CeBIT Welcome Night

Deutschland sucht seine digitale Zukunft

14.03.2016
Mit einem Masterplan für den Sprung in die vernetzte Welt von morgen will Bundeswirtschaftsminister Gabriel Deutschland auf Kurs in die vernetzte Industriewelt bringen. Denn Deutschland hat Nachholbedarf. Es geht um Industriestandards, es geht um Märkte und es geht um Jobs.

Nach dem Wahldebakel der SPD in zwei Bundesländern bot sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf der CeBIT die Chance für den großen Auftritt. In seinem Heimatland Niedersachsen stand die Eröffnungsrede des Vize-Kanzlers und SPD-Chefs zum Auftakt der Technologiemesse an. Seine ursprünglich geplanten Ankündigungen waren schon zuvor publik geworden. Dabei ging es um nichts Geringeres als einen Masterplan, der bis 2025 die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in eine "Digitalrepublik" absichern soll.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel lobte die Initiative von EU-Kommissar Günther Oettinger für einen digitalen Binnenmarkt.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel lobte die Initiative von EU-Kommissar Günther Oettinger für einen digitalen Binnenmarkt.
Foto: CeBIT

Doch am Abend wich Gabriel davon ab, beschwor stattdessen einen europäischen Schulterschluss beim Aufbau einer leistungsstarken Infrastruktur. Denn die digitale Revolution mit der Vernetzung der Technik ("Industrie 4.0") ist schon im Gange. "Der digitale Wandel ist längst da", erklärte der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann vom CeBIT-Partnerland. "Und wenn wir ehrlich sind, sind wir da bei der Digitalisierung erst am Anfang", gab Gabriel am Abend bei seiner CeBIT-Rede zu.

Die Digitalisierung brauche Menschen aus aller Welt. "Sie ist weltoffen und liberal, wie wir uns unser Land vorstellen", betonte der SPD-Politiker, der wiederholt die Rede des EU-Digitalkommissars Günther Oettinger lobte. Der hatte sich für ein digitales Europa als großes, einigendes Gemeinschaftswerk ausgesprochen.

Böses Erwachen

Die deutsche Wirtschaft fürs digitale Zeitalter fit zu machen, wird daher allerhöchste Zeit. Immerhin werden die Umbrüche in allen Bereichen auch die gesellschaftliche Diskussion befeuern - vom Schutz der in immer größeren Strömen fließenden Daten bis hin zur Arbeitsplatzdebatte. Denn ähnlich wie zu Zeiten der Pferdekutscher, die beim Aufkommen der ersten Motor-Droschken den Trend der Zeit nicht erkannten, droht ohne Umschulung vielen Menschen ein böses Erwachen in der schönen neuen Welt der Algorithmen.

In einer zunehmend vernetzten Welt, in der Roboter Kühe melken und die ersten autonomen Autos durch die Straßen fahren hat eine öffentliche Debatte um Industriestandards erst spät eingesetzt. Auch die Gewerkschaften haben erkannt, dass sie die Diskussion nicht nur begleiten, sondern auch aktiv mitgestalten müssen. Schon heute ist klar: Bestimmte Berufe werden zum Auslaufmodell. Der Staat werde sich mit neuen Berufsbildern beschäftigen müssen, meinte Schneider-Ammann.

"Pepper" als Empfangsdame

"Immer wiederkehrende Aufgaben können Roboter heute schon einfach besser erledigen als Menschen", sagte etwa Nicholas Boudot vom französisch-japanischen Roboter-Entwickler Aldebaran. Messe-Hostessen auf der CeBIT gefror das Lächeln auf den Lippen bei seinen Erläuterungen, dass Maschinen wie der von seiner Firma hergestellte Empfangsroboter "Pepper" geeignetere Empfangsdamen sein könnten. Der auf Emotionen reagierende Roboter mit den großen Kulleraugen begrüßt schon in japanischen Geschäften Kunden und gibt ihnen Orientierung - notfalls hundert Mal pro Tag mit dem gleichen Lächeln. Künftig soll er auf Kreuzfahrtschiffen auch als Fremdenführer eingesetzt werden.

Durch die Digitalisierung werden nach Überzeugung des Bitkom-Geschäftsführers Bernhard Rohleder ganze Branchen verschwinden und andere neu entstehen. "Wird es in zehn Jahren noch Zahntechniker geben?", fragte er bei einer Veranstaltung im Vorfeld der CeBIT. Mit Hinweis auf die Möglichkeiten moderner Produktionsverfahren wie der 3D-Druck gab er selbst die Antwort: "Ich sage: Nein". Der Industrieverband BDI warnte vor einem wirtschaftlichen Rückstand Deutschlands aufgrund des "dramatisch stockenden" Ausbaus digitaler Netze.

Die Frage, wie Deutschland bei der zunehmenden Vernetzung von Mensch und Maschine aufgestellt ist, dürfte direkte Konsequenzen für den künftigen Lebensstandard der Gesellschaft in der von Gabriel gewünschten "Digitalrepublik" haben. (dpa/hv)