Die Angst des Auftragnehmers vor den Besonderen Vertragsbedingungen

14.08.1987

DR. Cristoph Zarnt Rechtsanwalt, Neckargemünd

Die öffentliche Hand arbeitet bei der Erstellung von Programmen nunmehr mit den "Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) für die Erstellung von DV-Programmen" und demnächst auch mit den "Besonderen Vertragsbedingungen für die Planung von DV-Verfahren". Viele Softwarehäuser sehen das als großen Risikofaktor an. Ich möchte eine Reihe von Ursachen dafür untersuchen und damit klarmachen, daß das Risiko so groß nun wiederum nicht ist.

Zum ersten geht es darum, daß die andere Marktseite plötzlich Vertragsbedingungen präsentiert, während man doch bisher mit den - einem selbst einigermaßen - bekannten eigenen Vertragsbedingungen gearbeitet hat.

Man sollte sich überlegen, was man dem Kunden ständig zumutet. Ich leite daraus die Anforderung ab, die eigenen Vertragsbedingungen möglichst verständlich zu formulieren.

Zweitens: Man weiß von den eigenen Vertragsbedingungen, daß sie natürlich weitgehend darauf ausgerichtet sind, die eigenen Interessen durchzusetzen. Die derzeitigen Vertragsmuster des Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), die auf dem Markt wohl am weitesten als Muster der Auftragnehmerseite verbreitet sind, enthalten eine Reihe von Regelungen, die so einseitig zugunsten der Auftragnehmerseite ausformuliert wurden, daß sie schon wieder wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB unwirksam sind. Und wer als Auftragnehmer Vertragsbedingungen der Auftraggeberseite über die Erstellung von Programmen vorgelegt bekommen hat, war bisher meistens in der Auffassung bestätigt, daß darin der Spieß einfach umgedreht wurde und die Auftraggeberseite möglichst einseitige Bedingungen zu ihren Gunsten vorsah.

Selbstverständlich gibt es auch rühmliche Ausnahmen daß Auftraggeberbedingungen auf eine faire Zusammenarbeit hin ausgerichtet sind.

Wer nun als Auftragnehmer die BVB-Erstellung oder -Planung vorgelegt bekommt, mutmaßt erst einmal eine solche Einseitigkeit. Angesichts des Umfangs der BVB schließt er dann eine ebenso umfangreiche Einseitigkeit, die entsprechend gefährlich ist. Dabei wollen die BVB ausgewogen sein - und sind es auch.

Die Empfehlung zur Gestaltung der eigenen Vertragsbedingungen lautet also: dem Kunden möglichst ausgewogene Vertragsbedingungen vorsetzen.

Drittens sind die BVB offensichtlich ziemlich umfangreich. Man muß sich durch die Bestimmungen erst einmal hindurcharbeiten. Dabei sind sie manchmal nur schwer verständlich - doch welche Vertragsbedingungen sind das nicht? Indes sind die meisten Regelungen durchaus nützlich: Wird das Projekt nicht intern, sondern extern mit einem Auftragnehmer durchgeführt kommt nämlich eine Schnittstelle hinzu, die eines gewissen Formalismus bedarf. Die Auftragnehmerseite ist an diese Schnittstelle gewohnt, ohne sie aber deswegen auch umfassend in Vertragen zu regeln. Die Auftraggeberseite, insbesondere die öffentliche Hand will das nun aber tun.

Die Empfehlung für die eigenen Vertragsbedingungen lautet dementsprechend, die Schnittstelle, das heißt die Zusammenarbeit in demjenigen Dokument zu regeln, das im Einzelfall erstellt wird. Die eigentlichen Vertragsbedingungen, also das, was nach Juristerei aussieht und was von der Fachseite häufig nicht gelesen wird, sollten eher in einem getrennten Dokument aufgeführt werden ( "Im übrigen gelten unsere Vertragsbedingungen für die Erstellung von Programmen").

Viertens: Nach dem Studium der umfangreichen Konditionen bleibt der Eindruck bestehen, daß viele Bedingungen zwar nicht unausgewogen sind, bei strenger Interpretation aber doch einige Risiken enthalten. Insoweit gilt rechtlich, daß solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Auftraggeberseite im Zweifelsfall zugunsten der Auftragnehmerseite auszulegen sind - wie andersherum Allgemeine Geschäftsbedingungen der Lieferantenseite im Zweifelsfall zugunsten der Auftraggeberseite auszulegen sind. Vor allem gilt aber für die Praxis, daß die BVB-Regelungen in der Regel vernünftig angewendet werden und die scheinbaren Risiken kaum bestehen.

Einige Belastungen der Auftragnehmerseite bleiben aber und sind auch durchaus berechtigt. So verlängern die BVB die gesetzliche Gewährleistungsfrist von sechs Monaten auf zwölf Monate. Das entspricht durchaus der Geschäftspolitik vieler Anbieter, die schon von sich aus dem Kunden zwölf Monate Gewährleistungsfrist einräumen, weil Softwarefehler nun einmal oft nicht bereits schon im ersten halben Jahr zu entdecken sind.

Fünftens hat mancher Auftragnehmer Bedenken, ob einige Regelungen der BVB praktikabel sind. Einige sind es - sogar in vorzüglicher Weise. So wird zum Beispiel die Phasenbildung bestens berücksichtigt. Andere Regelungen wiederum sind es weniger. So sieht die BVB-Planung für die Planungsphase grundsätzlich nur den Vertragstyp "Werkvertrag" vor, nicht aber auch den Vertragstyp "Dienstvertrag", der dann richtig ist, wenn die Parteien eng zusammenarbeiten, um gemeinsam das richtige Ergebnis zu erringen.

Damit, so meine ich, kann man als Auftragnehmer leben.