Netzzugangstechniken

Die Anwendung bestimmt die Technik

31.03.2000
Kabelmodem, DSL, Wireless und WDM sind aktuelle Schlagworte im Markt der WAN- und Web-Zugangstechniken. Wie eignen sich die verschiedenen Verfahren für Standortzugänge, Sohos und E-Commerce? Wie sehen die Marktchancen und Entwicklungstrends aus? Petra Borowka* gibt einen Überblick.

Die aktuelle Situation im Zugangsbereich ist einerseits von dem hohen Konvergenzdruck zur IT/TK-Integration mit IP als Trägerprotokoll geprägt. Zum anderen beeinflussen Deregulierung und Globalisierung, ständig steigende Kapazitätsanforderungen, E-Commerce, Informations-Management und neue Anwendungen auf CTI-Basis den Markt. Klammern wir analoge Modems, Festverbindung, ISDN, Frame Relay und ATM als alte Hüte aus, bleiben noch Kabelmodems, Wireless LAN, Mobilfunk, SONET und WDM mit den verschiedensten Zugangskomponenten als alternative Technologien übrig.

Die Fernsehkabelnetze haben sich überwiegend über die TV-Gesellschaften und den privaten Consumer-Markt etabliert, kostet der Zugang - verglichen mit DSL - doch nur etwa ein Zehntel. Das TV-Netz ist allerdings ein Shared Medium, das heißt, die erreichbare Bandbreite hängt von der Anzahl der im selben Segment aktiven Benutzer ab. Charakteristisch für HFC-Modems sind Geschwindigkeiten von 128 Kbit/s (midband), im Highspeed-Bereich 3 bis 30 Mbit/s downstream und 128 Kbit/s bis 10 Mbit/s upstream. Existierende Kabelnetze sind jedoch nicht immer auf die maximale Datenrate aufrüstbar, denn bei Hochlast und Hardwarestörfällen treten aufgrund der Shared-Technik Leistungseinbußen beziehungsweise Seiteneffekte auf. Ferner sind Kabelnetze weltweit sehr viel weniger verbreitet als Telefonnetze und für Third-Party-Provider nicht zur Durchleitung freigegeben. Dies bietet der Technik schlechtere Verbreitungsmöglichkeiten als DSL, zumal noch psychologische Gründe mitspielen: Wem würden Sie für den Betrieb Ihrer Geschäftskommunikation mehr vertrauen, dem lokalen Telco-Provider oder einer Fernsehgesellschaft?

DSL dagegen wird in seiner am weitesten verbreiteten ADSL-Variante ein anhaltender Massenmarkt prognostiziert. Für dieses Verfahren spricht vor allem, dass die traditionelle Kupfer-2-Draht-Technik beibehalten wird. Über die herkömmlichen Telefonkabel wird auch das letzte Bit aus den höchstmöglichen Frequenzen zwischen 20 Kilohertz und 1.1 Megahertz herausgequetscht und die Telefonie über einen separaten Frequenzkanal mit 4 Kilohertz abgesplittet (POTS-Splitter). Mit Firmen wie Alcatel, Cisco (Netspeed), 3Com, Lucent (Copper Mountain, eigene Produkte) und Nortel Networks (Shasta, Promatury) tummeln sich sowohl Anbieter aus dem Telco-Umfeld als auch Daten-Companies in einem Markt, der immerhin ein Wachstum von heuer zwei Millionen DSL-Verbindungen auf zehn Millionen im Jahr 2004 verspricht.

DSL-Verbindungen auf dem Vormarsch

Typische DSL-Anwendungen sind Web-Verkehr, Audio/Video-Streaming oder eine beliebige Applikation mit hohen Datenraten von bis zu 9 Mbit/s von den Servern zum Arbeitsplatz (downstream) und erheblich geringerem Volumen in Gegenrichtung (upstream). Der große Vorteil von DSL: Telefonleitungen liegen so gut wie überall und sind meist (zu etwa 80 Prozent) für Mbit/s-Geschwindigkeiten geeignet. Die schlechte Nachricht: Bei hoher Transferleistung ist die Reichweite auf einen Kilometer begrenzt. Sind große Entfernungen (bis zu fünf Kilometer) zu überbrücken, sinkt die Geschwindigkeit auf 1 Mbit/s.

Lange Zeit dümpelte die Funktechnik vor sich hin, um dann ab etwa 1998 einen rasanten Aufschwung zu erleben. Wie möchten Sie sich drahtlos mit der Zukunft verbinden: per implantierten Chip, Brille, Home-Server, PDA, E-Phone und Wireless Application Protocol, oder über ein Personal Area Network? Verschiedenste Hersteller haben mittlerweile Appetit auf den Kuchen, wenn er denn drahtlos ist: Compaq, Dell, Intel, Microsoft auf der einen, Ericsson, Kyocera, Motorola, Nokia, Symbol Technologies, Intersil auf der anderen sowie Cabletron, Cisco (Aironet), 3Com, Lucent, Nortel auf der dritten Seite.

Und weniger bekannte Namen wie Breeze, Intermec Technologies, Philsar Spectralink, Zoomair und Micro Optical propagieren die drahtlose Zukunft.

Wireless LANs sind ebenfalls eine Shared-Technik. Bei ihr können Hindernisse wie Mauern oder Türen, Hardwarefehler und hohe Netzauslastung zu Leistungseinbußen führen. Ebenso führt der Einsatz verschiedener Verfahren im selben Bereich (etwa Bluetooth und 802.11) zu Engpässen, da sich die Frequenzen überschneiden. Die typischen Datenraten liegen heute bei 2 bis 11 Mbit/s, in der nächsten Generation ist eine Steigerung um den Faktor zehn auf 20 bis 50 Mbit/s angepeilt. An die Sicherheit ist dabei auch gedacht: Die Wired Equivalent Privacy (WEP) realisiert Authentisierung und Verschlüsselung mit RC4 (RSA-Verfahren). Aufgrund des Sequenz-Spread oder Frequenz-Hopping ist ein Wireless LAN damit abhörsicherer als ein klassisches LAN mit Twisted-Pair-Kabeln der Kategorie fünf.

Aktuell gibt es eine Reihe unterschiedlicher Standards, die vom unteren bis zum oberen Leistungsspektrum reichen und dabei Reichweiten zwischen zehn und 100 Metern definieren. Herstellerlösungen gehen bis 300 Meter oder sogar 14 Kilometer (Lucent). Home RF/ Bluetooth zielt dagegen mehr auf den Soho/privaten Markt (PAN-Bereich) und integriert Dect-Geräte. 802.11 peilt dagegen klar den Unternehmensmarkt mit seinen LANs an.

Ein Schwachpunkt der Wireless LAN ist das verwendete Frequenzband von 2.4 Gigahertz, da es auch von Haushaltsgeräten wie etwa Mikrowellengeräten verwendet wird. Wird also die gebratene Ente nicht ganz gar, liegt das möglicherweise daran, dass der Hobbykoch während der Bratzeit über seinen PDA oder mit der Micro-Optica-Brille mit WAP die Börsenkurse abgefragt und so die Leistung des Mikrowellenherds reduziert hat. Vielleicht hat die Börsenabfrage aber auch die Kühltruhe zum Abtauen gebracht. Die Konsequenzen der drahtlosen Vernetzung liegen auf der Hand: Herd und Kühltruhe sind künftig in die Policy-Steuerung des privaten Heimnetzwerks einzubeziehen.

Optische Netze: Lichtblick für den Cyberspace

Schon vor fünf Jahren wurde hier und da von "Dark Fiber" gemunkelt: Was wäre, wenn man ATM-Geschwindigkeit und Skalierung erreicht und dabei auf die ATM-Protokolltechnik verzichtet? Der neue Quantensprung ist nun greifbar nah: Ob OC-192 oder 10 Gbit/s (Ethernet) genannt, entscheidend ist die Aufsplittung des Lichts in seine Farben, wobei jede Farbe einen Kanal mit 2,5 Gbit/s (OC-48) oder 10 Gbit/s (OC-192) Übertragungsrate realisiert. Die Technik hierzu hat sich eher evolutionär als revolutionär über DACS mit 45 Mbit/s und Sonet-ADMs mit 2,5 Gbit hin zu OTCs und OTNs entwickelt. Heute arbeiten die Hersteller an Lösungen mit 4, 16 oder bis zu 150 Kanälen (je 2,5 oder 10 Gbit/s). Für die Zukunft sind bereits 500 Kanäle im Gespräch. Damit ist dann Bandbreite im Überfluss vorhanden, sodass auf eine effiziente Ausnutzung verzichtet werden kann: zurück zum TDM-Circuit-Switching mit schneller Fehlerumschaltung, weg mit dem Routing-Overhead auf der Link-Ebene.

Auf den ersten Blick scheint das Bandbreiten-Schlaraffenland greifbar nah. Allerdings sollte niemand die Konsequenzen einer solchen Backbone-Technik für die Verfügbarkeit unterschätzen, wie ein Vergleich zeigt. Fällt etwa eine voll ausgelastete 56-Kbit/s-Modemstrecke für acht Stunden aus, beträgt der Datenverlust etwa 1,6 GB. Diesen Verlust generiert bei den Glasfasernetzen bereits der Ausfall eines einzigen 10-Gbit/s-Kanals in 160 Millisekunden. Deshalb ist eine automatische Fehlerumschaltung mit extrem niedrigen Umschaltzeiten für DWDM-Komponenten (zirka 50 Millisekunden) unabdingbar. Der DWDM-Markt ist geprägt durch Startup-Firmen oder aufgekaufte Startup-Firmen (Ciena, Monterey, Optera etc.): Adva Optical Networking, Arroyo Networks, Chromatis Networks, Lasercomm, New Access Communications, Shirocco Systems, Sycamore Networks, Wavesplitter Technologies, aber auch alte Bekannte der LWL-Technik wie Alcatel, Lucent und Siemens sind zu finden. Firmen wie Terawave Communications, Ignitus Communications, Quantum Bridge Communications arbeiten an der Vision von DWDM als Zugangstechnologie.

Sind die hohen Datenraten und schnellen Umschaltzeiten optischer Netze gewünscht, ohne gleichzeitig die Skalierbarkeit und Flexibilität von IP (Routing) für Netze mit großen Benutzerzahlen aufzugeben, ist ein direktes Aufsetzen des IP-Protokolls auf die WDM-Technologie nicht möglich. In diesem Fall ist nach wie vor eine Link-Ebene erforderlich. Welche das sein wird, ist noch unklar. Die aktuellen Möglichkeiten eines IP Betriebs "über" WDM sind in der nebenstehenden Grafik dargestellt. Dabei ist Sonet/SDH nur eine von mehreren Möglichkeiten. Auch hier können zukünftig Alternativen entstehen.

Markttrends

Eins ist gewiss: Der Morgen stirbt nie. Die spannende Frage lautet jedoch: Wer stirbt über Nacht? Fehlinvestitionen haben nicht in erster Linie für Anwender tödliche Folgen, sondern insbesondere für Hersteller und Provider, zumal letztere einen immer schnelleren Return on Investment (ROI) erwarten. Womit eine Art Teufelskreis entsteht: Denn die Bandbreitenaufrüstung der "Last Mile" erzwingt die potenzierte Hochrüstung der Backbones. Nach aktuellen Studien gab 1998 fast ein Drittel der Netzbetreiber mehr als 25 Prozent seiner Einnahmen für die Implementierung von Hochgeschwindigkeitsservices aus. In diesem Jahr dürfte dieser Wert auf 40 Prozent steigen. Folgt man den Plänen von Providern und Carriern, bleiben etablierte Techniken wie ISDN, T1/E1, T3/E3 erhalten und werden mit dem schnellen Einstieg in neue Technologien gekoppelt. Bei den Wachstumsraten liegen momentan DSL und Wireless vor Kabelmodems. Ingesamt geht der Trend weg vom Kupfer: Wurden 1999 32 Prozent der Highspeed-Dienste mit Lichtwelle realisiert, sind es 2002 schätzungsweise 42 Prozent mit wachsendem Einsatz von WDM auch im Zugangsbereich. Die über zehn Jahre entwickelte ATM-Technik wird nur von knapp 50 Prozent der Provider mit IP über ATM eingesetzt, der Anteil der Provider mit IP über WDM steigt dagegen in diesem Jahr schon auf 20 Prozent.

ATM auf dem Rückzug

Entsprechend stehen Überraschungen bei den geplanten Investitionen für neue Netzkomponenten ins Haus: Es wird wieder geframt statt gecellt. Wurden 1999 noch in 66 Prozent der Backbones ATM-Switches eingesetzt, sinkt ihr Anteil bereits 2001 auf lediglich 17 Prozent. Der Einsatz von Terabit-Switches/Routern steigt im gleichen Zeitraum von 18 auf 49 Prozent. Frame-Relay-Switches spielen in den Backbone-Netzen des Jahres 2001 mit sieben Prozent kaum noch eine Rolle. Circuit-Switching, die gute alte Multiplextechnik, mit WDM ist anstelle des hoch gelobten Packet/Cell-Switching auf den unteren Übertragungsschichten das Motto der Stunde. Ein Trend, der aber nur so lange anhält, bis die WDM-Komponenten in ihrer dritten Generation Routing gelernt haben und dies zur Optimierung der Netzauslastung nutzen.

Für die erfolgreiche Auswahl und den Betrieb einer neuen WAN-Zugangstechnik sind nicht nur die erreichbare Datenrate und Entfernung entscheidend. Bewertungskriterien wie Verbreitung, Skalierbarkeit, Schnittstellen von Last Mile zu Backbone, Eignung für Telefonie, erreichbare QoS für Sprach- und Videointegration, Zuverlässigkeit, Managebarkeit und nicht zuletzt politische Richtlinien der Deregulierung geben letztlich den Ausschlag. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien und der erkennbaren Marktpositionen bleibt der Kabelmodemmarkt eine Domäne für Soho- und Privatnutzer; im Geschäftsbereich wird DSL als Übergangsstrategie eine höhere Akzeptanz finden. Die Skalierbarkeit von DSL ist jedoch aufgrund der genutzten Kupfertechnik begrenzt. Der Einsatz von LWL-Varianten (VDSL) wird sich im Zuge verstärkter WDM-Entwicklungen kaum lohnen. Der Trend zu optischen Netzen (DWDM) erzeugt für DSL langfristig einen kräftigen Gegenwind. Die Wireless-Technologie stellt eine interessante Alternative dar, sofern eine vernünftige Verwaltung der Frequenzen erfolgt. Zudem bedarf es noch einer mehrjährigen Konsolidierungsphase, in der sich hoffentlich die Menge der Standards reduzieren wird. Die Wireless-Technik hat das breiteste Integrationsspektrum für sehr einfache bis hochintegrierte Netzzugänge (Handy bis Multimedia-PC). Das künftige WAN-Backbone wird mit IP über eine DWDM-Transportstruktur betrieben, wobei noch offen ist, welche Link-Ebene sich durchsetzt. Zumindest eines scheint aus heutiger Sicht ziemlich sicher: ATM wird es nicht sein. Möglicherweise heißt die Lösung im MAN-Bereich Gigabit Ethernet.

*Petra Borowka ist Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Netzwerke UBN in Aachen.

Abb. 1: Möglichkeiten für IP über WDM

Ein Aufsetzen von IP auf die WDM-Technologie erfordert eine Link-Ebene, wenn die Skalierbarkeit und Flexibilität des Internet-Protokolls gewünscht ist. Quelle: UBN

Abb. 2: Beispiel einer DSL-Installation

Für den Anwender sind die DSL-Verfahren mit relativ wenig Aufwand zu implementieren. Er benötigt ein DSL-Modem und eventuell eine Netzwerkkarte. Quelle: UBN