Cisco Digital Readiness Index

Deutschland rutscht im Digital-Ranking ab

29.04.2020
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Im aktuellen Digitalisierungsindex von Cisco liegt Deutschland nur noch auf Rang 14 – nachdem im Jahr zuvor noch Platz 6 erreicht wurde. Und dies, obwohl sich die BRD in drei von sieben Kategorien verbesserte.
Deutschland hat im Rennen um das Zukunftsfeld der Digitalisierung noch einiges zu tun. Das legt der aktuelle Digitalisierungsindex nahe.
Deutschland hat im Rennen um das Zukunftsfeld der Digitalisierung noch einiges zu tun. Das legt der aktuelle Digitalisierungsindex nahe.
Foto: Avigator Fortuner - shutterstock.com

Dass Deutschland bei der Digitalisierung Weltspitze ist, wünschen sich 75 Prozent der Bundesbürger. Insgesamt 69 Prozent sehen die Bundesrepublik jedoch international eher im unteren Drittel, wenn nicht sogar in der Schlussgruppe. Dies ergab eine von Cisco beauftragte Civey-Umfrage im Januar 2020. Die Wahrnehmung ist dabei deutlich negativer als die Realität. Das belegt unter anderem der aktuelle Cisco Digital Readiness Index, dessen Daten allerdings noch vor der weltweiten Corona-Krise gesammelt wurden.

Deutschland im internationalen Digitalvergleich

Der Cisco Digital Readiness Index wurde 2018 in Zusammenarbeit von Cisco und dem Marktforschungsinstitut Gartner entwickelt. Ziel dahinter ist, den digitalen Reifegrad eines Landes ganzheitlich und international vergleichbar zu messen. Darüber hinaus soll der Index auch Hinweise geben, wo einzelne Länder ansetzen können, um sich zu verbessern. Erneut wurden dazu Faktoren wie Technologieinfrastruktur und -nutzung, aber auch Lebens- und wirtschaftliche Rahmenbedingungen untersucht. Insgesamt fließen in den Index sieben Parameter ein:

  • Technologische Infrastruktur (Technology Infrastructure): Infrastruktur, die digitale Aktivitäten durch zunehmende Vernetzung ermöglicht.

  • Technologienutzung (Technology Adaption): Nachfrage nach digitalen Produkten und Services.

  • Fachkräfteentwicklung (Human Capital): Ausgebildete Fachkräfte, die digitale Innovation vorantreiben, implementieren und pflegen.

  • Lebensstandards (Basic Needs): Grundlegende Lebensstandards, Erfüllung der Grundbedürfnisse.

  • Wirtschaftliche Rahmenbedingen (Ease of Doing Business): Rahmenbedingungen, die einen effizienten und planbaren Geschäftsbetrieb erlauben.

  • Investitionen (Business & Government Investment): Öffentliche und privatwirtschaftliche Investitionen in Innovation und Technologie.

  • Umfeld für Start-Ups (Start-Up Environment): Umgebung, die Innovation durch junge Unternehmen und deren Entstehung fördert.

Insgesamt konnte aus diesen sieben Kategorien eine Gesamtpunktzahl von 25 Zählern erreicht werden. Absolut betrachtet hat sich Deutschland - nachdem 2018 ein Endergebnis von 17,68 Punkten erreicht wurde - im Jahr 2019 etwas verbessert und erzielt nun 17,85 Punkte. Insgesamt konnte sich Deutschland in drei von sieben Kategorien verbessern. Mit dem Index-Wert von 17,85 liegt Deutschland auf der höchsten Stufe des digitalen Reifegrades, der sogenannten Verstärkungsphase.

Im internationalen Vergleich belegt Deutschland bei der Digital Readiness nur noch Platz 14.
Im internationalen Vergleich belegt Deutschland bei der Digital Readiness nur noch Platz 14.
Foto: Cisco

Dennoch konnte der gute sechste Platz aus dem Jahr 2018 nicht behauptet werden. Vielmehr rutschte die Bundesrepublik im Vergleich der 141 Staaten auf Platz 14 ab. Wie die Zahlen zeigen, bedeutet das nicht, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung schlechter geworden ist - aber andere Länder agieren schneller und haben uns in Sachen Digitalisierung mittlerweile überholt.

So positionieren sich vor uns etwa Länder wie Singapur, Luxemburg, die USA, Dänemark, die Schweiz, die Niederlande, Schweden, Südkorea, Island, Norwegen, Finnland, Australien sowie Großbritannien (in Reihenfolge der Positionierung). Zwischen dem erstplatzierten Singapur mit 20,26 Punkten und der Bundesrepublik auf Rang 14 liegen gerade einmal 2,41 Indexpunkte. Detailanalysen können Interessierte direkt auf der Cisco-Webseite mit einem interaktiven Online-Tool durchführen.

Schlechtes Umfeld für Start-Ups

Den größten Fortschritt machte die Bundesrepublik bei den Investitionen und stieg von Platz 30 im Vorjahr auf Rang 11. Besonders gut schneidet Deutschland bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab (3,76 von 4). Im Mittelfeld liegt der Wert für die technologische Infrastruktur. Hier konnte sich Deutschland zwar um 0,12 Punkte steigern, ist damit jedoch von Platz 6 auf 8 gerutscht. Durch eine Neuausrichtung der Kategorie Start-Up-Umgebung erreicht Deutschland nur noch 0,68 von 3 möglichen Punkten, konnte sich damit jedoch um einen Platz von 28 auf 27 verbessern.

So schneidet Deutschland in den einzelnen Indexkategorien ab. Besonders bei den Bedingungen für Start-Ups steht das Land schlecht da.
So schneidet Deutschland in den einzelnen Indexkategorien ab. Besonders bei den Bedingungen für Start-Ups steht das Land schlecht da.
Foto: Cisco

Verbesserungsbedarf besteht hierzulande auch auf einem Gebiet, auf das Deutschland sonst immer so stolz ist: seine Fachkräfte. Im internationalen Vergleich kommt die Bundesrepublik hier mit 3,25 Indexpunkten gerade einmal auf Platz 15. Noch schlechter steht Deutschland in Sachen Lebensstandards da. Obwohl stolze 3,90 Punkte von 4 erreicht werden, genügt das im internationalen Wettbewerb nur für Rang 24.

"Der Digital Readiness Index zeigt, dass wir in Deutschland noch einiges zu tun haben", kommentiert Uwe Peter, Deutschlandchef von Cisco, die jüngsten Ergebnisse und fordert: "Bei den Grundlagen der Digitalisierung darf Deutschland keine Kompromisse machen. Wir sehen aktuell, wie entscheidend ein hoher Digitalisierungsgrad für Wirtschaft und Gesellschaft ist."

Bei aller Kritik sieht Peter aber keinen Grund zum Fatalismus, denn "wenn es drauf ankommt, kann Deutschland Digitalisierung auch in Lichtgeschwindigkeit. In den letzten Wochen haben wir gesehen, wie ein digitales Deutschland aussehen kann." Um die Entwicklung zu beschleunigen und sich im Ranking des digitalen Reifegrades zu verbessern, müsse die Bundesrepublik nun vor allem beim Zugang zu Daten, den Rahmenbedingungen für Start-ups und dem Ausbau von modernen Netzwerken auf der Basis von Wi-Fi 6 und 5G Boden gut machen. Ferner sei es wichtig, weiter an einer zuverlässig funktionierenden, digitalen Infrastruktur zu arbeiten.