Die Auslagerungswelle wurde umgelenkt

27.11.2006
IT-Abteilungen werden wieder ausgegliedert, um Transparenz zu schaffen und Teile besser auslagern zu können.
Die Zahl der IT-Töchter steigt. Sie sollen Auslagerungsprojekte betreiben und externe Dienstleister betreuen.
Die Zahl der IT-Töchter steigt. Sie sollen Auslagerungsprojekte betreiben und externe Dienstleister betreuen.
MIt der Auslagerung von IT-Diensten erzielen Unternehmen nicht einmal die Hälfte der ursprünglich geplanten Einsparungen.
MIt der Auslagerung von IT-Diensten erzielen Unternehmen nicht einmal die Hälfte der ursprünglich geplanten Einsparungen.

Die Organisationsform der Konzern-IT steht vor einem enormen Umbruch. Die klassische, als interne Abteilung geführte Einheit ist auf dem Rückzug, das ergab die jährliche Befragung des Beratungshauses SMP AG, Düsseldorf, in Kooperation mit der computerwoche. Diese Entwicklung hat sich bereits im vergangenen Jahr angedeutet, kommt aber schneller voran als erwartet.

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Die interne Konzern-IT findet eine neue Rolle

An der aktuellen Erhebung zur Zukunft der Konzern-IT, die vom Düsseldorfer Beratungshaus SMP AG zusammen mit der COMPUTERWOCHE betrieben wurde, beteiligten sich IT-Manager aus 69 Unternehmen. Mit anteiligen 25 Prozent stellten die Finanzdienstleister die größte Branchengruppe, gefolgt von Anwendern aus dem Sektor Energie, Handel und Logistik (20 Prozent) sowie Telekommunikation (17 Prozent). Gemessen am Umsatz der Muttergesellschaft waren große Unternehmen stark vertreten. 29 Prozent der teilnehmenden Unternehmen nehmen pro Jahr 100 Millionen Euro und mehr ein. Die meisten Befragten (35 Prozent) arbeiten jedoch in Firmen, die zwischen 20 Millionen und 50 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr erzielen.

Die Befragung fand bereits zum sechsten Mal in Folge statt. Ein Vergleich der Vorjahresergebnisse zeigt deutlich den veränderten Stellenwert der internen IT. Im Jahr 2001 hofften viele Unternehmen noch auf Erfolge im Drittmarkt, nicht zuletzt um ihre Überkapazitäten auszulasten. Kundenzuspruch fanden die Angebote allerdings allenfalls im Konzernumfeld. Mit dem Debis Systemhaus und Aventis (Hoechst) strichen die ersten Ausgründungen auch schon die Segel. 2002 spitzte sich die Lage zu, weil der IT-Servicemarkt deutlich schrumpfte. Die Konzernmütter äußerten erhebliche Zweifel an den externen Aktivitäten ihrer IT-Töchter. Außerdem übten Outsourcer wie IBM und EDS starken Druck auf die IT-Abteilungen aus. Der Großteil der IT GmbHs beendete 2003 den Ausflug in das externe Geschäft. Die internen Kunden rückten wieder ins Zentrum des Interesses, um das Outsourcing-Gespenst abzuwehren. Im Zuge der Konsolidierungsbemühungen bereinigten die internen IT-Dienstleister in den folgenden zwölf Monaten ihr Portfolio - nicht zuletzt aufgrund der Erfolge externe Service-Provider im Konzern. Immer häufige konnten Anbieter wie IBM, Hewlett-Packard und T-Systems Auslagerungs-Deals gewinnen.

2005 nahmen die internen IT-Dienstleister wieder das Heft in die Hand und lagerten aktiv aus. Zudem zeigte sich, dass die klassische IT-Abteilung ein auslaufendes Modell ist. Immer mehr Konzerne organisierten die IT als eigenständige Tochter ohne Marktansprüche. Dieser Trend bestätigte sich in diesem Jahr: Die interne IT arbeitet an der Transparenz ihrer Prozesse. So lassen sich Service bei Bedarf herauslösen und einem externen Provider übertragen.

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Kein externes Geschäft

Das Komplett-Outsourcing erachten die Firmen jedoch nicht als Alternative. Künftig, so die Einschätzung von rund 69 IT-Managern aus Unternehmen wie Mobilcom, Olympus Europa, Rheinmetall AG, ZDF sowie weiteren namhaften Konzernen, werde es zu einer Renaissance der ausgegründeten IT-Töchter kommen (siehe Grafik "Die klassische IT ist auf dem Rückzug"). Doch das Wiederaufleben der IT GmbHs hat wenig mit den erfolglosen Aktivitäten der in den Drittmarkt entlassenen IT-Ausgründungen der vergangenen Jahre zu tun. Die wenigsten IT-Töchter konnten in der Kundenakquise außerhalb des Konzernumfelds Erfolge verzeichnen. Wichtige Vertreter dieser Gattung wie Triaton (Thyssenkrupp), RAG Informatik und Gedas (Volkswagen) wurden zurückgepfiffen oder verkauft.

Aus den insgesamt dürftigen Erfahrungen haben viel Unternehmenslenker ihre Schlüsse gezogen. Die neue Ausgründungswelle hat kein Drittmarktgeschäft mehr zum Ziel: "Es geht eher in Richtung Shared Service Center", erläutert Holger Neinhaus, Senior Manager bei SMP. "Die Unternehmen wollen Transparenz und Wettbewerb zu externen Dienstleistern schaffen. Außerdem sollen die IT-Tochter modulare Strukturen entwickeln, um Outsourcing-Optionen zu schaffen."

Die Auslagerungswelle ist damit nicht obsolet, sie wurde nur umgelenkt. Komplett-Outsourcing-Deals wurden in der Regel über die Köpfe der IT-Leiter und -Abteilungen hinweg betrieben, diese Phase ist weitgehend vorüber. Im Zuge des Trends zum selektiven Outsourcing übernimmt die interne IT nun eine aktive Rolle im Outsourcing-Geschäft. Mit der Ausgründung und damit einhergehende Modularisierung und Transparenz des Angebots lagert sie selbst weniger geschäftskritische Services aus. "Die Konzern-IT übernimmt die Rolle eines Smart-Sourcers und das Kunden-Management", betont Timm Kruppe, Senior Consultant bei SMP.

Den Auslagerungsaktivitäten der Unternehmen bescheinigt die Befragung ein hohes Niveau - gemessen an der Durchdringung von externen Services in den Unternehmen. Weit verbreitet ist demnach der Fremdbetrieb der Anwendungsentwicklung und Netze. Diese Aufgaben lassen knapp die Hälfte der Befragten extern betreiben oder planen den Übergang im kommenden Jahr.

BPO wird kaum nachgefragt

Rund vierzig Prozent der Unternehmen Unterhalten Auslagerungsabkommen über die Betreuung der Hardware und Endgeräte sowie über den Betrieb der Telekommunikation. 35 Prozent haben die Rechenzentrumsverantwortung einem Partner übertragen.

Hinter diesen Auslagerungsquoten hinkt das Business Process Outsourcing (BPO) hinterher. Allenfalls mit der Auslagerung des Personalwesens können sich die Unternehmen offenbar anfreunden, bislang lassen es knapp 26 Prozent fremd betreiben, weitere 3,7 Prozent verfolgen entsprechende Pläne. Vor allem der Einkauf bleibt eine Domäne interner Mitarbeiter: 88 Prozent der befragten Unternehmen betreiben ihn intern.

Der insgesamt hohe Auslagerungsgrad ist angesichts der nüchternen Erfahrungen, die Unternehmen mit dem Outsourcing gemacht haben erstaunlich. Durchweg wurden die in den Fremdbetrieb gesteckten Erwartungen in die Kostenreduzierung nicht erfüllt (siehe Grafik "Outsourcing: Sparziele deutlich verfehlt"). In allen befragten Kategorien erreicht der gemittelte Erfüllungsgrad nicht einmal die 50-Prozentmarke, dass heißt, weniger als die Hälfte der in Aussicht gestellten Einsparungen konnten tatsächlich erzielt werden. "Die Unternehmen unterschätzen häufig den Transaktionsaufwand", erläutert Neinhaus die schlechten Zahlen. "Immerhin gab es unter den Befragten keinen, der drauf zahlen musste", versuchte SMP-Kollege Kruppe dem Ergebnis noch einen positiven Aspekt abzuringen.

Die veränderte Rolle der internen IT-Organisation im Outsourcing-Geschäft spiegelt sich auch darin wider, wie die Unternehmen ihre IT-Gelder verteilen. Die eigene IT-Mannschaft verwaltet rund 80 Prozent des gesamten IT-Budgets, der Rest geht direkt an externe Provider. Das 80 zu 20 ist seit Jahren stabil und wird sich laut Einschätzung der befragten Manager nicht ändern. Eine Analyse von Einzelfällen belegt zudem, dass Budgetveränderungen interne und externe IT-Betreiber gleichermaßen betreffen. Zurzeit gibt es demnach keine bemerkbaren Bestrebungen in den Konzernen, IT-Gelder stärker als bislang an der internen IT vorbei zu schleusen.

Weniger Eigenbetrieb

Die stabile Verteilung des IT-Budgets zwischen internen und externen Anbietern bedeutet aber nicht, dass das derzeitige Outsourcing-Niveau eingefroren wird. Die interne IT hofft, weiterhin knapp 80 Prozent der IT-Gelder vom Mutterkonzern zu bekommen, sie wird aber nicht 80 Prozent der Leistungen selbst erbringen. "Vermutlich enthält das von der internen IT-Organisation verwaltete Budget durchlaufende Posten, die im Zuge von Auslagerungsverträgen an Service-Provider weitergereicht werden", räumt Neinhaus ein. Belegen lässt sich dies anhand der Umfrageergebnisse jedoch nicht.

Es gibt aber durchaus Hinweise, die diesen Schluss nahe legen. So legen die internen IT-Betreiber in den kommenden Jahren weniger Wert auf ein großes Leistungsportfolio. Stattdessen wollen sie den Bedarf der Fachabteilungen bündeln und managen, unabhängig davon, wer die Leistungen erbringt. Das war in früheren Befragungen noch anders. "Erstmals akzeptieren die Unternehmen die Konsequenzen, die sich aus ihrer Rolle als Institution des Partner-Managements ergeben", betont Kruppe.

Kundenpflege ist dürftig

Die besondere Stärke gegenüber externen Wettbewerbern liegt nach eigener Einschätzung der IT-Manager im sehr guten Wissen um die Wertschöpfungsketten und in den intensiven Kundenbeziehungen. In diesen Bereichen fühlen sich die internen Betreiber seit Jahren sehr gut positioniert und wollen die starke Position auch erhalten. Allerdings haben die hauseigenen IT-Provider in der internen Neugestaltung geschludert. Obwohl viele qua ihrer organisatorischen Neuausrichtung und damit eingehenden Transparenz einem stärkeren Wettbewerb mit externen Anbietern ausgesetzt sind, hinken sie beim Kunden-Management, also der Pflege und Entwicklung des internen IT-Nutzers, hinterher. "Die sehr gute Kundenkenntnis hat sich anscheinend nicht bis in den Vertrieb fortgepflanzt", bemängelte Neinhaus. "Die Unternehmen sind in den vergangenen Jahren aber besser geworden, weil sie dem Druck der Outsourcer ausgesetzt sind."

Prozesse an Itil ausgerichtet

Die Fortschritte resultieren zum Teil aus den Vorteilen, die die IT-Töchter und -Organisationen aus definierten Prozessen schöpfen. Fast alle IT-Manager vertrauen dabei auf die erprobten IT-Serviceabläufe der IT Infrastructure Library (Itil). 70 Prozent haben ihre Organisation bereits an den Itil-Prozessen ausgrichtet, weitere 25 Prozent hegen entsprechende Pläne "Itil bietet die größten Erfahrungen, die Unternehmen sind sehr zufrieden damit, die Abläufe sind sehr gut beschrieben und gut einzuführen", berichtet Neinhaus. In den kommenden Jahren wollen sich zudem viele Unternehmen neben Itil den Prozessmodellen Cobit und CMMI widmen. Befragt nach Einsatz und Zufriedenheit von Modellierungswerkzeugen stellten die IT-Manager der IDS-Scheer-Lösung "Aris" die besten Noten aus.

Doch der breite Einsatz von Prozessmodellen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Detail an viele Ecken noch erheblich hapert. Beschreibung, Messbarkeit, Verbindlichkeit und Verständlichkeit der vereinbarten Abläufe ist dürftig, doch immerhin: "Die Unternehmen sind dran", lobt Kruppe. Am weitesten ist noch die Ausgestaltung der Verwaltungsprozesse fortschritten. Sie sind in vielen IT-Organisationen gut messbar und detailliert beschrieben sowie für die Mitarbeiter verständlich und verpflichtend. Das ist nicht verwunderlich, handelt es sich dabei doch um branchenübergreifende Abläufe. Doch überall dort, wo die Besonderheiten des eigenen IT-Geschäfts zum Tragen kommen, sieht die Umsetzung weniger gut aus.

Wichtiger sind indes gut beschriebene und verbindliche Prozesse im Vertrieb und in der Leistungserbringung. In diesen beiden erfolgskritischen Bereichen bescheinigen sich die IT-Manager ein allenfalls ausreichendes Niveau, obwohl die Verantwortlichen den Themen große Bedeutung beimessen. "Der Professionalisierungsgrad im Prozess-Management ist extrem gering", warnt Neinhaus. "In allen Bereichen herrscht hoher Handlungsdruck." Erfolgsentscheidend für gut funktionierende Prozesse sind laut Einschätzung der Befragten in erster Linie, klare Verantwortung, Messbarkeit und Transparenz.

Steigende IT-Budgets

Doch in allen Disziplinen klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander, sprich: Die Prozesse wurden nicht in der Form umgesetzt, wie es erforderlich gewesen wäre. Insgesamt erwarten die IT-Manager wieder steigende Umsätze, sie rechnen also mit Budgeterhöhungen ihrer Muttergesellschaft. Doch Prognosen fallen bescheiden aus. Summa summarum gehen die Befragten im Jahr 2007 von einem Plus von ein Prozent aus.