Dezentralisierung? Langzeit-Planung? Hersteller-Wechsel? MIS?

07.05.1976

- Haben die vielen zur Zeit so stark propagierten Schlagworte wie "Verteilte Intelligenz" und "Trend zu Computerverbundnetzen" bereits irgendwelche Auswirkungen für Ihre Planungen oder gar Anwendungen gehabt?

Ja, sie haben Bedeutung. Zwar stehen sie noch nicht in unseren konkreten Projektplänen, aber es laufen Planungsstudien. Wir prüfen, wie man von diesen Konzepten einen sinnvollen und zweckgerechten Gebrauch machen kann.

- Ist das nicht ein bißchen spät? Dergleichen Schlagworte gibt es ja schon seit Jahren.

Nein, wir mußten zunächst eine Zentralisierung der Datenverarbeitung bei der SKF in Deutschland herbeiführen. Und von diesem Schritt aus, den wir als notwendige Voraussetzung sehen, werden wir weiterarbeiten. Distributed Intelligence kann ja nur wirksam eingesetzt werden, wenn sie zentral geplant, vorbereitet und eingeführt wird. Zentralisierte Systeme - auch zentralisierte Systementwicklung zum Beispiel - sehen wir also als Voraussetzung an für Verteilte Intelligenz und auch für Computernetze.

- Sie haben bei der SKF in Deutschland ja zunächst einige selbständige Rechenzentren aufgelöst und statt dessen ein umfangreiches TP-Netz mit zentral geführten Datenbanken realisiert. Ist es denkbar, daß dennoch in diesen Werken demnächst wieder eigene Rechner vor Ort stehen werden?

Nicht in absehbarer Zeit. Wir werden die Datenbanken zum Beispiel im Bereich der Fertigungssteuerung über die nächste Zeit noch zentral führen.

- Erwarten Sie für den mittelfristigen Planungshorizont von bis zu vier Jahren irgendwelche spektakulären Hardware-Ankündigungen?

Nein, wirklich spektakuläre Neuigkeiten wird es wohl nicht geben, aber Verbesserungen im Bereich der Peripherie und der Terminals - aber dies verstanden als logische Weiterentwicklung bisheriger Techniken. Aus dieser Sicht heraus gehen wir auch davon aus, daß wir mit einer demnächst zu installierenden 370/168 die unsere 158 ablösen wird, mindestens bis 1981 arbeiten werden.

- Wer das so genau weiß, wird sicherlich nicht mieten?

Ja, wir werden aller Voraussicht nach einen Leasingvertrag abschließen.

- Was aber, wenn IBM morgen ein System 380 oder gar eine neue Computer-Generation ankündigt?

Das wird sicherlich nicht morgen passieren. Nach dem Tag der Ankündigung kommen dann noch zirka eineinhalb Jahre bis zur Erstauslieferung. Dann kommt noch einmal ein Zeitraum von zirka eineinhalb Jahren dazu, bevor die Systeme bei anderen als bei den Pionier-Anwendern installiert sind. Wenn die nächste Ankündigungswelle nur eine Art Viertel-Generation-Schritt bringt, werden wir ihn ohnehin nicht mitmachen.

- Sie warten also doch auf die nächste Hardware-Generation?

Ja, denn die Grenzen der derzeitigen Hardware-Generation sind ja deutlich zu erkennen. Sie liegen darin, daß der Speicherung von Daten einfach Grenzen gesetzt sind. Des weiteren gibt es bei TP-Netzen immer Probleme mit den Antwortzeiten. Und drittens muß die Hard- und Software-Sicherheit der Datenverarbeitung insgesamt erheblich erhöht werden. Wenn man diesen drei Forderungen heute wirklich genügen will, muß man sehr viel Geld ausgeben, und dann mehr als über Rationalisierung eingespart werden kann.

- Ist man als Großanwender mit über 1000 Programmen eigentlich noch vom Hersteller abhängig? Haben Sie - konkret gefragt - an Neuankündigungen der IBM-Konkurrenz mehr als nur ein technisches Interesse?

Wir fühlen uns schon unabhängig vom Hersteller. Das zeigt sich zum Beispiel auch bei der installierten Mixed Hardware. Aber einen Systemwechsel vorzunehmen, erscheint uns derzeit unwirtschaftlich.

- Haben Sie das eigentlich einmal durchgespielt und durchgerechnet?

Nein, nicht in Form einer Entscheidungsanalyse. Aber die Notwendigkeit, 1000 Programme und andere Dinge umzustellen, macht jeden Gedanken an einen Systemwechsel unrealistisch.

- Das, obwohl zunehmend genormte höhere Programmiersprachen verwendet werden?

Die Programmiersprachen sind immer noch ein Problem. Außerdem sind neue Abhängigkeiten entstanden im Gebiet der Datenbank- und Teleprocessing-Software.

- Träumt auch Ihre Geschäftsführung bei SKF von einem Management-lnformationssystem?

Nein, das tut sie nicht. Andere Zielsetzungen stehen im Vordergrund, nämlich Beiträge zur Rationalisierung im Unternehmen zu leisten und den Liefer- und Kunden-Service zu verbessern. Auf der anderen Seite werden natürlich alle Entscheidungen im Unternehmen, die mit Zahlen zu tun haben, durch vielfache Computer-Analysen unterstützt.

- Kann man sagen, daß diese Management-lnformationen Abfallprodukte der Programme der operativen Ebene sind?

Nicht Abfallprodukte, sondern Verdichtungen und Aufbereitungen der Ergebnisse aus der operierenden Ebene. Wir meinen, daß es wichtiger ist, anstelle eines Knopfdruck-Management-Information-Systems viele geplante Arbeitsabläufe und Kontrollen in der operierenden Ebene zu haben. Dann erübrigt sich - übertrieben gesagt - ein von oben geplantes MIS.

- Welche Anforderungen stellten die technische Entwicklung und der technische Fortschritt in der EDV an Sie? Muß man beispielsweise heute mehr tun, um mitzuhalten als etwa vor zehn Jahren? Oder hat sich dies zuvor streckenweise atemberaubende Tempo eher verlangsamt?

Heute ist es ganz anders als vor zehn Jahren. Damals gab es wenig Bandbreite in den technischen EDV-Möglichkeiten, die sich allerdings sprunghaft entwickelt haben. Heute hingegen gibt es eine Vielfalt von technischen Möglichkeiten und eine große Komplexität aller Dinge. Die Entwicklungen haben allerdings den Charakter des Sprunghaften eher verloren. Es werden permanent graduelle Verbesserungen vorgenommen. Die Zukunft kann man also heute besser übersehen und besser abschätzen als vor zehn Jahren. Lernen müssen wir heute dennoch mehr, weil wir so viele Entwicklungen mindestens unter guter Beobachtung haben müssen.

Der EDV-Gesamt-Etat der SKF-Schweinfurt beträgt 15 Mio. Mark. Installiert sind eine 370/158 OS-VS 1, IMS und zahlreiche kleinere Maschinen. Durch zwei Projekte "Distribution Control System" (90 Terminals in 15 Ingenieur- und Verkaufsbüros) und "Zentralisierung der Fertigungssteuerung" (80 Terminals in verschiedenen Fertigungsstätten) konnte eine Netto-Einsparung von jährlich 3 000 000 Mark erreicht werden. Weitere 450 000 Mark jährlich wurden durch die Realisierung des Computerverbundes SKF-Telenet eingespart, jährlich 670 000 Mark sparte der Einsatz von Mixed Hardware. Zudem wurden durch ein Projekt "Tuning von Batch-Anwendungen" CPU- und Verweilzeiten um durchschnittlich 20 Prozent reduziert.

1975 wurde Vaupel in einem Wettbewerb der Computerwoche "EDV-Chef des Jahres". Er und sein Team erhielten von 20 verschiedenen Kandidaten den 5000-Mark-Preis, weil nach einstimmiger Meinung der Jury bei der SKF nicht nur Einzelleistungen, sondern ein weites Spektrum von Rationalisierungsmöglichkeiten durch die EDV und bei der EDV realisiert wurden. -m-

Dipl.-Kfm. Manfred Vaupel (43), gebürtiger Rheinländer, studierte BWL an der Uni Köln und ging bereits 1975 - als Programmierer für eine IBM 650 - zur SKF, wo er nach acht Jahr en Gesamtleiter der Abteilungen EDV und Organisation wurde, die heute im Bereich Informationssysteme (etwa 100) Mitarbeiter hat.

Die SKF Kugellagerfabriken GmbH in Schweinfurt, Hersteller von Wälzlagern mit mehreren Fertigungsstätten in der BRD, beschäftigt rund 4000 Mitarbeiter und macht etwa eine Milliarde Jahresumsatz.