Anhaltendes Wachstum für die Midrange-Plattform

Die AS/400 stützt IBMs flaues Hardwaregeschäft

04.09.1998

Wenig Grund zur Freude hatte IBM-Chef Louis Gerstner bei der Bekanntgabe der Ergebnisse für das zweite Quartal 1998. Im Hardwaregeschäft muß der Konzern einen Rückgang um 13 Prozent hinnehmen. Insgesamt setzte Big Blue mit 18,82 Milliarden Dollar weniger um als im Vergleichsquartal 1997. Nur durch ein stabil wachsendes Servicegeschäft konnte doch noch eine bescheidene Gewinnsteigerung ausgewiesen werden (siehe CW 30/98, Seite 1).

Sorgen bereitet dem IBM-CEO insbesondere die vom harten Wettbewerb gebeutelte PC-Sparte. Nicht erst seit dem jüngsten Quartal bleiben zudem die Ergebnisse mit den Unix-basierten Rechnern der "RS/6000"-Reihe hinter den Erwartungen zurück. Und auch die von IBM oft beschworene "Renaissance des Mainframes" führte bei den Big Irons nicht zu den gewünschten Einnahmen. Da trifft es sich gut, wenn wenigstens auf eine Sparte Verlaß ist: Der Dauerbrenner AS/400 weist nach wie vor gesunde Wachstumsraten auf.

Im ersten Quartal dieses Jahres stieg die Anzahl der ausgelieferten Midrange-Rechner gegenüber dem Vorjahr um satte 31 Prozent, erklärte Tom Jarosh, General Manager der AS/400-Linie. Die Umsätze legten um 16 Prozent zu. Auch in der abgelaufenen zweiten Rechnungsperiode lieferte der Hersteller 25 Prozent mehr AS/400-Systeme aus als im Vorjahr. Bei den Einnahmen verzeichne man ein "zweistelliges Wachstum", so Jarosh. Mit den ab 11. September verfügbaren schnelleren 64-Bit-Power-PC-Prozessoren ("Northstar") und der neuen Betriebssystem-Version OS/400 Version 4, Release 3 (V4R3) soll die "Silverlake" weiter an Attraktivität gewinnen.

Andreas Zilch, Analyst bei der Meta Group in Bad Homburg, glaubt dennoch nicht, daß die IBM ihre Zukunft auf der AS/400 aufbauen wird. Die schlechten Ergebnisse im Mainframe-Bereich kommen für ihn überraschend. Mit den Umstellungsarbeiten zum Jahr 2000 "hätte eigentlich mehr reinkommen müssen". Andere Branchenbeobachter gehen indes davon aus, daß etliche Anwender mit den millionenschweren Investitionen auf die neue Generation der S/390-Server gewartet haben, die im September verfügbar sein sollen.

Nach Ansicht Zilchs sind hohe Wachstumsraten im Hardwaresektor von der IBM gar nicht unbedingt gewollt. Weil der Hersteller sich stärker als Dienstleister positionieren wolle, sähe man Zuwächse lieber im Servicesektor. Bei dem Konzern aus Armonk im US-Bundesstaat New York seien deshalb "Zahlenjongleure am Werk". Wenn das Unternehmen beispielsweise einen S/390 Outsourcing-Vertrag im Wert von zehn Millionen Dollar gewönne, gebe es verschiedene buchhalterische Möglichkeiten. Big Blue könne erklären, man habe acht Millionen Mark mit Mainframes eingenommen und für zwei Millionen Dienstleistungen verkauft. Ebensogut ließe sich aber ein Serviceumsatz in Höhe von zehn Millionen Mark verbuchen.

Daß das PC- und AIX-Geschäft nicht läuft, kommt für Zilch dagegen nicht unerwartet. Die RS/6000 sei eine gute Maschine; IBM mache bei der Vermarktung aber "einen schlechten Job". Eine Einstellung der Produktgruppe oder die häufig kolportierte Verschmelzung mit der AS/400-Linie hält Zilch aber für unrealistisch. "Unix ist strategisch für IBM." Der Hersteller könne es sich nicht leisten, dieses Feld unbesetzt zu lassen. Big Blue sei es letztlich egal, ob man in diesem Segment rote Zahlen schreibe.

Der AS/400 als Serverplattform prognostizieren die meisten Branchenbeobachter hingegen eine rosige Zukunft, auch wenn der Druck der Wintel-Anbieter zunehme. Allein 1997 hat der Konzern Schätzungen zufolge 4,2 Milliarden Dollar mit AS/400-Systemen eingenommen. Im laufenden Geschäftsjahr könnte die Fünf-Milliarden-Schwelle überschritten werden.

"Die Kosten einer Migration von der AS/400 auf Windows NT sind für Anwender nach wie vor zu hoch", argumentiert Tom Bittman, Analyst bei der Gartner Group in Stanford, Connecticut. Deshalb bleibe die Mehrzahl der AS/400-Kunden loyal. Zilch stößt in das gleich Horn: "IBM macht mit der AS/400 unheimlich viel Geschäft." Die AS/400-Kunden seien "sehr zufrieden". Insbesondere das R/3 Geschäft laufe gut. Andererseits seien IT-Verantwortliche wachsendem Druck von seiten des Managements ausgesetzt, auf NT zu wechseln. Peter Reichart, AS/400-Marketing-Manager bei der hiesigen IBM-Dependance in Stuttgart, bestätigt diese Aussage. Es gebe kaum ein Verkaufsgespräch, bei dem Windows NT keine Rolle spiele.

Gartner-Analyst Bittman verweist in diesem Zusammenhang auf die Vorzüge, die IBMs Midrange-Plattform noch immer gegenüber Wintel-Servern biete. Bei Backoffice-Applikationen sei die AS/400 beispielsweise weit besser skalierbar und laufe stabiler als vergleichbare NT-Systeme. Dies werde sich bis zum Jahr 2001 nicht wesentlich ändern. Bis dahin könne die Midrange-Plattform bis zu 4500 OLTP-Benutzer gleichzeitig unterstützen, während mit NT-Servern schon bei etwa 1800 Benutzern das Ende der Fahnenstange erreicht sei. Allerdings benötigten dann auch weniger als 1000 AS/400-Benutzer solche Höchstleistungen. Im Jahr 2001 könnten NT-basierte Systeme deshalb für die Hälfte der heutigen AS/400-Anwender eine realistische Alternative darstellen, glaubt Bittman.

Anders stellt sich die Situation in puncto Lastverteilung und Programm-Management dar. Erste brauchbare NT-Werkzeuge zur Verwaltung einzelner Jobs seien nicht vor 2001 zu erwarten, so der Gartner-Analyst. Die AS/400 werde in dieser Beziehung weiter die Nase vorn haben. Auch bezüglich der Verfügbarkeit des Gesamtsystems werde die AS/400 in den kommenden zwei Jahren noch deutliche Vorteile aufweisen. Andererseits würden die bis dahin möglichen Verfügbarkeitswerte von Wintel-Plattformen für die meisten Anwender ausreichen.

Zu den größten Stärken der AS/400 zählt seit jeher die breite Palette der dafür entwickelten Software, insbesondere vertikaler Anwendungen. Zirka 28000 Applikationen stehen heute für die Midrange-Plattform zur Verfügung; NT bringt es auf magere 2000 Programme. Doch auch dieser Aspekt wird nach Ansicht von Bittman an Bedeutung verlieren. Bis zum Jahr 2001, so seine Prognose, wird Windows NT Server mehr kommerzielle Anwendungen unterstützen als die AS/400. Dazu gehörten auch Softwarepakete von Herstellern, die traditionell der AS/400-Welt verhaftet sind.

Mit Kostenvorteilen könnten die Anbieter NT-basierter Systeme dagegen nicht argumentieren, meint Bittman. Wintel-Konfigurationen seien zwar fast immer günstiger zu haben als entsprechende AS/400-Server. Berücksichtige man die niedrigeren Verwaltungsaufwendungen für die Midrange-Rechner, so ergäben sich über einen Zeitraum von drei Jahren aber keine bedeutenden Unterschiede bei den gesamtem Betriebskosten (Total Cost of Ownership) im Vergleich zu NT-Servern.

Anwender könnten davon ausgehen, daß die AS/400 mindestens bis zum Jahr 2003 konkurrenzfähig bleibe, resümiert Bittman. IBM werde Kunden keinen NT-Migrationspfad aufzwingen. Im Jahr 2001 sei allerdings damit zu rechnen, daß 80 Prozent der AS/400-Installationen in gemischte Server-Umgebungen eingebettet seien. Auf der AS/400 liefen zukünftig vor allem die großen Datenbanken und einige Geschäftsapplikationen, während die betriebswirtschaftlichen Kernanwendungen und Infrastrukturservices auf NT-Servern bereit gestellt würden. Wegen der strategischen Bedeutung von Windows NT für IBMs Software- und Services-Pläne werde der Hersteller verstärkt in Middleware-Lösungen investieren, um die Integration beider Plattformen zu vereinfachen.

AS/400 im Jahr 2001

- Einfache Skalierbarkeit bis 24 Prozessoren

- Taktraten um 1000 Megahertz

- Plattensubsysteme mit logischer Partitionierung

- Administration komplett über Windows-Schnittstelle

- Enge Integration mit Win- dows-NT-Systemen über spezielle Middleware

Quelle: Prognose der Gartner Group