100 Millionen Pfund verschwendet?

Die BBC stellt ihren CTO frei

27.05.2013
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Die BBC hat ihren Chief Technology Officer (CTO) John Linwood bei vollen Bezügen freigestellt. Grund ist das Debakel um ein "Tapeless" Digital Content Management System.

Für die fehlgeschlagene Digital Media Initiative (DMI) wurden mindestens 98,4 Millionen Pfund Sterling versenkt. Dies könnte laut Branchendienst "The Register" allerdings noch konservativ angesetzt sein - die BBC-Stiftung (die das Projekt auch gestoppt hatte) hat externe Gutachter mit einer Untersuchung des Fiaskos und seiner Hintergründe beauftragt.

Gegenüber dem "Register" hat die BBC jedenfalls bestätigt, dass CTO Linwood bei vollem Gehalt - das waren im vergangenen Jahr 287.800 Pfund - freigestellt ist; Linwoods Aufgaben übernimmt einstweilen "Technology Controller" Peter Coles, der dabei an Operations Director Dominic Coles berichtet.

Nach Angaben von BBC-Generaldirektor Tony Hall hat die DMI "eine Menge Geld von Gebührenzahlern vergeudet" und dem habe man nicht länger tatenlos zusehen wollen. Der BBC-Stiftungstreuhänder Anthony Fry hatte bereits in einem Brief an das Public Accounts Committee des Parlaments geschrieben, mit DMI weiterzumachen hätte "gutes Geld schlechtem hinterherwerfen" bedeutet.

"Die Industrie hat standardisierte Off-the-shelf-Werkzeuge für die digitale Produktion entwickelt, die es vor fünf Jahren einfach noch nicht gab", erläuterte Dominic Coles in einem Blogpost. Die Kosten seien deswegen so hoch, weil ein Großteil der für DMI entwickelten Soft- und Hardware nur bei Abschluss des Projekts einen Wert hätte; weitere Ausgaben für die Initiative könne man aber nicht mehr verantworten.

In einer internen Email, die dem "Register" vorliegt, findet Coles allerdings erheblich deutlichere Worte. "Wir müssen in jedem Fall sicherstellen, dass ein Projektversagen dieses Ausmaßes nie wieder vorkommt", heißt es darin. Er werde gemeinsam mit dem Top Management und dem Operations Board der BBC sicherstellen, dass Vorkehrungen getroffen würden, um eine vergleichbare Situation in Zukunft zu vermeiden.

Die BBC hat ein IT-Budget von 400 Millionen Pfund im Jahr. Das DMI-Projekt wurde bereits in einem kritischen Bericht des National Audit Office (vergleichbar dem deutschen Bundesrechnungshof) gerügt. Es war im Jahr 2004 gestartet und dann ohne ordentliche Ausschreibung an Siemens ausgelagert worden. Die dabei für "The Beeb" tätige Sparte Siemens IT Solutions and Services (SIS) und damit auch der DMOI-Vertrag wurde dann von Atos geschluckt. 2009 holte die BBC das Projekt zurück ins eigene Haus. 2011 schrieb das Audit Office dann in seinem Bericht, DMI biete "keinen Gegenwert für das Geld", das dafür ausgeben wurde.