Projekt-Management

Die 5 Gründe, warum ERP-Projekte scheitern

24.09.2009
Von Andreas Suter und Frank Höning

Voraussetzung 2: Strategische Vorgaben geklärt

Ebenso Aufgabe des Topteams ist es, die strategischen Vorgaben für das ERP-Projekt festzulegen, ggf. zu klären. Mit der Verbindlichkeit von (realistischerweise) 5 Jahren soll das Geschäftskonzept und Geschäftsmodell definiert werden. Denn der verbreitet angestrebte "permanente Wandel" würde nicht nur die Flexibilität des ERP-Systems überfordern, sondern auch dessen Stabilität gefährden. Idealerweise entspräche die Stabilität des Geschäftsmodells der erwarteten Lebensdauer des Systems.

Mit der Klärung der strategischen Vorgaben entsteht auch die Chance, die in der Vergangenheit schleichend entstandenen Geschäftskonzepte zu schärfen, gewachsene Strukturen zu hinterfragen und Weichenstellungen bewusst vorzunehmen. Bei einem global aktiven Komponentenlieferanten stellte sich heraus, dass die nationalen Unter-schiede an Bedeutung verloren hatten. Stattdessen bildeten sich zwei globale Kundensegmente mit komplett unterschiedlichen Geschäftsmodellanforderungen heraus: nämlich ein Projektgeschäft mit hohem kundenspezifischen Lösungsanteil und ein wiederkehrendes Kataloggeschäft mit kundenspezifischer Belieferungslogistik. Kein Wunder, mussten nicht die nationalen Besonderheiten, sondern die beiden Geschäftsmodelle als globale Standards abgebildet werden.

Fragen für die Phase "Strategische Vorgaben"

1. Sind Geschäftskonzept und Geschäftsmodell klar? Sind die Geschäftsmodelle auch separiert, wo unterschiedliche Geschäftskonzepte bestehen? (Richtwert: 1 Geschäftsmodell je Geschäftstyp)

2. Sind Geschäftskonzept und Geschäftsmodell auch zukünftig stabil? (Richtwert: Minimum 5-7 Jahre)

3. Sind Organisations- und Prozessmodel aus dem Geschäftsmodell abgeleitet? (Richtwert: Organisations- und Prozessmodell fallen zusammen)

4. Sind die Schnittstellen zwischen den Organisationsbereichen und zwischen den Hauptprozessen klar und einfach definiert? (Richtwert: einfache Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen)

5. Sind die Kompetenzen der Prozesseigner betreffend Prozessdefinition geklärt? (Richtwert: Klare Regelung für globale Standards und lokale Varianten)

6. Ist der Detaillierungsgrad der Prozessbeschreibung für die ERP-Implementierung verständlich genug? (Richtwert: Einfaches Aufgabenkettendiagramm).

7. Ist der Detaillierungsgrad der Prozessbeschreibung für die ERP-Implementierung verständlich genug? (Richtwert: Einfaches Aufgabenkettendiagramm)

Werkvertrag statt Dienstleistungsvertrag?

Trotz mustergültiger Projektinitialisierung und Klärung der strategischen Vorgaben ist die Verunsicherung nach wie vor groß. Was liegt da näher, als das Projekt an einen starken Implementierungspartner zu delegieren und sich mit einem Werkvertrag abzusichern.

Wäre das ERP-Projekt ein reines IT-Projekt, dann wäre der Werkvertrag tatsächlich eine elegante Lösung gegen explodierende Projektkosten. Allerdings setzt jeder Werkvertrag voraus, dass das "Werk" im Pflichtenheft eindeutig beschrieben ist. Aber gerade daran scheitern viele Unternehmen. Die Prozesse sind oft ungenügend detailliert be-schrieben oder aber die Beschreibungen entsprechen nicht mehr den aktuellen Abläufen und Zuständigkeiten. Dazu fehlt häufig das relevante Systemwissen. So gehören häufig mehr als 95%, in Hunderten von Seiten akribisch beschriebenen Funktionen, zum Standard in den üblichen ERP-Systemen. Wenige, aber geschäftskritische Funktionen sind dagegen als solche nicht bezeichnet oder fehlen in den Ausschreibungstexten ganz.

Aber auch der Implementierungspartner möchte keinen Werkvertrag. Um das Risiko des Werkvertrages zu minimieren, muss er mit Risiko¬zu¬schlägen kalkulieren, um sich vor Änderungen im Pflichtenheft abzu¬sichern. Aber aufgepasst: Je akribischer das Pflichtenheft ist, desto mehr gelingt es dem Implementierungspartner Lücken zu finden. Wie heute schon in der Bauwirtschaft gang und gäbe, optimiert der Implementierungspartner mit "Change Requests" - wie etwa der Bauunternehmer - die im Aus-schreibungswettbewerb verlorene Marge.