Die Anwendung sollte den Schwerpunkt bilden Viel zu hohe Kosten bremsen deutsche Multimedia-Projekte

25.11.1994

BERLIN (CW) - Schlechte Noten gab es fuer die Multimedia-Landschaft in Deutschland auf einer Tagung des Beratungsunternehmens Arthur D. Little. Noch immer stehe die Technik und nicht die konkrete Anwendung im Vordergrund. Zudem behinderten die hohen Infrastrukturkosten und der fehlende Wettbewerb hierzulande die Ausbildung eines prosperierenden Marktes.

Die bisher in Deutschland verfolgten vielfaeltigen Multimedia- Initiativen bewerteten die Teilnehmer der Diskussionsrunde auf der Arthur-D.-Little-Tagung als schlecht koordiniert. Zudem wuerden die wichtigsten Anwendungsgebiete nicht genuegend beruecksichtigt. Derartige Maengel seien dafuer verantwortlich, dass hierzulande keine Aufbruchstimmung entstehe. Die unguenstigen Rahmenbedingungen im Beschaffungswesen, im regulativen Umfeld und im Urheberrecht koennten dazu fuehren, dass Deutschland den Anschluss an die weltweite Informationsgesellschaft verpasse.

Die Industrie in Deutschland haelt sich im Gegensatz zu den USA mit Investitionen im Multimedia-Bereich immer noch zurueck. Schuld daran sind unter anderem fehlende Standards. Ausserdem herrschen immer noch unklare Vorstellungen ueber die Gestaltung von anwenderfreundlichen Benutzerschnittstellen, und es mangele an der notwendigen Interoperabilitaet der Systeme.

Die Diskussionsrunde kritisierte weiterhin, dass Multimedia immer noch zu sehr von der technischen Seite her entwickelt werde. Statt dessen sollten die Anwendungen aus den Beduerfnissen des Marktes heraus entstehen. Hierzu muesse man sich aber erst mit den Wuenschen, Preiserwartungen und Kaufentscheidungen der Anwender auseinandersetzen. Bis jetzt fehle es noch an Informationen ueber das Nutzerverhalten und darueber, wie die neuen Angebote in Unternehmen und privaten Haushalten akzeptiert wuerden.

Die europaeische Multimedia-Industrie hat dabei allerdings mehr Hindernisse zu ueberwinden als die Konkurrenten in den USA, da die Alte Welt trotz der Einigungsversuche in der Europaeischen Union immer noch einen sehr heterogenen Markt bildet. Deshalb sollten, so die Diskussionsteilnehmer, die europaeischen Initiativen durch nationale Antworten ergaenzt werden.

Als einer der Hauptgruende fuer die Rueckstaendigkeit der europaeischen Multimedia-Landschaft gilt ueblicherweise die fehlende Infrastruktur, ein Argument, das auf der Tagung jedoch nicht akzeptiert wurde. Vielmehr waren die Teilnehmer der Ansicht, dass sich schon mit den existierenden Systemen viele Multimedia-Dienste realisieren liessen. Besondere Marktpotentiale steckten in den Applikationen, die die Schnittstelle zwischen Produkt, Serviceanbietern und Kunden neu gestalteten. Beispiele hierfuer sind Home-Shopping, Virtual Reality und Point-of-sales- Anwendungen. Besonders interessant seien diese Applikationen fuer die Branchen Tourismus, Banken, Versicherungen, Handel, im oeffentlichen Sektor und in der Medizin.