Die besten ESB-Produkte für die SOA

27.07.2006
Der Enterprise Service Bus (ESB) bildet das Herzstück vieler SOA-Installationen. Forrester Research bewertet das Portfolio der führenden Anbieter.
Forrester bewertet die Hersteller von ESB-Produkten nach den Kriterien Angebot, Strategie und Marktpräsenz.
Forrester bewertet die Hersteller von ESB-Produkten nach den Kriterien Angebot, Strategie und Marktpräsenz.

Rund 67 Prozent der Unternehmen mit mehr als 40000 Mitarbeitern implementieren noch in diesem Jahr eine Service-orientierte Architektur (SOA). Das prognostiziert die US-amerikanische Marktforschungs- und Beratungsfirma Forrester Research. Glaubt man den Experten, so steht auch für 44 Prozent der kleinen und mittleren Betriebe eine SOA-Einführung ganz oben auf der Prioritätenliste. Diese Entwicklung treibt den schnell wachsenden Markt für ESB-Produkte, argumentieren die Forrester-Analysten Ken Vollmer und Mike Gilpin in der Studie "The Forrester Wave: Enterprise Service Bus, Q2, 2006".

ESB-Komponenten

• Kommunikations-Infrastruktur für Services;

• Routing von Serviceanfragen und Auflösung von Versionskonflikten;

• Datentransformation und -Mapping;

• Service-Orchestrierung und -aggregation, Prozessmanagement;

• Transaction Management;

• Sicherheit;

• Quality of Service, SLAs;

• Service-Registry und Metadatenverwaltung;

• Erweiterbarkeit von Service-Messages (semantisches Mapping);

• Monitoring und Management;

• Unterstützung des Service-Lifecycle.

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Fazit

Die sechs führenden Anbieter von ESB-Produkten liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit leichten Vorteilen für Cape Clear Software und Bea Systems. Etwas zurück fallen die kleineren Hersteller Fiorano und Polar Lake. Für Cape Clear spricht vor allem die umfassende Unterstützung von Web-Services-Standards und Kommunikationsprotokollen. Das Bea-Angebot ist nach dem Urteil der Forrester-Analysten insbesondere für Highend-Kunden interessant. Für die Software AG spricht das kombinierte Registry- und Repository-System Centrasite. IBM besticht durch die Funk- tionsfülle, was sich allerdings in hohen Preisen und einer großen Komplexität der Produkte widerspiegelt. Last, but not least hat sich der irische Spezialanbieter Iona mit seinem ausgereiften Produkt Artix eine Nische im Highend erarbeitet.

Nach ihrer Einschätzung bieten ESBs den effektivsten und direktesten Weg, die für SOA benötigte Integrationsschicht einzuziehen. ESBs seien zudem kostengünstiger zu beschaffen als ähnlich ausgerichtete Lösungen, darunter etwa BPM-Suites (BPM = Business Process Management) mit umfangreichen Integrationsfunktionen.

Forrester spricht in diesem Zusammenhang von Integration-centric BPM-Suites (IC-BPMS), wie sie etwa Tibco anbiete. ESB-Produkte kosteten typischerweise zwischen 10000 und 75000 Dollar pro Server, weniger als die Hälfte dessen, was Kunden für komplette BPM-Suites ausgeben müssten. Zwar böten Letztere einen breiteren Funktionsumfang, für die meisten SOA-Projekte aber reichten die ESB-Features völlig aus.

Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff ESB? Die Analysten verstehen darunter Infrastruktursoftware, die Benutzern, Anwendungen und Geschäftsprozessen wiederverwendbare Business-Services zur Verfügung stellt. Services können wiederum andere Services in Anspruch nehmen. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müssen ESBs eine Reihe von Funktionen und Techniken beherrschen.

ESB-Funktionen

Zu den typischen Bestandteilen zählen die Marktforscher unter anderem Kommunikations-, Routing- und Datentransformationsdienste (siehe Kasten"ESB-Komponenten"). Hinzu kommen Funktionen für die Zusammensetzung einzelner Services zu Composite Applications sowie die Unterstützung von Security Policies, Transaktionsverarbeitung und Verwaltung über eine Service-Registry.

Vor diesem Hintergrund unterteilt Forrester die Anbieterlandschaft in drei Gruppen: Startup-Unternehmen, die sich auf das Segment ESB spezialisiert haben, Hersteller von Integrationssoftware und Plattformanbieter. Zu letzterer Gruppe zählen die Studienautoren Bea Systems, IBM, Microsoft, Oracle, SAP, die Software AG und Sun. In den meisten Fällen integrieren diese Hersteller ESB-Technik in ihre breiter angelegten Portfolios und werden deshalb im Forrester-Vergleich nicht berücksichtigt. Bea und IBM bilden mit ihren Stand-alone-ESB-Produkten die Ausnahmen.

Herstellerauswahl

Ähnlich verfahren die Analysten mit den Integrationsanbietern: Sie haben ihre Wurzeln im Marktsegment Enterprise Application Integration (EAI) und offerieren in der Forrester-Diktion mittlerweile umfangreiche IC-BPMS. So bauen etwa Tibco, Vitria und Webmethods ESB-Features in ihre Suites ein. Andere Integrationsspezialisten hingegen führen eigenständige ESB-Produkte im Portfolio und schafften es deshalb in den Vergleich: Die Progress-Tochter Sonic Software gehört zu dieser Gruppe, ebenso Fiorano, Iona und die Software AG.

Spezialanbieter

Hinzu kommen mit Cape Clear und Polar Lake zwei Spezialisten, die den Integrationsmarkt von Anfang an ausschließlich mit ESBs bedienten. Deren Produkte kosteten typischerweise am wenigsten, erläutern die Autoren; zugleich wiesen sie die geringste Komplexität der untersuchten Systeme auf.

Das Produktportfolio der Hersteller vergleicht die Studie anhand von mehr als 100 Einzelkriterien, die in der grafischen Darstellung in drei Gruppen zusammengefasst sind (siehe Grafik "Ranking der ESB-Anbieter"): Angebot, Strategie und Marktpräsenz. Als Messlatte für das aktuelle Angebot dient in erster Linie der Funktionsumfang der Software-Tools. Hier unterscheidet Forrester die Kategorien "Connection" (Messaging und Connectivity), "Mediation" sowie "Control and Change". Letztere Kategorie bewertet vor allem Überwachungs- und Verwaltungsfunktionen.

In puncto Strategie nehmen die Experten die langfristigen Pläne für die Produktentwicklung, aber auch strategische Partnerschaften, die übergreifende Unternehmensstrategie und die Kosten der Produkte unter die Lupe. Die Einordnung der Marktpräsenz bemisst sich unter anderem an der installierten Basis, der Organisationsgröße sowie der finanziellen Überlebensfähigkeit der Unternehmen.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Nach diesem Bewertungsschema liefern sich die sechs führenden Anbieter ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit leichten Vorteilen für Cape Clear Software und Bea Systems. In die Spitzengruppe schafften es auch Iona, Sonic (Progress), IBM und die Darmstädter Software AG. Letztere zwei Anbieter kamen mit ihren noch jungen ESB-Angeboten das erste Mal in die Wertung. Die Software AG etwa präsentierte erst im Februar 2006 ihre SOA-Suite "Crossvision", deren Komponenten auch einzeln erhältlich sind. In der Verfolgergruppe sieht Forrester Fiorano und Polar Lake. Obwohl die Unternehmen starke ESB-Funktionen böten, fallen sie gegenüber den Topanbietern leicht zurück, so die Studie. In beiden Fällen handele es sich um deutlich kleinere Anbieter, die Schwierigkeiten haben könnten, mit den mächtigen Konkurrenten Schritt zu halten.

Cape Clear Software

Bemerkenswert erscheint das gute Abschneiden von Cape Clear, einem relativ kleinen, privat gehaltenen Unternehmen. Der Hersteller mit Hauptsitz in Waltham, Massachusetts, gehört zu den Pionieren in Sachen ESB. Forrester-Analyst Vollmer lobt vor allem die umfassende Unterstützung von Web-Ser- vices-Standards und Kommunikationsprotokollen. Kombiniert mit guten Tools für die Entwicklung und Einführung von Softwareservices sei das Cape-Clear-Angebot besonders geeignet für Unternehmen mit komplexen heterogenen IT-Umgebungen. Seit dem Release 6.5 unterstützt der ESB auch das quelloffene Entwicklungs-Framework "Eclipse" in vollem Umfang, hebt Vollmer hervor. Vorteilhaft für die Kunden sei auch die aggressive Preispolitik des Managements.

Bea Systems

Mit seinen Weblogic-Produkten gehört Bea schon seit einigen Jahren zu den führenden Integrationsanbietern im Markt. Im vergangenen Jahr präsentierte der US-amerikanische Hersteller den "Aqualogic Service Bus". Er soll eine Integration über Plattformgrenzen hinweg ermöglichen, sprich: nicht nur mit dem hauseigenen Weblogic Application Server zusammenarbeiten. Einige Abhängigkeiten von der Weblogic-Runtime beständen noch heute, moniert Forrester. Diese würden aber in der Zukunft reduziert.

Unterm Strich biete das Bea-Produkt umfassende ESB-Funktionen und füge sich nahtlos in die anderen SOA-Angebote des Herstellers ein. Allerdings beinhaltet der Bea-ESB keine Serviceorchestrierung. Kunden, die diese Funktionen benötigen, müssen zusätzlich "Weblogic Integration" (WLI) kaufen. Das erhöhe die Gesamtkosten und führe dazu, dass das Produkt eher für Highend-Kunden geeignet sei.

Software AG

Die Software AG erzielte bei ihrem Debüt in Forresters ESB-Ranking durchweg gute Bewertungen. Insbesondere das kombinierte Registry- und Repository-System "Centrasite" fand Anerkennung. Dabei handelt es sich um eine Gemeinschaftsentwicklung mit Fujitsu. In diesem Punkt sei der Anbieter den Konkurrenten einen Schritt voraus, urteilen die Analysten. Sie heben ferner die Möglichkeiten zur Integration von Mainframe-Anwendungen hervor, was insbesondere den traditionellen Kunden der Darmstädter zugute kommen dürfte. Wegen ihrer starken Marktposition in Europa und Asien sieht Forrester gute Chancen für die Software AG, mit ihren SOA-Produkten auch in Nordamerika Anteile zu gewinnen.

IBM

IBM betrat den ESB-Markt erst kürzlich mit einem neuen und zwei aktualisierten Produkten, die es bereits im September 2005 angekündigt hatte. Ersteres System firmiert unter dem Namen "Websphere Enterprise Service Bus". Hinzu kommen der "Websphere Message Broker" und der "Websphere Process Server", jeweils in der Version 6. Der IT-Konzern bezeichnet diese drei Produkte als "IBM SOA Foundation"; gemeinsam bieten sie nach Einschätzung von Forrester umfassende ESB-Features. Darüber hinaus führt der Hersteller mit seiner ESB-Appliance eine Hardware-basierende Lösung im Portfolio, die im Ranking nicht bewertet wurde.

Mit der Fülle an Funktionen und Optionen eigne sich das IBM-Angebot am besten für große und komplexe Installationen, urteilt Forrester. Die Vielfalt habe aber ihren Preis: Im Vergleich zu den Konkurrenten seien die Produkte teuer. Im Portfolio fehle zudem ein Metadaten-Reposi- tory - eine Lücke, die Big Blue bis Oktober 2006 schließen will.

Progress Software (Sonic)

Sonic Software agierte zunächst als eigenständige Einheit der Muttergesellschaft Progress, wurde aber mittlerweile in deren Infrastruktur integriert. Als Pionier in Sachen ESB zeichnete Sonic für einen großen Teil der ersten Wachstumsphase des Marktes verantwortlich, erläutert Forrester. Mit der Übernahme von Actional, einem Spezialisten für die Überwachung verteilter Softwareservices, baute der Hersteller sein Portfolio weiter aus. Release 7.0 des ESB-Produkts kombiniert die Funktionen des Sonic ESB 6.1 mit Kernbestandteilen der Actional-Systeme. Auf diese Weise entstand laut Forrester ein integrierter ESB-Stack mit etlichen zusätzlichen Features zu einem günstigen Preis.

Iona

Die irische Iona Technologies gehört ebenfalls zu den etablierten Anbietern im Middleware-Markt. Bereits im Jahr 2004 offerierte das Unternehmen erste ESB-Produkte und kann auf einige prominente Kunden verweisen. Obwohl der Umsatzanteil des ESB-Produkts "Artix" noch klein sei, handele es sich doch um ein wachsendes Geschäft, kommentieren die Studienautoren. Mit seinen technischen Vorzügen habe sich Iona eine Nischenposition im Highend erarbeitet.

Mit Release 4 von Artix sei es gelungen, einige Defizite der Vorgängerversionen zu beseitigen. Der ESB bietet unter anderem Orchestrierungsfunktionen auf Basis der Business Process Execution Language (BPEL). Mit Hilfe von Eclipse-Entwicklungs-Tools könnten Anwender ohne zusätzlichen Programmieraufwand neue Orchestrierungsregeln hinterlegen, verspricht der Hersteller. Neben dem Kernprodukt Artix unterstützt Iona weiterhin den quelloffenen ESB "Celtix".

Fiorano und Polar Lake

Die kalifornische Softwareschmiede Fiorano zählt ebenfalls zu den frühen Anbietern von ESB-Produkten. Ähnlich wie bei Sonic Software basiert der Enterprise Service Bus auf dem hauseigenen JMS-Produkt "Fiorano MQ" (JMS = Java Message Service). Forrester bescheinigt dem Anbieter starke Tools für die Serviceorchestrierung, Gleiches gilt für das Service-Lifecycle-Management. Eine Schwäche sehen die Analysten in der geringen Größe und der begrenzten Marktpräsenz des Anbieters.

Auf eine längere Tradition im Integrationsgeschäft kann auch Polar Lake zurückblicken. Das New Yorker Unternehmen habe den Schritt zu einer SOA-Strategie früher als viele seiner Konkurrenten getan, lobt Forrester. Allerdings biete es nicht die tiefe Unterstützung von Web-Services-Techniken, wie sie die führenden Anbieter mittlerweile erreicht hätten. Der Schwerpunkt des Anbieters liege auf Produktivität und Wartbarkeit von integrierten Systemen. Dazu offeriere Polar Lake Werkzeuge, die die meisten Integrationsaufgaben ohne zusätzlichen Programmieraufwand erledigten. Aktuelle Produkte unterstützten zudem Datentransformation, Prozessmodellierung und die Registry-Spezifikation UDDI (Universal Description, Discovery and Integration).