Gegen starre Schemata:

Die Arbeitszeit flexibler gestalten

06.02.1987

Standpunkt

Klaus Murmann, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Klaus Murmann votiert gegen starre Arbeitszeit gerade im High-Tech-Sektor: "Länger, härter, kreativer" müsse wieder als Erfolgserlebnis belohnt werden.

Flexibilisierung ist die Parole, und es gilt nicht mehr die Devise: Bestens nivelliert und tarifiert, montags fangen wir alle zu möglichst gleicher Zeit an, arbeiten starre Tages- und Wochenarbeitszeiten und bezeichnen diese holzschnittartige Eingrenzung dann auch noch als Fortschritt. So sollte und so wird unsere Zukunft nicht aussehen!

Die Denkschablone von der Deckungsgleichzeit menschlicher und maschineller Arbeitszeit stammt aus dem vorigen Jahrhundert. Ich appelliere an beide Tarifpartner, jenseits der zwar erprobten, aber falschen Tarifschemata die Arbeitszeit an den realen Wünschen der arbeitenden Menschen und an den betrieblichen Möglichkeiten auszurichten.

Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten der sehr großen Zahl von Mitbürgern, die verminderte Arbeitszeit gegen entsprechend vermindertes Entgeld suchen, derartige Arbeitsplätze auch anbieten, ohne aus Arbeitgebersicht die organisatorischen Schwierigkeiten von Teilzeitarbeit zum Hindernis zu machen und ohne aus Gewerkschaftssicht die schwere Organisierbarkeit derartiger Teilzeitarbeitsplätze als Sperrmauer aufzubauen. Hier können die Gewerkschaften und die betrieblichen Partner einen sofortigen und sehr wirksamen Beitrag zur Senkung der Arbeitslosigkeit leisten.

Eine neue Gestaltung der Arbeitszeit ist für mich kein Tabu, wenn entsprechend größere Arbeitspotentiale hinzukommen. Auch eine längere als eine 40-Stunden-Woche muß wieder vorstellbar sein - da, wo Arbeitskräfte knapp sind. Jedenfalls kann es hier nicht heißen: "Im Gleichschritt Marsch!"

Wir brauchen ein unkonventionelles Denken. Wir brauchen es jetzt und heute - und nicht erst dann, wenn uns die erwartete Geburtenrate oder aber die Finanzierbarkeit der Rentenversicherung wieder zu längeren Wochen- und Lebensarbeitszeiten zwingen.

Immer hat es Menschen gegeben, die länger und mehr arbeiten wollten und auf deren Arbeitsbereitschaft wir selbst bei hoher Arbeitslosigkeit unverzichtbar angewiesen sind. Wir wissen, daß unser Erfolgserlebnis wieder darin liegen muß, daß der belohnt wird, der länger härter, kreativer arbeitet. Denn die Triebfeder des Eigennutzens ist gleichzeitig eine Quelle für das Gemeinwohl.

Wenn dies verstanden und akzeptiert ist, ist es auch zu verstehen und zu akzeptieren, daß die Arbeitszeit in Teilbereichen weiter verkürzt werden kann. Dies kann jedoch nicht mit vollem Lohnausgleich geschehen, und es muß in differenzierter Weise erfolgen. Bei Facharbeitern, Informatikern, Ingenieuren müssen wir die Arbeitszeit möglicherweise verlängern. Darüber hinaus muß auch unser gewerkschaftlicher Partner akzeptieren, daß tarifliche Arbeitszeitregelungen reversibel - nach der einen wie nach der anderen Richtung - sein müssen. Wir müssen auch die Kraft aufbringen, auf einmal eingeschlagenen Wegen wieder umkehren zu können!

Auszug aus dem Arbeitgeber, Nr. 1. 1987, Mitteilungsblatt der Deutschen Arbeitgeberverbände Köln.