Deutscher Ring tauscht den Partner

18.03.2005
Von Britta Raabe
Die Versicherungsgruppe Deutscher Ring stieg aus einem laufenden Outsourcing-Vertrag aus und konnte die Kosten bei gleichzeitiger Serviceverbesserung um 20 Prozent reduzieren.

Vielen Auftraggebern geht es irgendwann in einer Outsourcing-Beziehung folgendermaßen: Die Unzufriedenheit mit dem Dienstleister steigt und die Verantwortlichen beginnen, über den Wechsel des Outsourcers nachzudenken. Bei der Versicherungsgruppe Deutscher Ring in Hamburg trat dieser Wechselwunsch nach fast dreijähriger Zusammenarbeit ein. Das Problem: Der Vertrag lief zu diesem Zeitpunkt noch zwei weitere Jahre.

Die Mängelliste war jedoch so lang, das die Verantwortlichen sie nicht weiter ignorieren konnten. Immer wieder hatte sich die IT-Betriebsleitung über unvollständige Service-Level-Agreements (SLAs), unzureichende Abgrenzung von Verantwortungen oder fehlende Bonus-Malus-Regelungen geärgert. Zudem missfiel der große Interpretationsspielraum des Vertrages, der es dem Dienstleister erlaubte, Services mehrfach abzurechnen. Als der Deutsche Ring schließlich glaubt, die Leistungen zu teuer einzukaufen, war die Zeit für Veränderungen reif.

Doch wie kann eine solche Vertragsbindung gelöst werden, ohne dass hohe Konventionalstrafen fällig werden und der Dienstleister in der Übergangszeit die Leistungen blockiert oder nahezu einstellt? Immerhin betreute der damalige Outsourcer die komplette Infrastruktur - also etwa 3500 Desktops und Notebooks samt User Helpdesk, den Anwendungsbetrieb im First und teilweise auch Second Level Support, die Weitverkehrs- und lokalen Netze, den Serverbetrieb, die Softwareverteilung und das Asset-Management. 1500 Mitarbeiter im Innendienst und weitere 1300 im Außendienst waren auf eine funktionierende IT angewiesen. Kein Wunder, dass der Deutsche Ring erhebliche Probleme fürchtete.

Risikolos ist ein Dienstleisterwechsel nicht. Mit einem Qualitätseinbruch während der Migration ist zu rechnen, weil der neue Partner den Betrieb zunächst kennen lernen muss. In diese Phase fallen auch eventuelle Akzeptanzprobleme des neuen Anbieters in der eigenen IT-Abteilung sowie in anderen Unternehmensbereichen. Außerdem besteht das Risiko, dass ein neuer Partner nicht vorhersehbare Schwächen hat. Zudem zeigt sich fast immer, dass der scheidende Partner den Wechsel nicht gerade unterstützt.

Externe Berater helfen

Der Hamburger Finanzdienstleister schaltete die Schickler Unternehmensberatung ein, um Reibereien mit dem alten Dienstleister und den hohen Zeitaufwand bei der Suche nach einem neuen Anbieter möglichst zu gering zu halten. Zunächst erstellte das Migrationsteam eine detaillierte Leistungsbeschreibung. Darin wurde das zukünftig gewünschte Portfolio exakt spezifiziert.

Zusätzlich unterstützte die Unternehmensberatung in Absprache mit dem IT-Management die Auswahl potenzieller Outsourcer. Anschließend erhielten sieben Dienstleister - darunter auch der bisherige Outsourcer - sowie die unternehmenseigene IT-Abteilung das Anforderungsprofil. Die Möglichkeit des Insourcings war allen Beteiligten wichtig, um keine Alternative außer Acht zu lassen. Im Verlauf der Auswertung zeigte sich jedoch, dass unter Berücksichtigung der Vollkostenkalkulation ein potenzielles Insourcing aufgrund des erforderlichen Personalaufbaus unter finanziellen Aspekten nicht konkurrenzfähig war.

Ab Ausschreibungsstart zog sich der Deutsche Ring vollständig aus der Kommunikation mit den Bietern zurück. So wollte man gewährleisten, dass nicht doch versehentlich kleine, aber wichtige Zusatzinformationen an einzelne Anbieter gelangten, die das Verfahren verwässern könnten. Wichtig war zudem, dass keine Missstimmung zwischen dem bisherigen Outsourcer und den IT-Mitarbeitern des Deutschen Rings entstand. Ohnehin stellt es eine der schwierigsten Aufgaben in derartigen Projekten dar, den aktuellen und gekündigten Dienstleister während und nach der Ausschreibung nicht zu verärgern.

Bieter über die Schulter geblickt

Das Konzept ging auf: Während der IT-Betrieb reibungslos weiterlief, wertete Schickler die Angebote aus. Nach dieser Phase führten Mitglieder des Migrationsteams und der Justiziar die Angebots- und schließlich auch die Vertragsverhandlungen mit den ausgewählten Anbietern auf der Short List. Bereits während der laufenden Gespräche besuchte das Migrationsteam die verschiedenen User Helpdesks, um Einblicke in die Firmenkultur der Dienstleister zu erhalten.

Nach Abschluss der Verhandlung und der Entscheidung für einen Partner zeigte sich, dass die Leistungsqualität erhöht, neue Vertragskonstellationen eingebaut und - ganz wichtig - die Möglichkeit zu neuen Technologiepartnerschaften eingeräumt werden konnten. Seitdem betreibt der Versicherer mit dem neuen Outsourcing-Partner einige vielversprechende Pilotprojekte. Parallel dazu wurde ein weitestgehend automatisiertes Reporting eingeführt, das die Überwachung der SLAs ohne wesentliche manuelle Eingriffe ermöglicht. Zusätzlich zu diesen Verbesserungen stellte sich ein weiterer wichtiger Vorteil ein: Das Auftragsvolumen konnte - bei verbesserter Leistung und Flexibilität - um 20 Prozent der ursprünglichen Kosten gesenkt werden. Dieser Spareffekt wurde möglich, weil während der vorhergehenden Outsourcing-Laufzeit das Lohnniveau enorm gesunken war.

Der Wechsel ist machbar

Doch wie gestaltet sich die Übergangsphase - eine Zeit, in der alle Beteiligten das Schlimmste befürchteten? Auch wenn sie an einigen Stellen anfangs etwas holprig verlief, zeigten sich die Verantwortlichen beim Deutschen Ring mit dem Verlauf des Wechsels sehr zufrieden. In der Pilotbetriebsphase betreuten das bisherige und das neue Outsourcing-Team zwei Monate lang gemeinsam die IT des Versicherers. Weitere zwei Monate stand der ehemalige Dienstleister in einzelnen Bereichen unterstützend zur Seite. Nach zirka vier Monaten lief der Betrieb stabil, und die Unterstützung durch den Berater endete.

Selbst wenn die Wechselhürden auf den ersten Blick nur schwer überbrückbar scheinen - im konkreten Einzelfall gibt es nur wenige Gründe, eine Migration nicht wenigstens zu prüfen. Innerhalb der Vertragslaufzeit verändert sich fast immer der Anbietermarkt, weil sich neue Dienstleister etablieren konnten und andere ihr Profil angepasst haben. Mit entsprechender Unterstützung kann es sich daher lohnen, den anfangs unsicher erscheinenden Weg des Dienstleisterwechsels zu gehen. (jha)