Multimedia im Führungskräftetraining

Die Berührungsängste sind noch nicht beseitigt

01.05.1998

Zunächst ein Blick ins Nachbarland: Christian Parmentier vom Beratungsunternehmen Cegos in Paris vertrat die Auffassung, daß in Zukunft Führungskräfte und Mitarbeiter mehr übergreifende Kenntnisse und Kompetenzen benötigen, um komplexere Zusammenhänge besser zu verstehen. Dazu kämen höhere Anforderungen an das Fach-Know-how. Gefordert würden aber auch DV- und Sprachkenntnisse.

In Frankreich mache man sich über die geringen DV-Kenntnisse der Führungskräfte bisweilen lustig. In einem Unternehmen der Zukunft müsse Weiterbildung flexibler und individualisierter gestaltet werden, denn nicht alle Mitarbeiter tun das gleiche zur gleichen Zeit. Im lernenden Unternehmen sollte deshalb jeder Beschäftigte auf Lernressourcen zurückgreifen können. Dafür gelte es, interne und externe Netze zu schaffen. Weiterbildung müsse per Internet, Intra- oder Extranet, über Video- und Audiokonferenzen sowie Bildungsfernsehen möglich gemacht werden, so die Forderung des französischen Beraters.

Sylvia Kosek vom Wirtschaftsförderungsinstitut (Wifi) Wien zitierte eine europäische Projektstudie zur multimedialen Ausbildung betrieblicher Weiterbildungsverantwortlicher. In Klein- und Mittelbetrieben seien Training und Personalentwicklung häufig Chefsache. Um Führungskräfte bei dieser Aufgabe zu unterstützen, wurde das Projekt "Train Key" entwickelt, das die EU im Rahmen der Initiative Adapt gefördert und in sechs EU-Staaten umgesetzt hat.

Führungskräfte konnten auf klassische Lernformen zurückgreifen, auf schriftliche Lernunterlagen, Checklisten, das Internet und eine CD-ROM mit einem Selbstlernprogramm. In den Unternehmen waren auch Coaching sowie Teletutoring mit E-Mail, Fax oder Telefon möglich.

Die CD-ROM enthielt zehn Module, angefangen bei der Bildungsbedarfsanalyse über Qualitätskriterien, Weiterbildungsorganisation und -planung bis hin zur Evaluierung.

Bei der Projektumsetzung stellte sich sehr bald heraus, daß die Unternehmen in den verschiedenen Ländern über unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich Internet-Zugang und Multimedia-PCs verfügten. Am weitesten waren die Finnen. Dort hatten die meisten Unternehmen einen Internet-Zugang, und die Manager nutzten ganz selbstverständlich die Möglichkeit, über das Netz miteinander in Kontakt zu treten.

Bei der Auswertung der Akzeptanz stellte sich heraus, daß der Erfahrungsaustausch am wichtigsten war, gefolgt von Gruppenarbeit und Coaching. Erst dann folgten CD-ROM, Script und Teletutoring. Die Teilnehmer bewerteten das Lernen via CD-ROM besser als die schriftlichen Lernunterlagen. Teletutoring fand häufiger über Telefon und Fax als über E-Mail statt.

Die Einstellung zur Weiterbildung, so die Untersuchung, hänge auch vom jeweiligen kulturellen und wirtschaftlichen Hintergrund ab. Multimediale Anwendungen sind nach wie vor für Mitarbeiter und Management relativ neu. Die Akzeptanz neuer Medien wird auch von persönlichen Erfahrungen der Lernenden beeinflußt.

In einem Punkt der Studie werden sich die Kritiker des multimedialen Lernens bestätigt fühlen: Der isolierte Einsatz dieser Lernform bringt nicht den optimalen Erfolg.

"Lernen an konkreten Problemen wird in das Tagesgeschäft integriert", so Heinz Oesterle von der Siemens AG. Der noch häufig praktizierte Wissenserwerb auf Vorrat habe keine Zukunft. Vor dieser veränderten Situation erweisen sich neue Lernprinzipien zur Unterstützung des Führungskräftetrainings als notwendig. Oesterle nannte eine verstärkte Leistungs- und Resultatsorientierung, die kooperative Selbstqualifizierung und den globalen Wissensaustausch und -transfer. Der Elektrokonzern hat für Mitarbeiter mit Führungskräftepotential sowie für solche, die bereits Schlüsselpositionen bekleiden, ein Schulungskonzept entwickelt, das aus Projektarbeit und Workshops besteht, wobei moderne elektronische Lehrmittel zum Einsatz kommen.

Selbstgesteuertes Lernen steht im Vordergrund

In der Projektphase geht es um das Lösen von Geschäftsproblemen, die Workshops ermöglichen unter anderem einen Erfahrungsaustausch der Teilnehmer. Ganz klar im Vordergrund, so Oesterle, stehe jedoch das selbstgesteuerte Lernen, etwa während der Vorbereitungsphase. Die Teilnehmer können dabei die Möglichkeiten des Distance Learning via Intranet nutzen, zum Beispiel sind CBT-Programme in der "Learning Landscape" per Netz abrufbar. Selbstlernen schließt aber auch Printmedien, etwa das Buch, ein. Themen beispielsweise zur Personalentwicklung stehen den Interessierten in etlichen Lern- und Info-Modulen zur Verfügung. Ziele und Inhalte der einzelnen Qualifizierungsbausteine kann die angehende Führungskraft elektronisch abrufen.

Barbara Lomot vom Schweizerischen Bankverein überschrieb ihren Vortrag mit der Frage: "Gelingt die Quadratur des Kreises? Neue Wege der Mitarbeiterbeurteilung". Die Quadratur des Kreises entspräche in diesem Fall einer objektiven Beurteilung der Mitarbeiter - eine Möglichkeit, an die niemand ernsthaft glaubt, trotz immer ausgefeilterer Beurteilungssysteme. Einen Weg zu mehr Objektivität und Transparenz verspricht sich der Bankverein mit seinem jetzt eingeführten Beurteilungsinstrument Performance Measurement & Management (PMM), das konzernweit angewandt und elektronisch unterstützt wird. PMM ist - wie inzwischen viele Systeme - nicht nur als Beurteilungsinstrument gedacht, sondern soll die Mitarbeiter zur Weiterentwicklung motivieren und ihre beruflichen Chancen erhöhen.

PMM, mit einem Bonussystem verknüpft, bewertet die Arbeit auf einer Skala von eins bis fünf, zusätzlich existieren 15 Kompetenzkriterien. Es finden eine Selbst- und eine Fremdbeurteilung durch Vorgesetzte statt. Im Januar startete PMM mit den Zielvereinbarungen.

Um den Umgang mit dem System zu erlernen, setzte der Bankverein neben dem Frontalunterricht auch Broschüren und ein speziell entwickeltes CBT-Programm ein, das vor allem als Vorbereitungs-Tool gedacht war. Als zusätzliches Instrument fungierten Disketten, auf denen sich das PMM-Formular, Anweisungen, Glossar und Kurztexte befinden.

Das CBT-Programm wird allerdings nur bei Führungskräften eingesetzt, die Mitarbeiter müssen ohne CD-ROM auskommen. Die Schweizer handhaben das neue Beurteilungsinstrument recht stringent: Wer schlechter als drei erhält, eins ist die beste Note, dem steht kein Bonus zu.