Herausforderung für CIOs

Die Ära der Software Factory

24.12.2020
Von 
Oliver Viel ist Director Marketing & Business Development der HPI-Ausgründung Seerene GmbH in Potsdam.

Ein engagierter Verfechter eines analytischen und selbstreflektierten Digital Engineering ist Professor Jürgen Döllner vom Hasso-Plattner-Institut für Digital Engineering in Potsdam. Döllner beschäftigt sich damit, wie Unternehmen ihre über Jahre gewachsenen Softwaresysteme, aber auch die Software-Produktionsprozesse analysieren und intuitiv nachvollziehbar machen können.

Übersicht im Digital Boardroom

Seine Vision von einem Digital Boardroom für das Software-Engineering geht letztlich auf einen Impuls von Institutsgründer Hasso Plattner zurück. "Natürlich können wir Software nicht genauso produzieren wie Autos", so der Wissenschaftler. "Wir müssen aber von den älteren Ingenieurdisziplinen den Anspruch auf Transparenz und rationale Steuerung übernehmen und mit modernen Mitteln und Methoden auf die agile Softwareproduktion anwenden", sagt Döllner. Die technischen Möglichkeiten dazu gebe es, sie würden aber noch lange nicht ausgeschöpft.

Döllners Aufruf zu einem entschlossenen Digital Engineering trifft viele IT-Verantwortliche in keiner entspannten Situation. Aktuell werden sie von zwei Seiten bedrängt: Einerseits steigt die technische Komplexität in ihrem Aufgabenbereich exponentiell. Andererseits wächst der Druck des Marktes, da Software für den Unternehmenserfolg zu einem entscheidenden Faktor wird. Medien-Managerin Xiaoqun Clever fasst die Situation wie folgt zusammen: "Software ist vom Kosten- zum Gewinn-und-Verlust-Mandat geworden. Es geht nicht länger nur darum, die Rentabilität zu verbessern und schlanker, schneller und flexibler zu werden. Es geht um viel mehr!"

Laut Clever ist Software ein entscheidender Faktor geworden, um sich "durch einzigartige Produktmerkmale, Services und Kundenerlebnisse" vom Wettbewerb zu differenzieren. Software helfe neue Arbeitsweisen umzusetzen, die Partnerschaft in digitalen Ökosystem optimal zu managen und in der entstehenden "Plattformwirtschaft" wettbewerbsfähig zu sein.

Transparenz im Großen wie im Kleinen

Worauf kommt es in der Softwareproduktion also an? Es gilt, die Übersicht zu behalten! Den IT-Führungsteams fehlt es nicht an Tools und Techniken, um einzelne isolierte Expertenbereiche innerhalb des Produktionsprozesses transparent zu machen, doch sich allein darauf zu verlassen, birgt die Gefahr der allgemeinen Unübersichtlichkeit. Um die Zügel in der Hand zu behalten, ist Transparenz auf allen Ebenen wichtig. Dabei ist der Gesamtüberblick zentral, doch es muss die Möglichkeit geben, auch tief in die Details spezifischer Teilbereiche hineinzublicken. Nur so können auftauchende Gefahrensignale in weltweit verteilten Entwicklungsteams bis an ihre Wurzel verfolgt werden.

Zu den Pionieren in Sachen Digital Boardrooms gehört Johannes Bohnet, Gründer von Seerene, dem Anbieter einer solchen Plattform. Das Spin-off des Hasso-Plattner-Instituts hilft Konzernen bei der Einrichtung ihrer individuellen Digital Boardrooms, welche die C-Suite und Teamleiter in die Lage versetzen sollen, auf umfassend erhobene Echtzeit-Daten zuzugreifen. Für Bohnet stehen Agilität und Kontrolle in keinem Kulturkonflikt zueinander: "Der direkte Zugriff auf alle strategierelevanten Informationen sorgt vielmehr dafür, dass der Widerspruch zwischen Culture of Trust und Culture of Control aufgehoben wird. Einzelne Entwicklungsteams können agil und autonom agieren und gleichzeitig wird auf übergeordneter Ebene eine Steuerung, Ausrichtung und Optimierung auf die globalen Konzernziele möglich."