Dezentrale EDV in der Unternehmensplanung der Tyssengas GmbH:Sachbearbeiter als Systemanalytiker, Programmierer und Operator

16.09.1977

DUISBURG (uk) - Vollkommen "abgenabelt" hat sich die Unternehmensplanung der Thyssengas GmbH, Duisburg, vom hauseigenen Rechenzentrum: Im Fachbereich sind als Stand - Alone - Anlagen ein Interdata - Megamini 8/32 sowie ein Wang - Rechner 2200 C installiert (siehe Kasten). Die Stabsabteilung hat hauptsächlich die Aufgabe, aktuelle Entscheidungshilfen und -grundlagen für die Unternehmensleitung zu liefern. Sie braucht für die Erstellung der Absatz- und Investitionsplane sowie der Unternehmensplanungsrechnung bedeutende Rechnerleistungen: "Bei unseren Versuchen, die Probleme mit dem kommerziellen Rechenzentrum zu lösen, traten besonders stark die Probleme der Kommunikationskette - Sachkenner - Systemanalytiker - Programmierer - zutage", berichtet

Dipl.-Volkswirt Eckardt Flender über die vergeblichen Bemühungen seitens seiner Fachabteilung, sich an die hauseigene EDV anzuhängen. "Außerdem bringen Ad - hoc -Jobs, wie sie häufig bei der Unternehmensplanungsrechnung anfallen können, besondere Schwierigkeiten mit der anscheinend kaum zu vermeidenden Bürokratie in Rechenzentren mit sich", gibt er als weiteren Grund an, einen abteilungsinternen Computer einzusetzen. Nachdem feststand, daß fachbereicheigene Hardware angeschafft wird, stellte man auch Erkundungen nach geeigneter Software an. Welche Gründe dazu führten, schließlich die Programme selbst zu erstellen, schildert Eckehardt Flender im folgenden Beitrag:

Für unsere Arbeitsgebiete wird ein hochspezialisiertes mathematisches Instrumentarium benötigt: Lineare Algebra in einer für die Unternehmensplanungsrechnung geeigneten, speziellen, jedoch nicht an ein bestimmtes Unternehmen gebundenen Formulierung, Finanzmathematik, Wahrscheinlichkeitsrechnung, lineare und nichtlineare Optimierungen. Erkundigungen ergaben, daß einschlä e Software weder bei Großcomputer - Herstellern noch im Bereich der MDT oder bei Minis vorliegt; eine gewisse Ausnahme bildet die lineare Optimierung, wobei jedoch die Mindestkonfiguration etwa von IBM (MPSX -Paket) bereits eine Größenordnung erreicht, die weit über den Bedürfnissen der übrigen Jobs auch anderer Unternehmensbereiche liegt und damit kostenmäßig uninteressant wird.

Viele effiziente Computer - Algorithmen wurden im Bereich der Unternehmensplanung in Theorie und Praxis erst entwickelt und getestet, so daß anderweitig schon aus diesen Gründen keine Software vorliegen kann, die den Anforderungen genügen würde. Das bezieht sich hauptsächlich auf das weite Gebiet der linearen Algebra (Matrizenalgebra); aber auch auf bestimmte Probleme aus den Bereichen Finanzmathematik und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Typisch für eine sich kontinuierlich verbessernde und verfeinernde Unternehmensplanung, die sich ein hohes Maß an Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit zum Ziel setzt, ist die Tatsache, daß recht häufig neue Programme erstellt oder bestehende verändert werden müssen. Wenn in einer solchen Situation der Sachkenner, der zunächst als einziger die Zusammenhänge überblickt, einem externen Systemanalytiker oder Programmierer erst das dem Betreffenden meistens völlig fremde Problem erklären muß, so kann das - sofern aus Kostengründen überhaupt diskutabel - allein schon aus Zeitgründen kaum akzeptiert werden.

Für viele Probleme ist weiterhin kennzeichnend, daß die vom Computer - Hersteller angebotenen Programmiersprachen Funktionen enthalten, die zuweilen nicht die beabsichtigte Wirkung hervorrufen, ohne daß man aber von einem Fehler sprechen könnte. Gemeint ist hier vor allem das weite Gebiet der numerischen Genauigkeit (etwa in bezug auf einige Matrix - Routinen in manchen BASIC - Sprachen). Das Erkennen eines solchen Tatbestandes ist für denjenigen, der nicht wirklich genau das hinter der EDV - Lösung stehende praktische Problem kennt, so gut wie ausgeschlossen.

Eine fast immer mögliche Abhilfe durch Modifikationen der Programme wird dann unterbleiben.

Die charakterisierten Besonderheiten zeigen, daß abteilungsintern die nötige Software von den gleichen Personen erstellt werden sollte, die auch mit den praktischen Problemen konfrontiert sind. Das bedeutet nicht, daß sich die Sachbearbeiter als ausgesprochene Experten auf dem Gebiet der Datenverarbeitung verstehen müssen; eine nunmehr 8jährige Erfahrung hat erwiesen, daß sich Problemkenntnis und EDV - Ausführung bis hin zum Operating durchaus miteinander vereinbaren lassen, und zwar ohne daß bei der Beurteilung der Qualitäten der Software Abstriche vorgenommen werden müßten.

* Mitarbeiter der Stabsabteilung Unternehmensplanung der Thyssen GmbH.