Big Blues Versprechen auf dem Prüfstand (Teil 2 und Schluß)

Die AS/400 lebt von ihrer installierten Basis

23.08.1996

Für die weltweit 360000 installierten AS/400-Systeme mit etwa zwölf Millionen angeschlossenen PCs sprechen laut Peter Reichart, Chefberater bei der IBM Deutschland, viele Gründe: "Da ist zum einen das große Portfolio von Anwendungen - seit Mitte des Jahres auch R/3. Und zum anderen die führende Technologie der AS/400 mit ihren synchronen und asynchronen 64-Bit-RISC-Prozessoren." Die große Kundenzufriedenheit führt Reichart auf die einfache Handhabung, die hohe Systemsicherheit sowie die zahlreichen integrierten Features der Maschinen zurück.

Ähnlich positiv beurteilt das System an sich auch Andreas Zilch, Analyst bei der Meta Group: "Die Positionierung weltweit ist hervorragend, die vermeldeten Erfolge sind glaubhaft. Ein wichtiger Punkt ist die Vielzahl verfügbarer Anwendungen, insbesondere der Einsatz von R/3, ein weiterer bedeutender Aspekt die gute Performance durch die Power-PC-Prozessoren."

Die Situation in Deutschland aber bewertet Zilch kritischer: "Es gibt hier ein Riesenproblem: die Kommunikation zu den Anwendern. Diese rufen täglich bei uns an und sind total verunsichert - was vollkommen unnötig ist. Die deutsche Organisation ist anscheinend nicht in der Lage, die Vorteile des Systems hinreichend zu verdeutlichen." Dieses Problem wiege deshalb besonders schwer, weil die Anwender in den Unternehmen auf gute Argumente dringend angewiesen seien: "Die DV-Leiter, die in Deutschland mit der AS/400 sehr zu- frieden sind, geraten unter enormen Management- Druck, sich in Richtung Windows NT und Unix zu bewegen." Eine Migration auf ein anderes System nur, um eine grafische Benutzeroberfläche zu bekommen, sei unnötig. Dies könne man auf der AS/400 genauso haben.

Etliche Anwender fahren bezüglich der AS/400 eine Doppelstrategie. Nach den Worten von Edgar Maier, Leiter Systemtechnik im RZ der Lufthansa Systems GmbH, plant der IT-Dienstleister, der seine Services auch externen Unternehmen anbietet, keine Neuentwicklungen für die AS/400-Plattform. Wenn der Lufthansa- Konzern auf eigene Rechnung eine AS/400-Anwendung einkaufe, nehme Lufthansa Systems das Programm zwar in Betrieb. "Wir selber würden jedoch die AS/400-Plattform für eine Neuentwicklung nicht verwenden", meint Maier. Die wichtigste Plattform für das Client- Server-Geschäft sei Unix.

Konkurrenz könnte IBMs AS/400-Rechnern auch durch die hauseigenen RS/6000-Systeme erwachsen, die ebenfalls auf der RISC-Technologie basieren. Für Maier zielen die Produktlinien "eindeutig auf den gleichen Markt". Meta-Group-Analyst Zilch sieht jedoch deutliche Unterschiede: "In erster Linie kann sich die AS/400 durch ihre Applikationsorientierung absetzen." Die Anwender sollten sich bei der Entscheidung auf die Vielzahl verfügbarer Anwendungen konzentrieren. Weitere Pluspunkte seien die Einfachheit und Sicherheit der Verwaltung und die gute Anbindung an MVS-Mainframes über SNA, die im Vergleich zu den RS/6000-Systemen etwas einfacher zu realisieren sei.

Der DV-Leiter eines großen Pharmaherstellers, der namentlich nicht genannt werden will, sieht für die AS/400 künftig keinen Markt mehr, sondern nur noch "eine spezielle Lücke". Die Systeme liefen allerdings sehr stabil und seien auf der Betriebssystem-Ebene deutlich anwenderfreundlicher als Unix-Plattformen. Trotzdem stellt das Unternehmen die Produktionsumgebung auf R/3-Programme um, die auf Unix-Rechnern laufen.

Für Wulf Upmeier, Leiter Organisation und DV bei der Beiersdorf AG, ist die AS/400 für betriebswirtschaftliche Anwendungen durchaus eine Alternative, weil sich das System geöffnet habe und nun auch R/3 darauf laufen könne. Auch andere Hersteller betriebswirtschaftlicher Standardsoftware wie J. D. Edwards oder SSA wollen von der großen installierten Basis profitieren und bieten AS/400-Varianten ihrer Programme an. Nach Ansicht von Upmeier ist es völlig offen, ob sich die AS/400 als offenes System etablieren kann oder von Unix zurückgedrängt wird. Beiersdorf fahre hier zweigleisig.

In jüngster Zeit bemüht sich IBM, den Einsatzbereich für die AS/400 zu erweitern und die Systeme auch für die Nutzung im Intra- und Internet zu positionieren. Analyst Zilch sieht darin allerdings eine reine Marketing-Aktion: "Dies ist mit Sicherheit kein Kerngebiet der AS/400. Die Entwickler in diesem Bereich schreiben ihre Applikationen für Unix und Windows NT und werden sich hüten, eine dritte Plattform dazuzunehmen.