IT in Versicherungen/Bei der Kundenberatung im Wohnzimmer das RZ dabei

Deutscher Ring stärkt Autonomie und Qualität des Außendienstes

21.11.1997

Auch im Versicherungsmarkt zählt im zunehmend härteren Wettbewerb vor allem eines: konsequente Kundenorientierung. Nur durch seriöse Beratung und kontinuierliches Eingehen auf den wirklichen Kundenbedarf läßt sich der Erfolg dauerhaft sichern.

Der Deutsche Ring, ein tradi- tionsreicher Verbund aus fünf Unternehmen (Lebens-, Sach- und Krankenversicherung, Bausparkasse sowie Anlagenvermittlung) mit über 3500 Mitarbeitern, hat sich die kompetente Beratung seiner drei Millionen Kunden schon lange auf die Fahnen geschrieben. So schnitt die Gruppe in einer Untersuchung der Stiftung Warentest vom Februar 1997 bei diesem Kriterium als Branchenbester ab.

Diese führende Position auszubauen war das ausschlaggebende Motiv bei der Einführung eines neuen Beratungs- und Verkaufsprogramms, mit dem die Laptops der über 1000 Außendienstmitarbeiter seit Sommer dieses Jah-res ausgestattet sind. "Da sich in den verschiedenen Lebensphasen eines Kunden der Bedarf ändert, ist auch der Versicherungsschutz kontinuierlich anzupassen", erklärt Dietmar Arendholz, Leiter der Abteilung Vertrieb im Bereich Informatik beim Deutschen Ring. Und: "Der Berater vor Ort muß in der Lage sein, unterschiedliche individuelle Situationen kom- petent zu analysieren und Lösungen vorzuschlagen - wobei auch aktuellste Entwicklungen, etwa Veränderungen im Tarifsystem, zu reflektieren sind." Die neue Software sollte deshalb den Außendienstler sowohl mit allen Basisdaten als auch mit den notwendigen Funktionen ausstatten, um im Kundengespräch Analysen und Lösungen erarbeiten zu können.

Um dieses Projekt umzusetzen, war jedoch die Umstellung der gesamten Außendienst-DV notwendig.

Seit längerem ist beim Deutschen Ring das Agentursystem Daisy im Einsatz. Es verwendet die interne Datenbank Nais der Firma Has und läuft unter DOS. Das neue Beratungsprogramm, basierend auf dem Case-Tool Sterling Composer (dem früheren IEF von Texas Instruments, mittlerweile umbenannt in Cool Gen), sollte an dieses Agentursystem angebunden werden. Zugleich verlangte der Außendienst ein modernes Office-System. Aus diesem Grund fiel die Entscheidung, die gesamte PC-basierte DV von DOS und OS/2 auf Windows 95 umzustellen und sie komplett mit einer grafischen Benutzeroberfläche zu versehen.

Der Einführung der neuen Beratungssoftware ging ein komplettes Migrationsprojekt voraus. In zwei Stufen wurden von Oktober 1996 bis Juli 1997 zunächst der Innendienst der Filial- und Bezirksdirektionen mit neuen Desktops, dann die Agenturen mit neuen Notebooks ausgestattet (beziehungsweise vorhandene Geräte mit neuen Arbeitsspeichern, größerer Festplatte, ISDN-Karte und neuer Software aufgerüstet). Gleichzeitig erfolgte die Schulung der Anwender.

Parallel dazu hatten sich aufgrund neuer gesetzlicher Bestimmungen die kalkulatorischen Grundlagen für die Krankenversicherungstarife geändert. Das war der Grund, das alte DOS-System komplett abzulösen.

Service jetzt weitgehend autonom

Ziel sollte es sein, die auf dem Host unter MVS/DB2 bereits fertigen neuen Programme und Daten möglichst unverändert auf dem Laptop zu betreiben und so Außen- und Innendienst mit einer identischen Funktionalität zu versehen - inklusive dem Wechsel der Versicherungstarife. Damit sind auch die Berater in der Lage, diesen Service weitgehend autonom beim Kunden zu erledigen und die Zentrale von diesbezüglichen Anfragen und Bearbeitungen zu entlasten.

Ziel war es, sowohl die Beratungsqualität als auch die Selbständigkeit des Außendienstes zu stärken. Dies setzte die Autonomie in der DV voraus: Auf den Notebooks mußte eine lokale Datenbank zur Verfügung stehen, an die komplexe Anforderungen gestellt wurden. "Sie sollte plattformunabhängig sein, IEF (respektive Composer/Cool Gen) unterstützen, stand-alone eingesetzt werden und schließlich die Host-Systeme mit möglichst wenig Aufwand übernehmen können", resümiert Anselm Schultze, Abteilungsleiter Steuerungssysteme/Produktentwicklung beim Deutschen Ring. "In umfangreichen Tests - unter anderem gegen Oracle und Informix - stellten wir fest, daß nur Sybase SQL Anywhere dem kompletten Kriterienbündel genügte." Als mit ausschlaggebend kam hinzu: "Die Hardware-Anforderungen waren mit 9 MB auf der Platte und 1 MB Speicherbedarf zur Laufzeit sehr gering - und dies bei voller SQL-Funktionalität. Schließlich stellten wir in den Tests fest, daß die Performance im Netz beim Zugriff auf SQL Anywhere zum Teil sogar die Host-Werte übertraf."

Sybase SQL Anywhere (neuer Name: Adaptive Server Anywhere) bildet mittlerweile beim Deutschen Ring "quasi den Datenbankstandard", so Michael Jelich, DV-Entwickler in der Abteilung Steuerungssysteme/Produktentwicklung. Es dient als Basis sowohl für das Tarifwechselprogramm, die Agentursoftware (die Daten aus NAIS werden in SQL Anywhere abgelegt) und die neue Beratungssoftware, die nach erfolgreicher Migration der Basissysteme pünktlich zum 31. Juli 1997 in Einsatz ging.

Dies war Jelich zufolge deshalb möglich, "weil der Aufwand für den gesamten Umstellungsprozeß sehr gering ausfiel. Da die DDL (Datendefinitionssprache) bei DB2 und SQL Anywhere gleich ist, ließen sich Datenstruktur und Daten vom Host auf den PC übernehmen.

Mit Hilfe von Host-Utilities ("Unload Plus" und "Load Plus" von BMC) war dies ohne weiteres möglich. So ist auf beiden Seiten eine identische Datenbank vorhanden."

Auch der Transfer der bereits auf dem Mainframe laufenden Tarifwechselprogramme auf den PC konnte effizient vorgenommen werden. Jelich: "Da die Funktionalität in ANSI C geschrieben war, erwarteten wir, daß sie auf beiden Plattformen funktioniert. Angenehm überrascht waren wir, daß auch die DB-Zugriffsmodule mit nur minimalen Änderungen in beiden Umgebungen laufen." Als Grund nennt Jelich den Precompiler von SQL Anywhere, der Embedded SQL unterstützt (im Source-Code werden die Zugriffe identifiziert und so umgewandelt, daß sich der Compiler einsetzen läßt). So arbeiten die gleichen Berechnungsmodule jetzt unter DOS, Windows 95 und MVS. Jelich: "Da drei Plattformen das gleiche DB-File benutzen, war die integrierte Nutzung der Programme und Daten durch Innen- und Außendienst recht einfach zu realisieren." Programme werden nur einmal entwickelt, Daten nur einmal eingegeben, und beide stehen auf verschiedenen Plattformen (zentralem Host, im Netz und auf mobilen Laptops) allen Mitarbeitern zur Verfügung.

Auch bei dem neuen Beratungs- und Verkaufsprogramm bildet die neue SQL-Datenbank auf dem PC die integrierende Basis. Es besteht aus fünf Modulen, die in heterogenen Umgebungen laufen. Beim Aufruf werden die Stammdaten aus der NAIS-DB des Agentursystems in SQL Anywhere geladen, und im Dialog mit dem Kunden gibt der Berater die weiteren Daten ein, zum Beispiel dessen Wünsche, die bereits bestehende Versorgung etc. Daraus lassen sich - unter Berücksichtigung von Prioritäten - mit Hilfe spezieller Algorithmen die Lücken bei Arbeitskraftsicherung, Hinterbliebenen- und Altersversorgung erkennen und grafisch darstellen.

Der Kunde hat alternative Komplettlösungen zur Wahl; akzeptiert er eine, werden direkt die Anträge gedruckt. Das System stößt bei den Kunden "auf positive Resonanz", so Arendholz. Die Qualität der Beratung wurde verbessert, die Abschlußquote ist gestiegen.

Generell hat die Verfügbarkeit der vollen SQL-Funktionalität auf dem Laptop die Tagesarbeit des Außendienstlers gegenüber früher erleichtert.

Jelich: "Trigger, Datenbankprozeduren und referenzielle Integrität (nicht nur beim Löschen, sondern auch bei Updates) auf dem PC eröffnen neue Möglichkeiten. Zum Beispiel können aus Performance-Gründen Redundanzen geschaffen werden, und die DB selbst sorgt für Konsistenz.

Immer wiederkehrende Aufgaben lassen sich automatisieren. Zum Beispiel die Errechnung der Betreuernummer, die sich aus Bezirksdirektion und Werber zusammensetzt, oder die Selektion wichtiger Daten zu Stichtagen, etwa alle Verkaufszahlen eines Monats pro Werber und Bezirksdirektion."

Konfiguration

Software

Agenturen: Sybase SQL Anywhere 5.5

Windows 95

Safeguard Easy

MS-Office Standard

PC Anywhere

Eigene Anwendungen (DAISY, Bauspar etc.)

Filial- und Bezirksdirektionen: Windows NT (Server) und SNA-Server mit Windows 95, MS Office, 3270 Emulation

Hauptverwaltung: SMS-Server (Domain-Server) SQL-Server (Domain-Server)

Hardware

Agenturen: IBM 755er Note- books

IBM 365 XD Notebooks

IBM PC 330 Desktops

Filialen und Bezirksdirektionen: IBM PS2/77 Desktops (FD + BD)

Compaq Server Proliant 1500 (SNA-Server)

Compaq Server Proliant 5000 (Domain-Controller)

ANGEKLICKT

Daten und Programme der Versicherungsgruppe Deutscher Ring sollten vom Host unter MVS/DB2 möglichst unverändert auch auf dem Laptop zu betreiben sein, so daß Außen- und Innendienst mit einer identischen Funktionalität arbeiten können - inklusive dem Wechsel der Versicherungstarife. Auf diese Weise sind die Berater in der Lage, beim Kunden weitgehend autonom zu agieren und gleichzeitig die Zentrale von Anfragen zu entlasten.

*Rolf Bastian ist freier Journalist in Mainz.