Cisco setzt bei Digitalisierung und IoT auf die deutsche Karte

Deutschland sollte das Silicon Valley nicht kopieren

21.10.2015
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Bei den Trendthemen Digitalisierung und IoT setzt US-Konzern Cisco auf deutsches Know-how. In Deutschland entwickeln die Amerikaner nicht nur neue Netzkomponenten für die Industrie 4.0 sondern versuchen sich auch an neuen Business-Modellen.
In Sachen Internet of Things und Industrie 4.0 setzt der kalifornische IT-Anbieter Cisco auf deutsches Know how und Ingenieurskunst.
In Sachen Internet of Things und Industrie 4.0 setzt der kalifornische IT-Anbieter Cisco auf deutsches Know how und Ingenieurskunst.
Foto: Macrovector - shutterstock.com

Egal, ob Digitalisierung, Industrie 4.0 beziehungsweise Internet of Things (IoT) - bei den derzeitigen Trendthemen der IT-Welt verlässt sich der kalifornische IT-Gigant Cisco auf deutsches Ingenieurs-Know-how. So lässt das Unternehmen etwa hierzulande ruggedized Ethernet-Komponenten entwickeln, die dann im Zuge von Industrie 4.0 eine Vernetzung der Produktionsmaschinen erlauben. Ferner hat der Konzern erst jüngst mit openBerlin ein Forschungslabor in Sachen IoT und Industrie 4.0 Berlin eröffnet (wir berichteten). In das Innovationscenter, das weltweit eines von neun im Cisco-Verbund ist, investiert der Konzern 30 Millionen Euro. Hierzulande will der Konzern vor allem in den Bereichen Maschinenbau, Automobilbau, Transport/Logistik nach neuen Digitalisierungs-Lösungen suchen.

Bernd Heinrichs, Managing Director IoE EMEAR und openBerlin Innovation Center bei Cisco, ist überzeugt, dass 80 Prozent der Daten im IoT lokal verarbeitet werden.
Bernd Heinrichs, Managing Director IoE EMEAR und openBerlin Innovation Center bei Cisco, ist überzeugt, dass 80 Prozent der Daten im IoT lokal verarbeitet werden.
Foto: Cisco

Neben openBerlin unterhält der Konzern lediglich in Tokio noch ein weiteres Innovation Lab, das sich der Digitalisierung der Industrie widmet. Darüber hinaus wollen die Amerikaner in den nächsten Jahren über Fonds mit rund 150 Millionen Euro entsprechende Forschungsprojekte in Europa und Deutschland fördern. Hier ist etwa eine Zusammenarbeit mit Fraunhofer, der TU Berlin oder der RWTH Aachen angedacht. Des Weiteren gibt es innerhalb des Konzerns wohl Überlegungen, ob Deutschland nicht Standort einer virtuellen Forschungsfabrik wird, in der man dann IoT- und Industrie-4.0-Konzepte in der Praxis testen kann.

Verändertes Business-Modell

Gleichzeitig verfolgt Cisco mit openBerlin ein verändertes Business-Modell. Es steht nicht mehr wie in der Vergangenheit primär der Verkauf von Netzkomponenten im Vordergrund, sondern eine Partnerschaft mit den Start-ups oder Unternehmen mit denen im Lab neue Lösungen entwickelt werden. Am wirtschaftlichen Erfolg der Lösungen partizipiert Cisco dann später in Form einer Umsatzbeteiligung. "Wenn Sie so wollen, können Sie das Lab auch als einen Think Tank für die Shared Economy betrachten", erklärte Bernd Heinrichs, Managing Director von openBerlin, gegenüber der COMPUTERWOCHE.

Beim Internet of Things vorne mitspielen

Ciscos Deutschlandchef Oliver Tuszik warnt davor, bei Industrie 4.0 einfach das Silicon Valley zu kopieren.
Ciscos Deutschlandchef Oliver Tuszik warnt davor, bei Industrie 4.0 einfach das Silicon Valley zu kopieren.
Foto: Cisco

Ciscos Engagement in Deutschland kommt nicht von ungefähr. Die Amerikaner rechnen fest damit, dass Deutschland bei der vierten großen Internet-Welle, dem IoT, nach E-Mail, E-Commerce sowie Mobile/Social eine führende Rolle spielen wird, nachdem die ersten drei Wellen nur von US-Unternehmen geprägt wurden. Deshalb warnt auch Oliver Tuszik, Vice President und Vorsitzender der Geschäftsführung von Cisco Deutschland, eindrücklich davor, "einfach das Silicon Valley zu kopieren".

Denn IoT und Industrie 4.0 sowie die damit verbundene Digitalisierung hätten wenig mit den Erfolgsgeschichten von AirBNB, Uber oder Google zu tun. "Das waren B2B-Themen bei denen vergleichsweise geringe und damit Cloud-taugliche Datenmengen entstanden", so Tuszik weiter. Ganz anders dagegen beim IoT, wo riesige Datenmengen entstehen, die allerdings nicht personenbezogen sind. So erzeugt beispielsweise ein modernes Düsentriebwerk mehrere Terabyte an Daten pro Minute, die sich nur noch lokal verarbeiten lassen, da die entsprechenden Bandbreiten nicht vorhanden sind, um die Rohdaten weiter zu transportieren.

Zudem macht es oft auch keinen Sinn die Daten erst zur Bearbeitung in die Cloud zu schicken, wie etwa bei einer Windkraftanlage, die ihre Rotorblätter automatisch an die Windverhältnisse anpasst. In einem Windpark meldet dabei die erste Anlage, die Veränderungen registriert, an alle anderen Rotoren. Auf diese Weise stehen die Anlagen immer optimal zum Wind. Der Hersteller konnte so mit IoT-Technik die Effizienz des Windparks um 30 - 40 Prozent steigern.

Deutschland muss sich sputen

Angesichts solcher und anderer Beispiele ist Heinrichs überzeugt, dass 80 Prozent der Daten im IoT und bei Industrie 4.0 lokal be- und verarbeitet werden. Diese dann de facto verteilte Intelligenz hätte noch einen weiteren Vorteil: Angriffe seien schwerer zu bewerkstelligen. Im Thema Sicherheit sieht denn auch Tuszik noch ein weiteres Asset bei dem Deutschland neben Sensorik und Ingenieurskunst in Sachen IoT auf dem Weltmarkt punkten könne.

Gleichzeitig ist er allerdings beunruhigt, dass die deutschen Unternehmen nicht schnell genug auf die Veränderungen der Digitalisierung reagieren und appelliert, "alte Geschäftsmodelle zu zerstören, um Neues zu kreieren". Des Weiteren sollte nicht vergessen werden, dass Digitalisierung weit über die Technik hinausgehe und sich auch eine Gesellschaft darauf vorbereiten müsse.