Worauf Investoren Wert legen

„Die besten Unternehmer vereinen widersprüchliche Kompetenzen“

10.10.2016
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Bevor sich eine Investmentgesellschaft in einem Unternehmen engagiert, sieht es sich auch das Profil der Geschäftsführer sehr genau an, wie Sven Oleownik, Partner und Head of Germany der Investmentgesellschaft Gimv, im CW-Gespräch verrät.
  • Sven Oleownik, Partner und Head of Germany der Investmentgesellschaft Gimv erklärt, worauf Investoren bei Unternehmen achten
  • Die besten Unternehmer sind diejenigen, die viele zunächst widersprüchliche Kompetenzen vereinen können
  • Mit den Herausforderungen Digitalisierung und Industrie 4.0 geht es nicht mehr alleine um Innovationen im eigenen Umkreis, sondern um die Integration völlig unterschiedlicher Kompetenzen

CW: Welche Bedeutung hat das Management für Ihren Einstieg in ein Unternehmen und ist dies unabhängig von der jeweiligen Unternehmensphase?

SVEN OLEOWNIK: Den handelnden Personen kommt eine ganz zentrale Bedeutung zu; denn wirtschaftliches Handeln ist von Menschen für Menschen gemacht. Jeder Business Plan und jeder Erfolg ist auf die handelnden Personen zurück zu führen; schließlich wird jeder Vertrag, den man vereinbart, von Menschen unterschrieben, die sich auf eine gemeinsame Basis verständigen konnten. Dies ist unabhängig von der Unternehmensphase.

Sven Oloewnik, Partner und Head of Germany bei Gimv, investiert "nur in Unternehmen, die das Potenzial haben, stärker als der Markt zu wachsen."
Sven Oloewnik, Partner und Head of Germany bei Gimv, investiert "nur in Unternehmen, die das Potenzial haben, stärker als der Markt zu wachsen."
Foto: Gimv

CW: Gehen Sie auch soweit, dass Sie sich die Lebensläufe anschauen?

SVEN OLEOWNIK: Natürlich geht es uns auch um das Können und das Wollen der Menschen, in die wir investieren. Daher sehen wir uns die Lebensläufe an, aber nicht im technischen Sinne, sondern wir wollen den Menschen dahinter verstehen. Wir suchen schließlich niemanden für eine klassische Konzernkarriere, sondern unternehmerische Partner. Herausragende fachliche Kompetenz ist eine notwendige aber keine hinreichende Voraussetzung. Die besten Unternehmer sind diejenigen, die viele zunächst widersprüchliche Kompetenzen vereinen können und deren Motivation nicht ausschließlich vom materiellen Erfolg abhängt.

CW: Was treibt einen Unternehmer an?

SVEN OLEOWNIK: Natürlich ist materieller Erfolg wichtig, aber in erster Linie hat er demotivierende Wirkung, wenn er ausbleibt. Insofern muss man hier eine Lösung finden, die fair und an der tatsächlichen Leistung gemessen ist. Die berühmte "Extra-Meile", auf die es letztlich ankommt, insbesondere wenn es mal schwierigere Phasen zu meistern gibt, gehen echte Unternehmer nicht, weil man ihnen eine Karotte vor die Nase hält, sondern weil sie intrinsisch angetrieben sind. Dieses Vorbild wirkt integrierend und motivierend auf die Mitarbeiter. Daher sind für uns auch die Motive, Werte sowie das Verhalten der handelnden Personen von zentraler Bedeutung.

CW: Was imponiert Ihnen am Management, was am Team am meisten? Was also sind die für Sie überzeugenden Kompetenzen?

SVEN OLEOWNIK: Ein herausragendes Management findet eine Lösung für das tägliche Dilemma: Auf der einen Seite muss es führen, vorgeben und anleiten sowie integrieren. Andererseits muss es akzeptieren, dass es nicht allwissend ist. Am meisten imponieren mir Manager, die ihre Stärken und Schwächen erkennen und Menschen erfolgreich in ihr Team integrieren, welche die eigenen Schwächen kompensieren; und dies ohne Angst zu haben, dass damit ihre eigene Position erodiert. Letztlich sind es Manager, die sich selbst nicht so wichtig nehmen und ihren Mitarbeitern Raum und gleichzeitig Orientierung geben, ihre Kompetenzen voll zu entfalten. Und folglich imponiert mir ein Team dann, wenn es diese Chance erkennt und auch beim Schopf packt.

CW: Hätten Sie ein Beispiel parat?

SVEN OLEOWNIK: Mir fällt ein Unternehmen ein, das global führend sehr anspruchsvolle Sprach- und Datenkommunikationssysteme im sicherheitsrelevanten Umfeld entwickelt und installiert. Dieses Unternehmen kann sich mit seinen Lösungen keine Fehler leisten, da diese Menschenleben gefährden würden. Aus diesem Grund wurde "non-punishing management culture" eingeführt und gelebt, in der jeder aufgefordert wird, kontinuierlich nach eigenen Fehlern zu suchen und diese aufzudecken; auch wenn es aufgrund eines späten Zeitpunktes kostspielig wird. Täglich wird vorgelebt, dass Mitarbeiter nichts zu befürchten haben; diese Kultur lässt sich im gesamten Unternehmen, ja sogar bereits am Werkstor spüren. Dieser Spirit verhalf dem Unternehmen bereits vor Jahren zu globaler Technologie- und Serviceführerschaft mit entsprechend hohen Marktanteilen, Umsatzzuwächsen und Margen - in meinem bisherigen Arbeitsleben sind dies die fast prägnantesten Erfahrungen.

Ein Unternehmer muss ein klar fundiertes Geschäftskonzept mitbringen

CW: Was muss ein Unternehmer oder auch Gründer mitbringen, um auch die Wachstumsphase, etwa nach Ihrem Einstieg, mitzugestalten?

SVEN OLEOWNIK: Er muss ein analytisch klar fundiertes, skalierbares und bereits in den wesentlichen technischen und marktseitigen Eckpunkten bewiesenes Geschäftskonzept mitbringen, welches er mit den soeben beschriebenen Kompetenzen des idealen Managers voran treiben will. Zudem muss er offen für einen ebenso anspruchsvollen wie auch unternehmerischen Partner sein, der für sich selbst die gleichen Maßstäbe ansetzt.

CW: Die heutige große Herausforderung vieler mittelständischer Unternehmen heißt Digitalisierung und Industrie 4.0. Was für ein Skill-Set braucht die Führungsmannschaft bei Ihren Portfolio-Unternehmen, um die Digitalisierung zu meistern?

SVEN OLEOWNIK: Die Herausforderungen sind in der Tat enorm und wahrscheinlich größer als in der Vergangenheit. Denn es geht nicht mehr alleine um Innovationen im eigenen Umkreis, die schon anspruchsvoll genug wären, sondern um die Integration völlig unterschiedlicher Kompetenzen. Das gilt übrigens nicht nur im technischen Sinne, sondern auch im strategischen und organisatorischen bis hin zur Entwicklung und Durchsetzung neuer Geschäftsmodelle. Vielleicht kann man dies am deutlichsten an der deutschen Automobilindustrie illustrieren, die auf Hersteller- und Zulieferer-Seite einen riesigen Umbruch erlebt. Dies betrifft einerseits den Antrieb ab oberer Mittelklasse und wird bis dato nur in Nischen ohne signifikantes Volumen sichtbar. Es wird noch dauern, bis Tesla bei aller Innovation ein hochwertig verarbeitetes Fahrzeug bauen kann, das in den Volumenmärkten akzeptiert wird und bezahlbar ist. Dennoch haben sich schon die ersten gefragt, wann Apple oder Google mit voller Kasse einen Automobilhersteller kauft; denn selbst die Großen wie Volkswagen oder Mercedes sind buchstäblich aus der Kasse finanzierbar. Auch sind bereits die ersten Manager aufgeschreckt aus China zurückgekommen, als sie gesehen haben, wie viele noch nie vorher gesehene Hersteller Mittelklassefahrzeuge mit E-Antrieb auf den Markt gebracht haben.

CW: Was passiert also, wenn sich im weitesten Sinne Metallverarbeiter mit IT-Unternehmen verbinden und völlig neue Wettbewerber entstehen - und diese nicht über Auslastung von Gießereien oder Dreh- und Fräskapazitäten mit entsprechendem Fixkostendruck nachdenken müssen?

SVEN OLEOWNIK: Es wird völlig neue Angebote geben, die zudem auf derzeit neu entstehende Verkehrskonzepte und Konsumentenanforderungen treffen. Wenn der klassische Verbrennungsmotor und das dahinter notwendige Getriebe in den nächsten Jahren immer weniger gefragt sind und sich Lösungen wie Automated Parking and Drive oder Car-Sharing, um nur einige Bespiele zu nennen, zunehmend durchsetzen, dann werden sich immense Veränderungen, aber auch Chancen in unseren wichtigsten Branchen in Deutschland ergeben. Diese Marktentwicklungen haben für zahlreiche Unternehmen enorme Veränderungen zur Folge, hinsichtlich benötigter Kompetenzen, Kapazitäten, Organisation, Kultur und schließlich auch finanzieller Schlagkraft. Dafür den entsprechenden Wahrnehmungsradar zu haben, gilt als einer der wichtigsten Skills einer kompetenten Führungsmannschaft.

"Wir sollten rechtzeitig miteinander sprechen"

CW: Gibt es Unternehmensphasen, in denen es besonders sinnvoll für Unternehmer wäre, mit Ihnen in Kontakt zu treten?

SVEN OLEOWNIK: Zunächst gilt, dass wir rechtzeitig miteinander sprechen sollten. Dabei geht es darum, mit ausreichend Zeit und vorausschauend Optionen zu evaluieren und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Da wir keine limitierenden Fondstrukturen haben, sondern eigenes Kapital von unserer Bilanz zur Verfügung stellen, sind wir hinsichtlich unserer strukturellen Möglichkeiten, Mehr- oder Minderheitsbeteiligungen und Haltedauern flexibel. Wir legen Wert darauf, so viel Zeit wie möglich mit dem Unternehmer und dem Management zu verbringen, um die Ziele auf Unternehmens- und Unternehmerebene genau zu verstehen. Unsere Erfahrung zeigt uns, dass es sich für alle Beteiligten lohnt, in solch vorbereitende Diskussionen zu investieren, sich genau kennen zu lernen und gemeinsame Möglichkeiten zu entwickeln. Ein Beispiel: Ein Unternehmer möchte sein Unternehmen weiter voranbringen. Dazu muss er z.B. in neue Entwicklungen, die weitere Internationalisierung, Mitarbeiter und/oder vielleicht sogar eine Übernahme investieren. Grundsätzlich reicht dies aus, um mit uns zu sprechen. Darüber hinaus muss der Unternehmer gleichzeitig unterschiedliche Interessen der Gesellschafter unter einen Hut bringen - Gewinne thesaurieren und investieren oder ausschütten? Oder lieber gleich den einen oder anderen Gesellschafter heraus kaufen, um unternehmerisch voran zu kommen? Last but not least will der Unternehmer meist auch irgendwann das eigene private Vermögen absichern bzw. diversifizieren. Dies bedeutet, Wege zu finden, um aus Bürgschaften raus zu kommen oder Gesellschafterdarlehen zurück zu bekommen; kurz gesagt Kapital hinter die "Brandmauer" zu bekommen anstatt sich noch weiter zu exponieren. Und in einigen Fällen geht es auch darum, die mit der weiteren Unternehmensentwicklung verbundenen Chancen und Risiken auf einen geeigneten Gesellschafterkreis zu verteilen. In solchen Situationen führen wir eine Reihe vertrauensvoller Gespräche mit Unternehmern oder auch Managern, die das Unternehmen oder den Bereich, für den sie arbeiten, übernehmen und in eine stabile Zukunft führen möchten.

Sven Oleownik…

…verantwortet das Deutschland-Geschäft der Investmentgesellschaft Gimv seit seinem Einstieg im Jahr 2015 als Partner und Head of Germany. Davor leitete er als Managing Partner zwölf Jahre den Bereich Corporate Finance Advisory bei Deloitte in Deutschland. Zuvor war Oleownik als Partner in einer Unternehmensberatung sowie in einer mittelständischen Beteiligungsgesellschaft tätig.

Die Investmentgesellschaft Gimv achtet nach eigenen Angaben bei ihren Portfolio-Unternehmen aus dem Technologiesektor vor allem auf zwei Dinge: Was verspricht die vom potenziellen Unternehmen hervorgebrachte Technologie oder auch Dienstleistung für die Zukunft, und gibt es gesellschaftliche Entwicklungen, die Bedarf an diesem Versprechen signalisieren. Zudem eruiert Gimv inwieweit es in die Rolle des Sparringpartners vom Management einsteigen, also sinnvolles Know-how, förderlichen Netzwerkzugang sowie sonstigen Support beisteuern kann.

Die Bewertungskriterien

"Wir investieren nur in Unternehmen, die das Potenzial haben, stärker als der Markt zu wachsen. Dazu setzen wir zunächst auf Trends, die dieses Wachstum grundsätzlich fördern - oder fordern. Dazu gehören natürlich auch Entwicklungen wie Digitalisierung, Industrie 4.0, zunehmende Urbanisierung, veränderte Konsum- und Einkaufsgewohnheiten, eine älter werdende Gesellschaft etc."