Dezentrale Budgetverantwortung fuer effizientere Verwaltungen

02.06.1995

Einen bemerkenswerten Versuch hat juengst das Land Baden- Wuerttemberg gestartet: Dort erhielten zwoelf Aemter aus unterschiedlichen Verwaltungsbereichen die Entscheidungsbefugnis ueber ihre Haushaltsetats, um so effektiver arbeiten und sparsamer wirtschaften zu koennen.

Trotz der prekaeren Finanzsituation, der vielfach weiter explodierenden Ausgaben und der auch in der konjunkturellen Aufschwungphase zu geringen Einnahmen besteht das ueberkommene Haushaltswesen in den meisten Behoerden und Kommunen unveraendert fort. Dessen groesstes Manko liegt im Fehlen betriebswirtschaftlicher Komponenten: Seine Hauptaufgabe ist weiterhin, eine normative Kontrolle durchzufuehren und dafuer zu sorgen, dass die Verwaltung einen von Ministerien, Parlamenten oder Stadt- und Gemeinderaeten verabschiedeten Einnahmen- und Ausgabenplan einhalten.

Ueber die Wirtschaftlichkeit der Ausgaben trifft der Haushaltsplan dabei weder im vorhinein noch hinterher Aussagen - das "oekonomische Prinzip" reduziert sich letztlich auf Sparsamkeitsappelle an die Administration. Damit sind zwangslaeufig all jene Defizite verbunden, die einem wirkungsvollen Controlling, wie es von immer mehr Organisationsexperten fuer den oeffentlichen Dienst gefordert wird, diametral entgegenstehen.

Es mutet daher geradezu avantgardistisch an, wenn nun das badenwuerttembergische Finanzministerium quasi per Grossversuch ausprobieren will, ob der Ausbruch aus den erstarrten Strukturen in einem den leeren Kassen angemessenen Tempo - also umgehend - moeglich ist. Die mit Jahresbeginn via Pilotprojekt erfolgte Dezentralisierung der Budgetverantwortung auf die in das Vorhaben einbezogenen Aemter duerfte bei erfolgreichem Verlauf fuer zahlreiche andere Behoerden zum nach-ahmenswerten Strategiemodell fuer die Haushaltssanierung avancieren.

Bereits Mitte letzten Jahres erklaerte Gerhard Mayer-Vorfelder, Finanzminister im "Laendle", man wolle mit dem Experiment die Selbstaendigkeit und Eigeninitiative der Behoerdenleiter staerken. Ziel sei es ausserdem, Anreize fuer einen wirtschaftlichen, nutzenorien-tierten und effektiven Einsatz der Haushaltsmittel zu schaffen. "Ausgewaehlte Aemter aus den unterschiedlichsten Bereichen und Regionen werden kuenftig weitgehend frei und flexibel ueber das ihnen zugewiesene Budgetvolumen verfuegen koennen."

Diese neuartige Chance eines selbstaendigen Haushalts-Managements erhielten die Finanzaemter Loerrach, Neuenbuerg und Schwaebisch Gmuend, die Schlossverwaltungen Schwetzingen und Ludwigsburg sowie das fuer Gruenpflege zustaendige Amt in Ulm. Als weitere Pilotanwender sind das Strassenbauamt Calw, das Geologische Landesamt in Stuttgart, die Landespolizeischule und -direktion Freiburg sowie die Polizeidirektionen in Villingen-Schwenningen und Konstanz vorgesehen.

Bei dem Grossversuch kommt durchweg ein Standardsoftwarepaket zum Einsatz, das die Dogro-Partner Unternehmensberatung GmbH, Remshalden bei Stuttgart, entwickelt hat. Deren System "Profiskal" laeuft inzwischen im landesweiten Einsatz in fuenf Bundeslaendern einschliesslich der Grosskommunen Berlin und Hamburg - hinzu kommen Anwender wie die Bundesanstalt fuer Arbeit, die Handwerkskammer Hamburg sowie institu-tionelle Nutzer.

Die Basis fuer das in der Endstufe vorgesehene Verwaltungs- Controlling bilden die Profiskal-Module Leistungserfassung, Kostenstellen- und Kostentraegerrechnung sowie die Anlagenbuchhaltung. Sie sind auf die Beduerfnisse des jeweiligen Amtes zugeschnitten. Jeder einzelnen Leistung der Verwaltung lassen sich die tatsaechlich anfallenden Kosten zuordnen. Die Ermittlung kostendeckender Gebuehren, die Gewinnung von Entscheidungsgrundlagen fuer Fremdvergaben oder Eigenleistungen sowie ein genaueres Aufzeigen von Kostenauswirkungen neuer Gesetzesvorhaben und politischer Initiativen werden so erleichtert.

Die Software basiert auf Unix, einer Client-Server-Architektur und der Programmierung in C. Die Anwendung ist somit herstellerneutral und portabel. Zudem ist durch das Tool "Ases" von Ariadne Datenbankunabhaengigkeit sichergestellt - der Anwender kann jedes Standard-RDBMS (Relational Database Management System) einbinden.

Mit dem Hauptmodul "DAS-X", der Anwendungssteuerung, konfiguriert der Nutzer die Systemumgebung entsprechend seinen Beduerfnissen fuer den Einsatz von Profiskal. Nach der Einrichtung der Hardware, des Betriebssystems und des relationalen Datenbank-Management-Systems koennen die Stammdaten entweder durch Uebernahme, Neueingabe oder Aenderung bereitgestellt werden.

Bislang unwirtschaftliche Vorgaenge koennen mit Hilfe des modernen oeffentlichen Rechnungswesens aufgedeckt und beseitigt werden. "Die Verwaltung wird effektiver und effizienter im Sinne des Buergers taetig sein koennen", prognostiziert optimistisch Finanzminister Mayer-Vorfelder. Seine Behoerde arbeite mit "Hochdruck an den zur Umsetzung notwendigen Voraussetzungen", um herkoemmliches, naemlich Input-orientiertes Verwaltungshandeln in eine Output-bezogene Administration ueberzufuehren.

Sollte bei den Schwaben alles nach Plan laufen, so duerften sich insbesondere die hellhoerig gewordenen und oft hochverschuldeten Kommunen fuer die Selbstsanierung via Budgetdezentralisierung sowie Kosten- und Leistungsrechnung interessieren. "Dafuer sprechen deutliche Anzeichen", meint Dogro-Geschaeftsfuehrer Hans-Joachim Zumsande: "Deshalb haben wir zur CeBIT 1995 eine spezielle Version fuer Staedte und Gemeinden, 'Profiskal kommunal', fertiggestellt."

* Con Berner ist freier Autor in Frankfurt am Main.