Recruiting-Studie

Diagnose Social-Media-Trägheit

17.07.2020
Von 
Julia Hauska ist Geschäftsleiterin von Career Institut & Verlag und Autorin der Studie Best Recruiters.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass in deutschen HR-Abteilungen vieles richtig läuft. Aber nicht alles: Speziell in Sachen Social Media ist noch viel Luft nach oben.
Ein Arbeitgeberprofil auf Xing oder LinkedIn ist für deutsche ITK-Unternehmen selbstverständlich. Allerdings agieren viele Unternehmen in Bezug auf Social Media viel zu träge.
Ein Arbeitgeberprofil auf Xing oder LinkedIn ist für deutsche ITK-Unternehmen selbstverständlich. Allerdings agieren viele Unternehmen in Bezug auf Social Media viel zu träge.
Foto: GreenCam1 - shutterstock.com

Die Recruiting-Qualität in deutschen Unternehmen bewegt sich nach wie vor auf hohem Niveau. Zu diesem Ergebnis kommt das Wiener Career Institut & Verlag in seiner Studie "Best Recruiters". Die 415 getesteten deutschen Arbeitgeber erreichten im Durchschnitt 57 Prozent der maximal möglichen 100 Punkte. Damit verschlechterten sie sich im Vergleich zum Vorjahr (60 Prozent) geringfügig um drei Prozentpunkte. Die ITK-Branche liegt mit 59 Prozent knapp über dem Gesamtdurchschnitt und belegt den achten Platz von insgesamt 27 Branchen.

Können Sie mobile Bewerbung und Chatbots?

ITK-Recruiter wissen zum Beispiel um die Bedeutung der Karriere-Website als zentralen Infopunkt und schneiden hier deutlich besser ab als die Gesamtstichprobe. Neun von zehn der an der Untersuchung beteiligten Unternehmen stellen Informationen rund um die Arbeitgeberkultur zur Verfügung (93 Prozent). Sie nehmen zum Beispiel Bezug auf die Coroporate Social Responsibility (CSR) oder beschreiben, wie im Unternehmen kooperiert, kommuniziert und geführt wird. Besonders jüngere Fachkräfte legen bei der Jobsuche großen Wert auf diese Fakten, um den Cultural Fit besser einschätzen zu können. Sie erhoffen sich Aufschluss darüber, ob das Wertesystem des Arbeitgebers zum eigenen passt.

Fast ein Standard ist in der IT die mobile Optimierung der Karriere-Website. Diesen Punkt erfüllten alle Getesteten dieser Branche und vereinfachen damit nicht nur der "Generation Smartphone" den Zugriff auf Informationen. Allerdings bieten noch nicht alle Arbeitgeber einen vollständigen mobilen Bewerbungsablauf, bei dem Kandidaten alle Schritte komfortabel über ihr mobiles Endgerät erledigen können - von der Informationssuche auf der Website über den Zugriff auf die Online-Stellenangebote bis hin zur Bewerbung selbst.

Im Recruiting sprechen neue Formate wie Chatbots, Gamification oder Online-Tests insbesondere technikaffine und junge Zielgruppen an. Hier hat der ITK-Bereich einen signifikanten Vorsprung: Bereits jeder vierte Arbeitgeber setzt auf seiner Karriere-Website einen Chatbot ein, der häufig gestellte Fragen schnell beantworten kann.

Die derzeitige Situation wirft bei Jobsuchenden viele Fragen auf. Was passiert mit meiner laufenden Bewerbung? Oder: Wird die ausgeschriebene Stelle überhaupt noch besetzt? Einige Arbeitgeber haben besonders schnell reagiert und für Bewerber Informationen zum Recruiting in Corona-Zeiten in ihrem Online-Auftritt platziert. Doch mehr denn je gilt: Egal, wie informativ Karriere-Websites und Stellenanzeigen sind, oft herrscht bei den Jobsuchenden nach wie vor Unklarheit.

Kontaktdaten einer Person in der Personalabteilung, an die man sich in diesem Fall wenden kann, geben möglicherweise den Ausschlag, ob sich Kandidaten tatsächlich bewerben. Dennoch beinhalten immer weniger Websites eine solche Ansprechperson. Waren es bei der Studie im Jahr 2011/12 noch 69 Prozent, sind es aktuell nur noch 42 Prozent in der gesamten Stichprobe - in der IT-Branche sogar nur 40 Prozent. Recruiting-Abteilungen können sich hier vom Wettbewerb abheben und sich als "nahbarer" Arbeitgeber präsentieren.

Wie Social Media Recruiting zum Erfolg wird

Soziale Medien sind aus Arbeitgeberkommunikation und Employer Branding nicht mehr wegzudenken. Kaum ein anderer Kommunikationskanal bietet so viele Möglichkeiten, authentisch und schnell mit den unterschiedlichen Zielgruppen zu kommunizieren.

ITK-Unternehmen liegen im Branchenvergleich der Best-Recruiters-Studie an der Spitze, was die Anzahl der eingesetzten Kanäle anbelangt. Gut jedes zweite Unternehmen nutzt sieben oder mehr Social-Web-Kanäle. Doch im Social Media Recruiting gilt Qualität vor Quantität: Erfolg haben nur Unternehmen, die ihren Profilen Aufmerksamkeit und Zeit für die Pflege schenken. Ein Arbeitgeberprofil auf den Plattformen Xing und LinkedIn ist für die getesteten ITK-Unternehmen beispielsweise selbstverständlich. Auch wenn sechs von zehn Befragten hier sporadisch Neuigkeiten mit Karrierebezug veröffentlichen, postet nicht einmal die Hälfte davon regelmäßig zu diesem Thema.

Schnelligkeit ist ein weiteres wichtiges Stichwort im Zusammenhang mit Social Media. Nutzer erwarten schnelle und transparente Antworten auf Fragen oder Kommentare. Im Rahmen der Studie wird allen Arbeitgebern je eine Frage über Xing und per E-Mail gestellt, um die Resonanz der Recruiting-Abteilungen zu prüfen. Bei Xing-Anfragen schneidet die gesamte Stichprobe auffallend schwach ab:

  • Während 38 Prozent aller getesteten Arbeitgeber auf E-Mails rechtzeitig und kompetent antworteten,

  • reagierte auf die Anfrage über Xing nur gut jeder fünfte Arbeitgeber,

  • unter den ansonsten sehr Social-Media-affinen ITK-Arbeitgebern waren es sogar nur 14 Prozent.

Im direkten Kontakt gilt es also nachzubessern, damit individuelle Anfragen nicht in Social-Media-Postfächern versickern und passende Talente nicht verloren gehen.

Das ITK-Recruiting ist rekordverdächtig, was die Prozesse rund um Bewerbungen auf offene Stellen anbelangt. Keine der (fiktiven) Bewerbungen auf offene Stellen blieb unbeantwortet und gut acht von zehn wurden innerhalb von zehn Werktagen abgeschlossen, das heißt, die Jobsuchenden erhielten eine Einladung zum Gespräch oder eine Absage.

Optimierungstipps für Personaler

Punkte verschenken die ITK-Arbeitgeber hingegen bei Initiativbewerbungen. Hier erfolgte in 17 Prozent der Fälle keinerlei Rückmeldung. Spontanbewerbungen sind jedoch eine Chance, und das Engagement von Fachkräften verdient eine Antwort. Auch wenn momentan keine passende Stelle frei ist, sollten Recruiter diese bei grundsätzlicher Eignung in den Talent Pool aufnehmen und den Kontakt beispielsweise mit Job-Newslettern halten. So bleibt der Arbeitgeber positiv im Gedächtnis. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Recruiting-Abteilungen der Wirtschaftszweige IT, Software und Telekommunikation ihre Stärken durchaus einzusetzen wissen, um Fachkräfte zu überzeugen. Trotzdem gibt es noch Optimierungspotenzial:

  • Authentisches Bildmaterial in Stellenanzeigen anstelle von Stockbildern wertet die Arbeitgebermarke enorm auf. Sechs von zehn der getesteten ITK-Unternehmen arbeiten in den Jobangeboten bereits mit Bildern und grafischen Elementen - allerdings hat die Mehrheit keinen Bezug zum Unternehmen.

  • Besonders jüngeren Zielgruppen sind Informationen zu den Unternehmenswerten und dem sozialen Engagement wichtig. Austauschbare Mission- und Vision-Statements sind jedoch kontraproduktiv. Es lohnt sich, authentisch zu kommunizieren, für welche Werte das Unternehmen steht - zum Beispiel mithilfe von Beispielen, Testimonials oder Karriere-Videos.

  • Neue Tools wie Recruiting-Chatbots oder Gaming-Elemente können nicht nur Prozesse vereinfachen und eine Karriere-Website von der Masse abheben, sondern auch den Bewerberservice erhöhen.

  • Eine Bewerbung ist aufwendig und oft bleiben für Kandidaten Fragen offen. Eine dezidierte Ansprechperson für Fragen sollte auf der Website angegeben werden, die hilft, Unsicherheiten abzubauen und Bewerbungsabbrüche zu vermeiden. Weitere Aktivitäten wie (Karriere-) Messen, Tage der offenen Tür oder sonstige Veranstaltungen, ermöglicht darüber hinaus, das Unternehmen vorab näher kennenzulernen.

  • Talent Relation Management sichert Fachkräfte für die Zukunft. Ein gut gepflegter Talente-Pool, etwa aus fähigen Praktikanten, ehemaligen Mitarbeitern oder geeigneten Bewerbern, die sich zur falschen Zeit beworben haben, lohnt sich. Job-Alerts und Newsletter sind wichtige Instrumente, um in Kontakt mit ihnen zu bleiben.

  • Sorgfalt in der Kommunikation über verschiedene Kanäle sorgt dafür, dass keine Kandidaten verloren gehen. Dazu gehört beispielsweise die regelmäßige Kontrolle der E-Mail- und Social-Media-Postfächer. Wertschätzende und vor allem zeitgerechte Reaktionen bleiben positiv im Gedächtnis und stärken somit die Arbeitgebermarke.

  • Ein Usability-Plus ist ein vollständig mobil optimierter Bewerbungsablauf - von der Karriere-Website über das Online-Stelleninserat bis zum Bewerbungsformular. Dadurch können Jobsuchende offene Positionen und passende Arbeitgeber bequem unterwegs recherchieren und bei Bedarf gleich ihre Bewerbung via Smartphone übermitteln.

Studieninformationen: Die Best-Recruiters-Studie hat zum achten Mal die Recruiting-Aktivitäten der 415 umsatz- und mitarbeiterstärksten Arbeitgeber Deutschlands hinterfragt und mögliche Ansatzpunkte zur Optimierung identifiziert. Unter den Top-100-Arbeitgebern Deutschlands sind insgesamt fünf ITK-Unternehmen vertreten. Rohde & Schwarz ist erneut Branchensieger, gefolgt von diva-e und Bechtle. (pg/fm)