastische Sparmaßnahmen an, die vor allem das Marketing und die Fremdvergabe von Aufträgen betreffen sollen. Entlassungen seien nicht geplant, ein Einstellungsstopp sei jedoch unumgänglich. Henning Kagermann, neben Plattner zweiter Vorstandsvorsitzender, machte schwache Geschäfte in Europa und Japan für den Einbruch verantwortlich. Zwar gebe es ähnlich viele Aufträge wie im Vorjahr, doch sei deren Wert im Durchschnitt gesunken.

SAPs Warnung kam nicht überraschend. Nahezu alle großen Softwareunternehmen sind in den vergangenen Wochen mit ihren Prognosen zurückgerudert. Fast zeitgleich mit der SAP-Spitze hatte Oracles Finanzchef Jeffrey Henley erklärt, die Geschäfte in einigen Teilen Europas verschlechterten sich weiter, in den USA hingegen sei die Talsohle erreicht. In den nächsten sechs Monaten werde sich die Situation aber kaum bessern.

Oracle werde im laufenden Quartal einen um 15 bis 25 Prozent geringeren Lizenzumsatz verbuchen als im Vergleichszeitraum 2001. Die verstärkte Konzentration auf mittelständische Kunden soll die Probleme lindern.

Der Markt für Unternehmenssoftware steckt damit definitiv in einer ähnlich tiefen Krise wie bisher bereits Hardware-, Telekommunikations- und IT-Service-Märkte. Eine Erhebung von Goldman Sachs & Co. dokumentiert das verhaltene Investitionsinteresse seitens der Anwender. Von 100 IT-Verantwortlichen aus Großkonzernen plant demnach mehr als die Hälfte, das ursprünglich kalkulierte IT-Budget nicht voll auszuschöpfen. Viele wollen die Ausgaben in diesem Jahr senken.

Laut Goldman Sachs haben sich die Marktbedingungen in den letzten beiden Monaten noch einmal deutlich verschlechtert. Immerhin 34 Prozent der Befragten planten nicht, vor 2004 zu "normalen IT-Investitionsmustern" zurückzukehren. Die Investment-Banker hatten die Frage in diesem Jahr schon zweimal gestellt und waren dabei auf Werte von zunächst 17 Prozent, dann 26 Prozent gekommen. (hv)

Neue Spielregeln?

Die Analysten der Aberdeen Group prophezeien gravierende Strukturveränderungen im Markt für Anwendungssoftware, die Unternehmen wie SAP, Siebel oder Peoplesoft empfindlich treffen könnten. Der Trend zu Web-Services und damit einhergehenden Standards erlaube es Lösungsanbietern, stark modularisierte Spezialprodukte in bestehende ERP- und CRM-Landschaften hineinzuverkaufen.

Best-of-Breed-Lösungen setzen sich laut Aberdeen Group durch, die in vielfältigen Facetten auftauchen und das Bild des Marktes verändern werden. Gleichzeitig gehöre flexiblen Tools für das Geschäftsprozessdesign die Zukunft, mit denen sich Abläufe innerhalb und zwischen Unternehmen ohne größere Programmierkenntnisse gestalten lassen.

Für die Anbieter der großen Suites werde es künftig darauf ankommen, standardisierte Softwareplattformen mit möglichst einfachen Integrationsmechanismen anzubieten. Um ihr Umsatzniveau halten zu können, müssten sie zudem in der Lage sein, möglichst viele der verlangten Anwendungskomponenten selbst zu schreiben und zu vermarkten.