Deutschland - ein leichter Markt für Software?

14.03.1975

Die Aufwendungen für Erstellung und Pflege individueller Programme übersteigen vielfach die Hardware-Kosten. Wie läßt sich Standard-Software heute in Deutschland verkaufen? Sind EDV-Leiter derzeit Immer noch bereit, mehr für neue, größere und fortschrittlichere Hardware auszugeben als für Software-Pakete?

Wie steht es um den seit Jahren postulierten "mündigen Anwender"? Ist er in der derzeitigen Wirtschaftslage endlich zu der Einsicht gekommen, daß sich ein Versuch lohnt, die Kapazität der EDV-Anlage zu optimieren, sei es durch den Einsatz von Mixed Hardware, sei es durch die Installationen von entsprechenden Software-Paketen?

CW befragte fünf führende Software-Häuser, wie sich ihre Produkte heute in Deutschland verkaufen lassen, und was der Grund ist, wenn sie sich nicht mehr gut verkaufen lassen.

Siegmar Kilian

Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Fischer GmbH, Stuttgart

Obwohl die UDF eine geschlossene Palette von der Absatz-, Produktions- und Finanzplanung über Buchhaltung, Kostenrechnung, Personalinformationssysteme, Auftragsabwicklung bis zum Vertriebsinformationssystem anbietet, ist der Absatz dieser Programme mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.

Die Programme wurden durch das BMFT gefördert und unterliegen damit den Entwicklungs- und Vertriebsrichtlinien des Bundes. Das Vorhaben des Bundes, der mittelständischen Industrie preisgünstige Software-Pakete anbieten zu können - der durchschnittliche Preis der Programmkomplexe liegt bei ca. 30 000 Mark - wird kaum genutzt. Außerdem sind die Firmen in der Regel nicht bereit oder nicht in der Lage, die standardisierten Programme ohne mehr oder weniger umfangreiche Anpassung an betriebliche oder bestehende organisatorische Belange zu übernehmen. Weitere Schwierigkeiten sind:

- langwierige Vorabgespräche,

- Fragenkataloge von teilweise mehr als 50 Seiten an den Software-Lieferanten,

- Anpassung an abweichende Computer-Konfigurationen, Betriebssysteme, Dateiorganisation,

- kostenlose Zusatzleistungen, Schulung und Dokumentation nach Kundenrichtlinien,

- Preisbindung bei geforderten Programmen.

Sind diese Hürden übersprungen, wird der Ruf nach mehreren Referenzen laut. Manche Interessenten scheinen zu vergessen, daß selbst das beste Programmpaket nach Jahren der Entwicklungszeit auch einen Erstanwender benötigt.

Friedrich A. Meyer

geschäftsführender Gesellschafter der ADV/Orga, Wilhelmshaven

Die Entwicklung der letzten Monate hat dazu geführt, daß die DV-Anwender bei der Anschaffung neuer Hardware-Systeme oder der Erweiterung vorhandener Anlagen wesentlich vorsichtiger und kritischer geworden sind. Die Zeiten, in denen man ein neues System bereits bestellte, sobald es vom Hersteller gerade erst angekündigt war, sind wohl endgültig vorbei. Im einzelnen zeigt sich dies darin, daß die Anwender die Konfiguration ihrer Systeme überprüfen, die Kapazität sehr genau mit ihren betrieblichen Erfordernissen vergleichen und sich zu Erneuerungen wesentlich seltener entschließen als bisher. Die Innovationswelle rollt also langsamer.

Die Schärfung des Kostenbewußtseins bei den Anwendern beurteilen wir außerordentlich positiv, muß sie doch dazu führen, daß die kritischere Beurteilung der Hardware begleitet wird von der Erkenntnis, daß universell einsetzbare Standard-Software für den Anwender vielfach wesentlich wirtschaftlicher als eine individuelle Lösung ist.

Zwar können wir noch nicht feststellen, daß eine solche betriebs- wie volkswirtschaftlich notwendige Entwicklung bereits auf breiter Front eingesetzt hat, doch sprechen alle Anzeichen dafür, daß wir am Beginn einer solchen Phase stehen. Wir werden jedenfalls in letzter Zeit in zunehmendem Maße aufgefordert, kritische Hardware-Analysen vorzunehmen. Eine deutliche Zunahme verzeichnen wir auch bei der Angebotsabgabe für Einsatz-Untersuchungen von universellen Softwarelösungen. Die besondere wirtschaftliche Entwicklung der letzten Zeit hat also offenbar die positive Konsequenz einer längst überfälligen Weckung des Softwarebewußtseins.

Werner K. Müller

Geschäftsstellenleiter der CAP Deutschland GmbH, Düsseldorf

Die Zeiten sind vorbei. In Frankreich und England zum Beispiel seit etwa drei Jahren. Zeiten, in denen Computeranwender sich nur in seltenen Ausnahmefällen für nicht vom Hersteller erstellte System-Software interessierten oder gar einsetzten. In der Bundesrepublik ist seit einem Jahr etwa ein Wandel zu verspüren, der uns in 1974 einen Umsatzanstieg in System-Software-Paketen von 40 Prozent gegenüber 1973 bescherte. Zwar investierten die EDV-Leiter im letzten Quartal 1974 etwas vorsichtig (in manchen Branchen stark vorsichtig) und auch in den ersten Monaten 75 ist keine überschwengliche Kauflust zu verspüren. Für eine bestimmte Art von Systemsoftware kann dieser Trend jedoch unter Umständen von Vorteil sein: nämlich für die Optimierungs-Software.

Durch die augenblickliche und die zu erwartende wirtschaftliche Lage ist die Langzeitplanung so manchen EDV-Leiters ins Wanken geraten und zunehmend verstärkt sich die Meinung, den steigenden Arbeitsanfall nicht durch Anmietung einer größeren Anlage aufzufangen, sondern durch optimale Ausnutzung der bestehenden.

Josef Nagel

Geschäftsführer der Gemini Computer Systems Deutschland GmbH, Düsseldorf

Die Verkaufschancen standardisierter Anwendungs-Software-Produkte, die bereits programmiert vorliegen, sind unserer Erfahrung nach gering, da nur in beschränktem Umfang kundenspezifische Modifikationen möglich sind.

Nach wie vor erwartet jeder Anwender sein individuelles Programm, das in die bestehende Organisation paßt oder den eigenen Vorstellungen entspricht.

Gefragt sind Konzeptionen, die das gesamte Anwendungsgebiet umfassen, modular aufgebaut sind und weitgehende Freiheit bei der Ein- und Ausgabe zulassen.

Dr. Joachim Schweim

Prokurist und Geschäftsstellenleiter Stuttgart der SCS GmbH, Hamburg

Die Erfahrungen haben gezeigt, daß es nur in seltenen Fällen gelingt, die Investitionen in planmäßig vorgefertigte Softwarepakete zu amortisieren. In der Regel ergibt sich die Erkenntnis, daß die standardisierte Software immer dann fehlschlägt, wenn man ganze, Anwendungen damit erledigen will. Das liegt daran daß vor dem Einsatz eines Software-Paketes eine kritische Analyse des speziellen Anwendungsproblems und der speziellen Informationsbedürfnisse liegen muß. Sonst erlebt man immer wieder, daß die Modifikation von Standard-Software-Paketen nicht nur kostenträchtige Überraschungen bringt, sondern zusätzlich die spätere Wartung erschwert. Anders ist die Situation bei Softwareproduktionsmitteln. Sie dienen dem Anwender als effizientes Hilfsmittel bei der Programmerstellung (zum Beispiel Macro-Generatoren, Entscheidungstabellen-Generatoren, parametrisierte Bausteine).