Quality 1: Qualitätsarbeit macht sich bezahlt

Die 90er werden den Boom der Qualitätssicherung sehen

05.10.1990

Qualität ist für das Gros der Wirtschaft zunehmend die Grundlage unternehmerischen Handelns. Durch Veränderungen der Absatzmarkte und Verschärfung des Wettbewerbs sind viele Unternehmer gezwungen, sich noch intensiver an den Wünschen der Kunden auszurichten und auf Qualität zu setzen, wollen sie weiter im Markt bleiben und der Konkurrenz Paroli bieten.

Die Anforderungen und Bedürfnisse des Marktes werden zum bestimmenden Diktat, und da gibt neben Preis und Lieferzeiten die Qualität des Produkts oder der Dienstleistung oft das entscheidende Argument für den Verkaufserfolg. Wer in den 90er Jahren als Unternehmer überleben will, muß mit seinen Produkten und Dienstleistungen einem relativ hohen Standard an Qualität gerecht werden - und das zu einem vertretbaren, überlebensfähigen Preis: also Qualität bei möglichst niedrigen Kosten.

Qualität bei niedrigen Kosten - das war das Thema der "Quality" in Stuttgart, Fachmesse für Qualitätssicherung, sollten doch die dort vorgestellten QS-(Qualitätssicherungs)-Systeme

helfen, eben diesem Marktgesetz zu entsprechen. Enthalten ist in dieser Kurzformel auch die Tatsache, daß eine hohe Produktqualität Mängel und Kundenreklamationen von vornherein verringert oder vermeidet und somit letztendlich zu niedrigen Stückkosten beiträgt. Außerdem: Die Kosten für Gewährleistungsfälle, Spätausfälle und Reparaturen lassen sich zwar erfassen, der Verlust des Firmenrufs und dessen Auswirkungen auf zukünftige Geschäfte jedoch nicht.

Eine fehlerlose Produktion - soweit in der realen Welt eben möglich - ist nur durch ständige, strenge Kontroll- und Qualitätssicherungsverfahren zu erreichen, die zudem nicht erst beim fertigen Produkt beginnen, sondern vom ersten Kundenkontakt bis zum Ablauf der Garantiezeit des Produktes angewandt werden. Bei besonders innovativen Unternehmen sorgen solche Verfahren - weit vor dem eigenen Produktionsprozeß bei den Zulieferern installiert - dafür, daß zum Beispiel eine eigene Wareneingangs-Prüfung auf Grund der hohen Qualität der angelieferten Teile sich erübrigt.

Das Ziel ist Verhütung und Verhinderung schlechter Teile durch stabile, robuste und qualitätsgarantierende Prozesse beim Lieferanten, so daß damit auch Fertigungsprinzipien möglich werden mit, "Just-in-Time"-Belieferung. Das heißt, die Zulieferteile werden mit einer auf Tages- oder auf Stundenbasis bemessenen Menge direkt an die Fertigung vor Ort geliefert. Diese Fertigungsprinzipien erfordern präventiv orientierte Qualitätssicherungsmaßnahmen im Vorfeld, die mit QS-Systemen realisiert werden können.

Es ist heute absehbar, daß rechnergestützte QS-Lösungen künftig stärker nachgefragt werden, denn Qualitätssicherung ist in den Unternehmen aus den verschiedensten Gründen zu einer zentralen Frage geworden:

- Deutschland als vor allem künftiges Exportland Nummer eins und als ein Land, in dem mit die höchsten Löhne gezahlt werden - wie geht das marktwirtschaftlich zusammen? Die Investitionsgüterindustrie und die Hersteller von hochveredelten Konsumgütern, also etwa die Automobilindustrie, spüren den wachsenden Druck auf den internationalen Märkten. Sie können preislich gegen die Produkte aus Billiglohnländern nicht anbieten, also müssen sie über die Qualität ihr "Made in Germany" an den Mann bringen und Produkte mit gleichbleibend hoher Güte und Zuverlässigkeit anbieten.

- Der gemeinsame europäische Binnenmarkt ab 1992 mit der dann ohne Frage größer werdenden Konkurrenz auch auf heimischen Märkten wirft bereits jetzt vor allem auch bei den Mittelständlern die Frage auf, wie Marktpositionen gesichert oder ausgebaut werden können. Dabei spielt der "Qualitätsvorteil" eine entsprechend wichtige Rolle.

- Ein weiterer Grund für QS-Systeme: Der europäische Binnenmarkt wird in irgendeiner Form eine Angleichung oder gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen Qualitätsstandards erfordern. Dabei wird die Anerkennung von Prüfergebnissen auf der Grundlage harmonisierter Prüfverfahren weiter zunehmen, was für die Unternehmen Kostenerleichterungen durch Vermeidung von Doppelprüfungen bedeutet. Es empfiehlt sich für die deutschen Unternehmen, die Entwicklung bereits jetzt zu verfolgen und sich auf entsprechende Erfordernisse schon heute einzustellen (eventuell mit notwendig werdenden QS-Systemen). Kostenerleichterungen entstehen auch durch die Möglichkeit, die Einzelprüfungen am Produkt durch ein zertifiziertes, also von offizieller Seite geprüftes Qualitätssicherungssystem (auf der Grundlage der Normreihe EN 29000) und eine Herstellererklärung zu ersetzen. Somit sind QS-Systeme auch in diesem Zusammenhang nicht nur ein Instrument zur Einhaltung der Produktqualität, sondern auch zur Kosteneinsparung. Außerdem dürfte ein Hersteller mit zertifiziertem QS-System ein wesentliches Marketingargument gegenüber seinen Mitkonkurrenten besitzen.

- Zusätzliche Anforderungen an das Qualitätswesen resultieren auch aus der Verschärfung des Produkt-Haftungsgesetzes, das seit dem 1. Januar in Kraft ist. Oblag bisher dem Anwender der Beweis des Fehlernachweises, so muß nun der Hersteller beziehungsweise der Lieferant den Beweis erbringen, daß sein

Produkt fehlerfrei war. Auch diese Richtlinien veranlassen die Firmen, Systeme zu installieren, die in Richtung Null-Fehler-Produktion arbeiten, und/oder die über eine lückenlose Qualitätsstatistik und -dokumentation verfügen.

Und die Kosten? Sind sie ein Faktor für oder gegen QS-Systeme? Qualität kostet Geld. Daraus folgt die klare Unterscheidung zwischen notwendiger und theoretisch möglicher Qualität. Unsinnige Anforderungen, die sogenannten Angst-Toleranzen, sind auf ein den Marktgegebenheiten notwendiges Maß zu reduzieren.

Diese Ansicht vertrat auch Prof. Warnecke vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut IPA in seinem Eröffnungsvortrag zum Quality-Fachkongreß, als er die von ihm propagierte "totale" Qualität, die notwendig sei, um die Wünsche des Kunden total zu erfüllen, näher definierte. Totale Qualität meine nicht absolute Qualität, sondern ein Qualitätsdenken aller Mitarbeiter quer durch den Betrieb, das sich am Kunden orientiert und jedem am Herstellungsprozeß beteiligten Mitarbeiter mit dem Produkt identifiziert, getreudem Slogan: Produce it as if you buy it. Solche beständige Selbstprüfung stelle einen neuen Maßstab des Handels industrieller Unternehmen dar nach dem Prinzip Qualität als Dienstleistung am Kunden. Mit diesen Erläuterungen wurde die ursprüngliche Aussage der "totalen" Qualität ins rechte Licht gerückt.

Die Kosten für die Sicherstellung von Qualität steigen zwangsläufig mit dem "Näherrücken" des Herstellers an den

Kunden, um dessen Bedürfnisse besser zu erfüllen und damit erfolgreicher zu sein. Resultieren doch daraus Fakten wie steigende Varianten und kundenspezifische Lösungen und damit abnehmende Stückzahlen und kleiner werdende Losgrößen. Und Lieferbedingungen und gesetzliche Auflagen bringen steigende Dokumentations- und Administrationskosten. Das führte zur Steigerung des Anteils der Qualitätskosten an den Herstellkosten.

Die Kosten für Qualitätssicherung sind offensichtlich sehr unterschiedlich und dürften zwischen zehn, in seltenen Fällen 50 Prozent der Fertigungskosten liegen. Andererseits kann eine die Produktion von Anfang an begleitende Qualitätssicherung auch enorme Kosten sparen helfen, hält man sich vor Augen, daß laut Quality-Veranstalter 80 Prozent aller Fehler, die während der Produkterstellung und im Produkteinsatz entstehen, ihre Ursache in unzureichender Planung, Entwicklung oder Konstruktion haben. Dabei entfallen 60 Prozent aller Ausfälle während der Garantiezeit eines Produktes auf eine fehlerhafte und unreife Entwicklung. Die fehlervermeidende und -vorbeugende Entwicklung und Konstruktion ist der wichtigste Beitrag zur Reduzierung der Kosten der Qualitätssicherung.

Marktkräfte regeln Qualitätslevels

Kosten hin, Kosten her; der Kunde ist König, und der Markt ist der Ort, an dem über die Qualität des Produktes und dessen Preis entschieden wird. Aber was ist Qualität? Ist Qualität, wenn der Kunde wiederkommt und nicht das Produkt?

Der Qualitätsbegriff steht im Wandel. Heute bezieht sich Qualität nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf die Art, wie es vermarktet wird, und ebenso auf die Serviceleistungen. Natürlich bedeutet Qualität auch die Einhaltung der vereinbarten Termine.

Qualität ist nicht etwa ein Synonym für das Gute schlechthin (wie in der Werbung), sondern die Realisierung, die praktische Umsetzung der an ein Produkt oder an eine Tätigkeit gestellten Anforderungen. Werden die Qualitätsforderungen erfüllt, spricht man von guter, werden sie nicht erfüllt, von schlechter Qualität.

Die Qualitätssicherung umfaßt alle Bemühungen und Maßnahmen, diese Anforderungen zu erfüllen. Zur systematischen Qualitätssicherung gehört die Dokumentation und der Nachweis aller Qualitätsbemühungen. Die Qualitätssicherung läßt sich gliedern in Qualitätsplanung (Erarbeiten von Qualitätsvorschriften und -sicherungsverfahren, Erstellen von Prüfplänen und Erteilen der Prüfaufträge etc.; Qualitätsplanung beginnt bereits bei der Festlegung der Anforderungen und Spezifikationen des neuen Produkts), Qualitätsprüfung und Qualitätslenkung, die die Ergebnisse der Qualitätsprüfung unmittelbar oder mittelbar zur Lenkung der Produkt- und Prozeßkenngrößen von Qualitätsplanung, Konstruktion, Fertigungsplanung und Fertigung zurückkoppelt. Das Entscheidende in der Qualitätssicherung sind somit Regelkreise, die möglichst dezentral und aktuell zu schließen sind, damit ein schnelles Reagieren auf Störungen erfolgen kann.

Qualität kann nicht durch Prüfen allein erreicht werden. Auch wenn heute die Qualitätsprüfung noch eine der wichtigsten Aufgaben des Qualitätswesens ist, muß Qualität produziert werden. Denn Qualität, gemessen am Endprodukt, hat ihren Ursprung schon in der Produktidee, und es gibt kaum eine Abteilung in Unternehmen, die keinen Einfluß auf die Qualität hat, und jede Abteilung von Marktforschung über Beschaffung bis zum Versand, muß ihren Einzelanforderungen an die verlangte Qualität genügen. Ein einziger schlechter Beitrag einer Abteilung kann durch noch so viele gute andere Bereichsergebnisse nicht ausgeglichen werden. Die Qualität entspricht dem schwächsten Glied in dieser Qualitätskette der Erstellung des Produktes.

Jeder Mitarbeiter hat Qualitätsverantwortung, und die Qualitätsabteilung unterstützt ihn dabei durch Bereitstellen

von geeigneten Werkzeugen und Hilfsmitteln, aktuellen Informationen über den Qualitätsstand und die Zusammenhänge des Qualitätsgeschehens. Qualitätsarbeit muß eingebundener Bestandteil aller Arbeitsvorgänge werden (siehe Bläsing). Denn Apelle an gute Arbeit, Motivation der Mitarbeiter oder strenge Kontrolle am Ende einer Montage allein reichen nicht aus, um die Qualitätsziele in Zukunft zu sichern. Der zweifte Teil dieses Berichtes geht ein auf CAQ-Systemstrukturen im ClM-Verbund, auf heute mögliche CAQ-Methoden von Konstruktion bis zu Montage und auf konkrete CAQ-Lösungen, vorgestellt auf der Quality in Stuttgart.

(Zur Literatur siehe den Anhang des zweiten Teils)