Die Akte Systronic

16.05.1975

COMPUTERWOCHE ist kein Skandalblatt. Fachjournalisten sind keine Enthüllungs-Reporter. Dennoch: die Versuchung war groß, die Systronic-Story über das bittere Ende einer weiteren Berliner Abschreibungs, GmbH. & Co. KG. ganz groß rauszubringen.

Schließlich erhielt doch die sachlich nüchterne Diebold Statistik den Vorzugsplatz. "Wie entwickelt sich die Branche?" ist wichtiger als die schmutzige Wäsche eines gescheiterten Außenseiters.

Doch einiges an dieser Story ist symptomatisch und rechtfertigt wohl doch den zweiten Platz auf Seite 1.

Vergoldete EDV

Da ist zunächst einmal die blinde Computergläubigkeit der geprellten Kommanditisten. Vor allem Freiberufler, allen voran Ärzte und Rechtsanwälte, waren von der "Wachstumsbranche allerersten Ranges" fasziniert und fragten nicht viel, - etwa ob sich Hardware ohne Software verkaufen ließe. Insider muß es immer wieder überraschen, wie sehr draußen noch der "Mythos" um den Computer gilt. Da wird unterstellt, daß alles was sich um die EDV dreht, vergoldet sei.

Da ist weiter die so weit verbreitete El-Dorado-Mentalität der Akteure, diese "Wie-wird-man-ganz-schnell-reich?"-Erwartung. Da ist jede Dienstleistung und wohl auch jedes Geschäftsführer-Gehalt überhöht, - nach dem Motto: "In der EDV war alles schon immer etwas teurer." Dabei ist das alles nur Branchen-Stil. Prospekte werden nun einmal vierfarbig und auf Hochglanz gedruckt. Wo immer es sich um Vertrieb, Marketing und Finanzierung von Computern dreht, kann es meist gar nicht teuer genug zugehen.

Scharlatane und Hochstapler

Die Grenze zwischen teuer, exorbitant teuer und betrügerisch teuer verwischt dabei leicht. So gibt es zahlreiche Scharlatane und Hochstapler in diesem Gewerbe, die noch gar nicht gemerkt haben, daß sie genau das sind.

Die ganze Systronic-Story würde Bände füllen. Dem, der sie recherchiert, fällt auf, wie leicht sich doch immer wieder gefügige Mitstreiter finden lassen. Strohmänner? Die gibt es überall. Man nehme einen 40 000-Mark-Mann, bezahle ihm das Doppelte, setze ihn an die Entscheidungshebel und lasse ihn wissen, daß er auch jederzeit wieder gehen könnte.

Zweifellos hat das ganze Goldrausch-Klima rund um die Investitionszulagen und Verlustzuweisungen des Berliner Abschreibungs-Karussell zum Fiasko beigetragen. Dubiose Anlageberater. Siebzehn Prozent Vermittlerprovision. Pleiten an der Tagesordnung. Da ist kein Platz für hanseatischen Kaufmannsgeist.

Wie kann eine Bank wie die Berliner Bank für Handel und Industrie - Tochter der Dresdner Bank - bei Darlehns-Geschäften mitmachen, denen doch der Laie schon ansieht, daß seltsame Dinge passieren? Anträge auf Investitionszulagen für Darlehen, die nie das Haus verließen. Die Bank kann, - das Ganze ist ja durchaus legal.

Auf der großen Szene ist Alexander W. Kölb ein kleiner Fisch, für die 130 Systronic-Kommanditisten war sein Millionen-Spiel der große Verlust.