Bitkom Trendkongress

Deutschlands anderes Klimaproblem

14.11.2013
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Das Tempo des technischen Fortschritts nimmt zu. Doch noch immer stehen viele Deutsche der Digitalisierung skeptisch gegenüber, ergab eine Bitkom-Umfrage. Der Verband fordert mehr Engagement für ein technikfreundlicheres Umfeld.
Bitkom-Präsident Dieter Kempf: Die ITK-Branche braucht gesellschaftliche Anerkennung.
Bitkom-Präsident Dieter Kempf: Die ITK-Branche braucht gesellschaftliche Anerkennung.
Foto: Bitkom

"Wollen Unternehmen mit dem globalen Innovationstempo Schritt halten oder sogar an der Spitze der Entwicklung stehen, sind sie auf ein entsprechendes politisches und gesellschaftliches Umfeld in ihrem Heimatmarkt angewiesen", stellte Bitkom-Präsident Dieter Kempf zur Eröffnung des zweiten Trendkongresses in Berlin fest. Hier sieht der Lobbyverband der hiesigen ITK-Industrie indes Nachholbedarf. Deutschland gelte zwar als das Land der Ingenieure und Erfinder, jedoch ständen die Deutschen in dem Ruf, technischen Neuerungen gegenüber grundsätzlich skeptisch eingestellt zu sein.

Technik überfordert

Zwei Drittel der Bevölkerung sind technischen Neuerungen positiv gegenüber eingestellt.
Zwei Drittel der Bevölkerung sind technischen Neuerungen positiv gegenüber eingestellt.
Foto: Bitkom

Eine aktuelle Bitkom-Umfrage hat ergeben, dass zwar fast zwei Drittel der über 1000 befragten Deutschen eine positive beziehungsweise sehr positive Einstellung gegenüber technischen Neuerungen mitbringen, knapp jeder Dritte beurteilt ITK-Innovationen aber negativ, neun Prozent sogar sehr negativ. Gut ein Drittel fühlt sich von den technischen Neuerungen überfordert, jeder Vierte empfindet die durch neue Geräte und Dienste ausgelöste Informationsflut als belastend.

Trotz Berührungsängsten und Skepsis gehen die Menschen hierzulande davon aus, dass der technische Fortschritt in den nächsten zehn Jahren das eigene Leben noch stärker verändern wird, als es in der zurückliegenden Dekade der Fall war. Gut ein Drittel rechnet mit einem gleichbleibenden Innovationstempo, und etwa jeder Zehnte glaubt, dass sich der technische Fortschritt verlangsamen wird.

"Die Digitalisierung erfasst nach Medien, Finanzwesen und Handel nun verstärkt Bereiche wie Mobilität, Bildung, Gesundheitsversorgung und Industrie", konstatierte Kempf. Nach Auffassung des Bitkom-Präsidenten sorgen derzeit verschiedene disruptive Technologien, die originär oder zumindest in Teilen mit ITK zusammenhängen, dafür, dass viele Unternehmen ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen müssen. Dazu zählen aus Sicht des ITK-Verbands das mobile Internet, das Internet der Dinge, die Cloud, Robotik und 3D-Druck.

Risiken für den Standort

"Aktuell befinden wir uns inmitten der vierten Konvergenzwelle, die wir ‚Smart Anything‘ nennen", führte Kempf weiter aus. Dazu gehörten Konzepte wie die intelligente Verkehrssteuerung, Smart Grids, E-Health oder Industrie 4.0. Gerade dort, wo die Konvergenz zwischen den Technologien stattfindet, habe die deutsche Wirtschaft ihre besonderen Stärken, sagte Kempf. Das gelte für den Maschinenbau, die Elektrotechnik, die Medizintechnik, den Automobilbau und die Logistik.

Technik verändert unser Leben in den kommenden zehn Jahre stärker, als in der zurückliegenden Dekade.
Technik verändert unser Leben in den kommenden zehn Jahre stärker, als in der zurückliegenden Dekade.
Foto: Bitkom

Für den Standort Deutschland sieht der Bitkom aber auch Risiken. Mit Blick auf die Herausforderungen stehe die Politik in der Pflicht. In vielen Sektoren gebe es erhebliche Rückstände auf die USA und auf asiatische Staaten. "Umso wichtiger ist es, dass die neue Bundesregierung sowohl in der Hightech-Politik als auch in der originären Netzpolitik, also auf Feldern wie dem Datenschutz oder dem Urheberrecht, die richtigen Akzente setzt", forderte Kempf. Innovative Unternehmen bräuchten in ihrem Heimatmarkt einen Rahmen, der technische Neuerungen fördere. Daher sei es wichtig, dass ein positives Bild innovativer Technologien vermittelt werde, ohne dabei die Risiken außer Acht zu lassen. Das politische Umfeld habe erheblichen Einfluss auf die Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien. Dafür müsse die neue Bundesregierung in ihrer Hightech-Politik zum Beispiel Start­ups besser unterstützen. Kempf erneuerte seine Forderungen nach einer stärkeren Verankerung der Netzpolitik in Bundestag und Regierung, zum Beispiel durch einen ständigen Bundestagsausschuss Internet und digitale Gesellschaft. (jha)